Etwa im Zweijahresrhythmus präsentiert das
Friedrichsbau-Varieté eine Illusionsshow, diesmal unter dem Motto „100
Prozent Magic“. Wie schon 2011 und 2013 führt Jorgos Katsaros,
Stuttgarter mit griechischen Wurzeln, durch die Show.

Jorgos Katsaros
mit Zuschauerin
Diesmal gibt er einen Start-Up-Unternehmer, der
sich in seinen Lagerhallen dem Import von Olivenöl widmet. Und zunächst
nicht ahnt, dass des Nachts in diesen Räumen allerhand Zauberer ihre
Tricks bei einer „Magic Underground Session“ erproben. Dabei ist
Katsaros aus magischer Sicht natürlich selbst mit allen Wassern
gewaschen. Lässt ein Hemd fliegen, zaubert unterschiedliche Mengen von
Karos auf die gleiche Spielkarte oder vermehrt auf witzige Weise
Flaschen. Beeindruckend ist seine Mini-Guillotine. Mit diesem
Gerät zerteilt er eine Gurke, während die Hand einer Zuschauerin
unversehrt vom Fallbeil durchdrungen wird.
  
Julius Frack und Cindy
Breiten Raum in dem Programm nehmen die
Großillusionen von Julius Frack ein. In Stuttgart aufgewachsen, hat er
hier ebenfalls ein Heimspiel. Mit seiner starken Version der schwebenden
Jungfrau zieht das Programm in der Vorpremiere – nach zähem Start –
kräftig an. Nicht nur, dass er seine Partnerin auf wirklich verblüffende
Weise schweben lässt; nein, er schreitet dabei auch scheinbar durch
ihren Körper hindurch. 2009 brachte ihm unter anderem dieser Trick einen
Weltmeistertitel auf dem Gebiet der Großillusionen ein. Auch mit seinem
ersten Erscheinen aus Nebelschwaden in einem Glaskasten kann er
überzeugen. Gleiches gilt für sein „Tesla-Experiment“, bei dem er einen
Zuschauer unsichtbar werden lässt. Nicht fehlen dürfen verschiedene
Tricks, bei denen entweder der Magier selbst oder seine Assistentin
Cindy aus diversen Behältnissen verschwinden und an anderer Stelle
wieder erscheinen.
  
Benjamin Lycan, Simon Thomas, Martin
Brock
Die Friedrichsbau-Macher werden nicht müde zu
betonen, dass man die größere Bühne im neuen Theater auch tatsächlich
ausnutzen möchte. Und so wurde noch ein weiterer Großillusionist
verpflichtet, der Franzose Benjamin Lycan. Unter anderem präsentiert er
mit seinen beiden Assistentinnen einen gewaltigen, metallenen
„Skorpion“. In diesen wird er eingesperrt, um sich vor einer Kreissäge
zu retten. Freilich ist dieses Requisit monströs, doch undurchschaubarer
wird sein Tun dadurch nicht. Überzeugender fällt seine „Android Factory“
im zweiten Programmteil aus. Hier entgeht u.a. eine Assistentin dem
Schicksal, von Spitzen durchbohrt zu werden. Insgesamt gleicht das
Programm dank der zahllosen Großrequisiten einer Materialschlacht. Simon
Thomas, der dritte Stuttgarter im Ensemble, kommt mit weit weniger
Dingen aus. Als „Mentalist“ zelebriert er den großen Auftritt, irgendwo
zwischen Pathos und Selbstironie. Wie er die Gedanken einer Zuschauerin
errät – die an einen Prominenten ihrer Wahl denken soll – ist absolut
verblüffend. Der Däne Martin Brock zeigt zauberhafte Illusionen: Als
Graffiti-Sprayer bringt er die Kostümwechsel auf Leinwand, die seine
Partnerin anschließend in Form von Quickchanges zeigt. Originell auch
sein zweiter Auftritt: Aus dem Inhalt eines Mülleimer baut er eine Art
Mini-Fahrrad samt Fahrer, das anschließend tatsächlich über die Bühne
rollt.
  
Yosuke Ikeda, Dmitry Chernov, Anna Volodko
Trotz des Showtitels „100 Prozent Magic“ sind auch
zwei artistische Nummern im Programm: Anna Volodko präsentiert eine
modern gestaltete Luftdarbietung an zwei Strapatenschlaufen anstelle
ihrer bekannten Vertikalseilkür. Ihr Lebensgefährte Dmitry Chernov
ist ein famoser Jongleur. Bis zu sieben relativ große Bälle hält er in der Luft, fängt
sie in spitzen Trichtern an seinem Kostüm und tritt dabei als
geheimnisvoller Schamane auf. Vor einem Jahr war er mit dieser starken
Darbietung im Münchner Kronebau engagiert. Zumindest kein Magier im
engeren Sinne ist zudem der Japaner Yosuke Ikeda. In seinen beiden Acts „Clock“
und „Hello“ erzählt er zu musikalischer Begleitung pantomimische
Geschichten. Seine Requisiten sorgen dabei für zauberhafte,
überraschende Effekte. 2015 war er beim „Supertalent“ auf RTL zu sehen.

Hubschrauber auf der Bühne
Bliebe noch das Erscheinen des Hubschraubers. Das
Kunststück gehört zum Repertoire von Julius Frack und bildet den
Abschluss des Programms. Und hinterlässt, wie schon der Helikopterflug
in Miss Saigon, einen zwiespältigen Eindruck. Natürlich ist das
Fluggerät eine Überraschung. Doch wenn plötzlich ein Hubschrauber vor
dem Bühnenbild steht, nach dem das flugs gespannte Tuch gefallen ist,
dann muss man über das Geheimnis nicht mehr lange grübeln. Viel
trefflicher könnte man beispielsweise darüber streiten, wie ein Magier
eine kleine Spielkarte herbeigezaubert hat. So führt die Größe des
Requisits zur Entzauberung des Magischen. Mit Hubschrauberlandungen auf
der Bühne werde ich mich wohl nie anfreunden können. |