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Friedrichsbau - "100 Prozent Magic"
www.friedrichsbau.de - 67 Showfotos

Stuttgart, 11. Februar 2016: Ein Hubschrauber landet auf der Bühne eines Stuttgarter Unterhaltungstheaters! Das war 1994 die Sensation, als das Musical "Miss Saigon" Premiere feierte. Kurioserweise wurde von Presse und Publikum mehr über diese technische Spielerei als über die Qualität des Stückes geredet.  In „100 Prozent Magic“, der neuen Produktion im Friedrichsbau, erscheint ebenfalls ein Helikopter auf der Bühne - wieder in Stuttgart. Als Schlussnummer hat die Landung auch hier einen prominenten Platz.

Etwa im Zweijahresrhythmus präsentiert das Friedrichsbau-Varieté eine Illusionsshow, diesmal unter dem Motto „100 Prozent Magic“. Wie schon 2011 und 2013 führt Jorgos Katsaros, Stuttgarter mit griechischen Wurzeln, durch die Show.


Jorgos Katsaros mit Zuschauerin

Diesmal gibt er einen Start-Up-Unternehmer, der sich in seinen Lagerhallen dem Import von Olivenöl widmet. Und zunächst nicht ahnt, dass des Nachts in diesen Räumen allerhand Zauberer ihre Tricks bei einer „Magic Underground Session“ erproben. Dabei ist Katsaros aus magischer Sicht natürlich selbst mit allen Wassern gewaschen. Lässt ein Hemd fliegen, zaubert unterschiedliche Mengen von Karos auf die gleiche Spielkarte oder vermehrt auf witzige Weise Flaschen. Beeindruckend ist seine Mini-Guillotine. Mit diesem Gerät zerteilt er eine Gurke, während die Hand einer Zuschauerin unversehrt vom Fallbeil durchdrungen wird.


Julius Frack und Cindy
 

Breiten Raum in dem Programm nehmen die Großillusionen von Julius Frack ein. In Stuttgart aufgewachsen, hat er hier ebenfalls ein Heimspiel. Mit seiner starken Version der schwebenden Jungfrau zieht das Programm in der Vorpremiere – nach zähem Start – kräftig an. Nicht nur, dass er seine Partnerin auf wirklich verblüffende Weise schweben lässt; nein, er schreitet dabei auch scheinbar durch ihren Körper hindurch. 2009 brachte ihm unter anderem dieser Trick einen Weltmeistertitel auf dem Gebiet der Großillusionen ein. Auch mit seinem ersten Erscheinen aus Nebelschwaden in einem Glaskasten kann er überzeugen. Gleiches gilt für sein „Tesla-Experiment“, bei dem er einen Zuschauer unsichtbar werden lässt. Nicht fehlen dürfen verschiedene Tricks, bei denen entweder der Magier selbst oder seine Assistentin Cindy aus diversen Behältnissen verschwinden und an anderer Stelle wieder erscheinen.


Benjamin Lycan, Simon Thomas, Martin Brock 

Die Friedrichsbau-Macher werden nicht müde zu betonen, dass man die größere Bühne im neuen Theater auch tatsächlich ausnutzen möchte. Und so wurde noch ein weiterer Großillusionist verpflichtet, der Franzose Benjamin Lycan. Unter anderem präsentiert er mit seinen beiden Assistentinnen einen gewaltigen, metallenen „Skorpion“. In diesen wird er eingesperrt, um sich vor einer Kreissäge zu retten. Freilich ist dieses Requisit monströs, doch undurchschaubarer wird sein Tun dadurch nicht. Überzeugender fällt seine „Android Factory“ im zweiten Programmteil aus. Hier entgeht u.a. eine Assistentin dem Schicksal, von Spitzen durchbohrt zu werden. Insgesamt gleicht das Programm dank der zahllosen Großrequisiten einer Materialschlacht. Simon Thomas, der dritte Stuttgarter im Ensemble, kommt mit weit weniger Dingen aus. Als „Mentalist“ zelebriert er den großen Auftritt, irgendwo zwischen Pathos und Selbstironie. Wie er die Gedanken einer Zuschauerin errät – die an einen Prominenten ihrer Wahl denken soll – ist absolut verblüffend. Der Däne Martin Brock zeigt zauberhafte Illusionen: Als Graffiti-Sprayer bringt er die Kostümwechsel auf Leinwand, die seine Partnerin anschließend in Form von Quickchanges zeigt. Originell auch sein zweiter Auftritt: Aus dem Inhalt eines Mülleimer baut er eine Art Mini-Fahrrad samt Fahrer, das anschließend tatsächlich über die Bühne rollt.


Yosuke Ikeda, Dmitry Chernov, Anna Volodko
 

Trotz des Showtitels „100 Prozent Magic“ sind auch zwei artistische Nummern im Programm: Anna Volodko präsentiert eine modern gestaltete Luftdarbietung an zwei Strapatenschlaufen anstelle ihrer bekannten Vertikalseilkür. Ihr Lebensgefährte Dmitry Chernov ist ein famoser Jongleur. Bis zu sieben relativ große Bälle hält er in der Luft, fängt sie in spitzen Trichtern an seinem Kostüm und tritt dabei als geheimnisvoller Schamane auf. Vor einem Jahr war er mit dieser starken Darbietung im Münchner Kronebau engagiert. Zumindest kein Magier im engeren Sinne ist zudem der Japaner Yosuke Ikeda. In seinen beiden Acts „Clock“ und „Hello“ erzählt er zu musikalischer Begleitung pantomimische Geschichten. Seine Requisiten sorgen dabei für zauberhafte, überraschende Effekte. 2015 war er beim „Supertalent“ auf RTL zu sehen.


Hubschrauber auf der Bühne 

Bliebe noch das Erscheinen des Hubschraubers. Das Kunststück gehört zum Repertoire von Julius Frack und bildet den Abschluss des Programms. Und hinterlässt, wie schon der Helikopterflug in Miss Saigon, einen zwiespältigen Eindruck. Natürlich ist das Fluggerät eine Überraschung. Doch wenn plötzlich ein Hubschrauber vor dem Bühnenbild steht, nach dem das flugs gespannte Tuch gefallen ist, dann muss man über das Geheimnis nicht mehr lange grübeln. Viel trefflicher könnte man beispielsweise darüber streiten, wie ein Magier eine kleine Spielkarte herbeigezaubert hat. So führt die Größe des Requisits zur Entzauberung des Magischen. Mit Hubschrauberlandungen auf der Bühne werde ich mich wohl nie anfreunden können.

Dennoch bietet „100 Prozent Magic“ einen vergnüglichen Varietéabend. Zwar brauchte die Show zur Vorpremiere noh ein wenig, um in Schwung zu kommen, machte dann aber über weite Strecken und besonders im zweiten Programmteil großen Spaß.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber