Dass diese Fachtagung auf reichlich Gehör in der Reiterwelt stößt,
macht Anja Beran bereits in der Begrüßung deutlich: durch immer
wieder neue, spannende Themen gelang es über die Jahre hinweg – zur
Freude der beiden Veranstalterinnen – immer mehr wissenshungriges
Publikum anzuziehen, was sich auch 2019 in einem nahezu vollen
Krone-Bau widerspiegelt. Dabei, so Beran, entstand alles zunächst
lediglich als kleine Idee bei einem gemeinsamen Abendessen mit Jana
Lacey-Krone und dem Gedanken, sich auf diese Art doch öfter sehen zu
können. Aber die beiden Damen sind nicht allein, sondern werden auch
dieses Jahr zusätzlich von ihrem Team unterstützt, das sich aus Vera
Munderloh, Elisabeth Albescu, Kathrin Roida und natürlich ihren
vierbeinigen Partnern zusammensetzt. Anlässlich des zehnjährigen
Bestehens hat man sich für das Publikum ein besonders wichtiges
Thema einfallen lassen, dem in der heutigen Reiterwelt immer weniger
Bedeutung zukommt: „Der Pferdehals formt sich zuletzt“. Und der Name
ist Programm.

Erneut großer Andrang
zur Fachtagung
Wie immer startet Anja Beran den Tag mit einem ersten, ausführlichen
Theoriebeitrag, diesmal zum Thema Pferdehals, dessen „Formung“ in
der Ausbildung und typischen Fehlern in der heutigen Reiterszene,
wenn es grade um letzteres geht: „Das Problem ist, dass wir Reiter
oft zu früh zu viel wollen“, so Beran, „und was wir als Menschen
wollen, das ist grundsätzlich Kontrolle. Und wir glauben, uns diese
Kontrolle beim Reiten holen zu können, durch kurze Zügel und eine
feste Hand. Denn der Mensch ist ein Hand-Tier: er muss alles erst
begreifen und ergreifen, um wirklich sicher zu sein, dass er Herr
über seine Situation ist!“ Es geht also grundsätzlich um die
Forderung, einfach mal „locker“ zu lassen. Anschaulich steigt Beran
tiefer in das Thema der „festen“ Reiterhand ein und schafft es
dabei, die Konzentration eines jeden Anwesenden auf sich zu ziehen.
Besonders interessant wird es jedoch immer, wenn Beran ihre
Trickfilme heranzieht: Im Rahmen ihres Projektes „Blickschulung –
pferdegerechte Ausbildung erkennen“ nahm das Team der
Anja-Beran-Stiftung sowohl eigene als auch fremde Pferde auf
Turnieren und bei der Auswahl von geeigneten Zuchttieren (Körungen)
auf. Das Ergebnis sind Trickfilme, die zum einen korrekt
ausgebildete Pferde zeigen, zum anderen den traurigen Alltag auf
deutschen Turnierplätzen repräsentieren. Dieser „Alltag“ spiegelt
sich dabei zumeist in Pferden wider, die durch zu schnelle und frühe
Ausbildung bereits in ihren jungen Jahren schlicht „unbrauchbar“
werden, aufgrund von schwerwiegenden Schäden im Gangmuster, den
Gelenken oder letztendlich in der Psyche. Nicht selten kommt es vor,
dass gerade auf Körungen und Auktionen Jungpferde mit brachialer
Kraft in der Hand – und oftmals mit zusätzlicher Unterstützung von
Hilfszügeln – geritten werden, nur um als „Verkaufsobjekt“ eine
möglichst gute Figur zu machen. Man sieht: Das Pferd ist zu einem
Marktobjekt geworden. Wir passen uns in der Reiterwelt an den Markt
an. Und der will Pferde, die bereits in jungen Jahren „gottesgleich“
gehen sollen, das heißt am besten einen Grand Prix gewinnen, uns
aber auch zu Hause durch den Wald tragen und dabei vor allem
natürlich ordentlich „am Zügel“ gehen sollen. Dass so etwas nur
geht, wenn vorher entsprechend hart gearbeitet wurde, das verstehen
die wenigsten.

Zum Angebot der Fachtagung
gehören auch Informationsstände im Rundgang des Krone-Baus
Und genau hier greift Anja Beran immer wieder an. „Wir müssen dem
Pferd Zeit lassen. Wir dürfen nicht glauben, wir könnten den
Pferdehals durch zu früh eingesetzte und grobe Methoden gesund
herausbilden. Denn am Ende gilt, dass das Pferd zur Hand kommen
soll, nicht umgekehrt.“ Und eine zu harte Hand wird sich immer
auswirken, sei es in einer Zerstörung des Gangmusters des Pferdes,
vor allem im Schritt, durch Zungenfehler oder natürlich in einer
Schädigung der Psyche des Tieres. „Reiterfehler sind schwer zu
korrigieren, aber eben zu korrigieren – die Psyche bleibt jedoch für
immer beschädigt“, so Beran. Und am Ende bezieht sie sich auch hier
wieder auf die Stimmen alter Meister und Richtlinien und kommt zum
Fazit: „Wir müssen uns immer an der Natur des Pferdes und daran, was
es leisten kann, orientieren. Die Natur gibt uns vor, wie wir zu
reiten haben!“ Unterstützt wird Anja Beran hierbei von Tierärztin
Elisabeth Albescu, die anschaulich demonstriert, wie sich zu feste
Reiterhände, eine zu enge Zügelführung etc. auf die Anatomie des
Pferdes auswirken. Dabei darf das Publikum prompt Kauübungen und
Schulterdreher im Kollektiv durchführen, was zum ein oder anderen
Lacher führt. Und schließlich gibt sich auch die Veranstalterin
selbst die Ehre und marschiert, auf Albescus Anweisung hin, als
Pferd durch die Manege und wird dafür mit viel Applaus honoriert.

Anja Beran
Das besondere an der Fachtagung ist jedoch, dass neben der Theorie
auch immer echte Vierbeiner dabei sind, die helfen, das Theoretische
in der Praxis zu veranschaulichen. Dieses Jahr ist das unter anderem
ein fünfjähriger Bayernwallach, der eben selbst als Jungpferd Opfer
des „Marktgeschehens“ wurde und so ein Musterbeispiel ist für all
die Probleme, die Beran im vorherigen Beitrag angesprochen hat. Seit
er bei ihr auf Gut Rosenhof lebt, bekommt er nun aber die Zeit, die
er in seiner Ausbildung für sich selbst braucht. Eine Einstellung
seitens Anja Berans, die man nur bewundern kann. „Das Pferd muss es
sein, das für sich die Lust an den Lektionen entwickelt“, so ihr
Credo. Im Anschluss daran bietet Kathrin Roida mit drei ihrer Pferde
einen interessanten Einblick in die Handarbeit und bringt besonders
den hohen Anteil an weiblichem Publikum zum Seufzen, als sie ihr
kleines Shetland-Pony durch die Manege tanzen lässt. Ein Raunen geht
nochmals durch den Raum, als Anja Beran nun selbst auf dem
Achal-Tekkiner Degni Shael in die Bahn einreitet. Jana Lacey-Krone,
die nun die Moderation übernimmt, freut sich dabei besonders, dass
er bei ihrer Freundin Freude und Spaß an der Arbeit haben dürfe. Der
erste Teil schließt mit einem zufriedenen Publikum, rauchenden
Köpfen und einer Gesangseinlage der Sopranistin Anna Karmasin,
unterstützt durch Araberhengst Samir.
 
Nelly Stipka, Vera
Munderloh
Mit dem Einstieg in den zweiten Teil wird es „feurig“ im Krone Bau,
als Vera Munderloh (mit Garrocha) und Anja Beran ihre Pferde zu
Gitarrenklängen des Künstlers Diego Rocha und den flotten Füßen der
Flamencotänzerin Montserrat Suarez ebenfalls „tanzen“ lassen. Danach
wird es zum ersten Mal zirzensisch: Die junge Nelly Stipka-Biasini
aus der Familie Stipka, die in der aktuellen Sommerproduktion „Mandana“
zu sehen ist, und ihr Pony Pequeno betreten die Manege – Debüt für
beide an diesem Tag. Die anfängliche Nervosität beider legt sich
schnell, als bemerkbar wird, wie gut ihre gemeinsame Nummer bei den
Zuschauern ankommt. Nelly schaffte es hierbei, nicht nur ihre Liebe
zu ihrem Pony, sondern auch ihre Leidenschaft für Akrobatik zu
vereinen: Neben klassischen Elementen der Freiheitsdressur, wie zum
Beispiel dem Steigen, bewegen sich beide harmonisch im Duett durch
die Manege – Pequeno im Trab und Nelly daneben, die immer wieder
Räder schlägt oder in die Luft springt. Abgerundet wird diese Nummer
mit einer Flugrolle der jungen Artistin über ihr Pony. Staunen im
Saal. Sichtlich erleichtert, wird sie mit Pfiffen und viel Applaus
vom Publikum für diese tolle Leistung belohnt. Aber auch Jana
Lacey-Krone lässt es sich nicht nehmen, ihren Stolz zu zeigen: „Ich
finde es besonders erfreulich, dass Nelly als junger Zirkusmensch
ihren Weg gefunden hat, eine Beziehung zu den Tieren herzustellen
und ihre beiden Leidenschaften zu vereinen.“ Wir sind gespannt, wie
sich beide noch entwickeln werden. Im
weiteren Verlauf des Nachmittags präsentiert Anja Beran noch drei
weitere Pferde in unterschiedlichen Ausbildungsständen, bei denen es
aber um ein und dasselbe Thema geht: die Formung des Halses. Da gibt
es zum Beispiel den jungen Marbacher Araber Malakil oder die junge
Stute Amazing Grace, die Anja Beran und ihrem Team ein hohes Maß an
Geduld abverlangt hatten, bis sie einmal so lief, wie sie es an
diesem Sonntag tut.
Und so Beran am Ende zum Resümee: „Das sind alles tolle Pferde. Aber
was sie brauchen sind ein ruhiger, geduldiger Reiter und eben viel
Zeit.“ Nach diesen Demonstrationen ist es für sie ein Anliegen,
ihrem Publikum einen kurzen Einblick davon zu geben, was die
Anja-Beran-Stiftung eigentlich sonst noch alles tut. Nach einem
kurzen Filmrundgang über ihr riesiges Anwesen erklärt sie, dass
alles Geld und Spenden zum Beispiel in Katzenrettung, den
Naturschutz und des Weiteren – und hier verspürt man eine deutliche,
weitere Leidenschaft Anja Berans – in die Rettung junger Rehkitze
während der Mäh-Zeit im Sommer fließen.

Jana Lacey-Krone
Der letzte Programmpunk an diesem Tag steht nun wieder ganz im
Zeichen der Zirzensik: Jana Lacey-Krone präsentiert ihre komplette
Marbacher-Araber Gruppe. Dieser Auftritt soll vor allem ihrem
jüngsten, dem kleinen Ali, helfen, noch etwas Erfahrung vor Publikum
zu sammeln. Zusammen zeigen die Araber einen breiten Querschnitt
ihres Könnens, und Ali beweist, dass er es durchaus schon mit seinen
„großen“ Kollegen aufnehmen kann. Abgerundet wird dieser Beitrag zum
einen durch einen rasanten Vorwärtssteiger, der durch seine
Luftsprünge die Zuschauerreihen zum Staunen bringt, und nochmal
durch den kleinen Publikumsliebling Ali, der ebenfalls seine
„Steiger-Künste“ demonstrieren darf.
Nach einer weiteren Gesangseinlage der Künstlerin Anna Karmasin
betreten alle Akteure des Tages durch die Zuschauerränge hindurch
die Manege zum Finale und werden mit viel Applaus belohnt.
Nach der Veranstaltung war es uns möglich, noch ein Gespräch mit
beiden Veranstalterinnen zu führen:
Chapiteau.de:
Frau Beran, wie ja schon deutlich wurde, scheinen sie sehr zufrieden
zu sein mit der Entwicklung Ihrer Fachtagung. Also können wir davon
ausgehen, dass es weitergehen wird?
Beran:
Ja auf jeden Fall. Das Reiten ist natürlich eingeschränkt auf den
zwölf Metern der Manege, man kann also grade den Fachleuten nicht
alles zeigen, was man gerne möchte, aber wir kommen zurecht, und das
wird auch in den nächsten Jahren so der Fall sein.
Chapiteau.de:
Des Weiteren würde uns interessieren, wie sie denn, gerade aufgrund
dieser besonderen Verbindung hier von Reiterei und Zirkus, zu dem
Thema „Freiarbeit“ in der Reiterwelt stehen. Sieht man sich um, zum
Beispiel auf Instagram oder auf anderen Events wie zum Beispiel der
Equitana, so entsteht jedes Mal ein riesiger Hype, wenn es um freies
Arbeiten mit dem Pferd geht – ja, es wird gar verherrlicht, so
partnerschaftlich zu arbeiten. Auf der anderen Seite sieht sich aber
der Zirkus, der ja eigentlich gerade diese Form der Arbeit prägte,
im Kreuzfeuer mit Tierschützern. Wie passt das für sie zusammen?
Lacey-Krone: Also mir kommt es in dem Sinne nicht komisch
vor, da ich selbst in dieser Materie drin bin und eigentlich weiß,
dass das als nächstes angegriffen werden wird. Es geht ja generell
um Tiere in der Showbranche. Was mir so wichtig ist, ist authentisch
zu sein. Ich vertrete voll und ganz das, was wir machen, wie mir der
Umgang mit den Pferden beigebracht wurde, und deshalb kann ich hier
auch nur für mich bzw. uns reden. Heutzutage bildet doch zum
Beispiel kaum jemand mehr Pferde klassisch aus oder nimmt sich die
Zeit, früh ein Pferd ordentlich zu arbeiten.
Beran:
Ja, aber komisch ist es natürlich schon. Die einen werden hier
verurteilt, die anderen bekommen die Anerkennung. Unsere
Freundschaft kam ja auch erst durch den Zirkus zu Stande, und ich
zum Beispiel lasse ja auch Pferde von mir hier bei Frau Lacey-Krone
und weiß, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Lacey-Krone: Aber wie gesagt, es ist ja nun schon lange so
mit den Tierrechtlern, nicht erst seit gestern. Deshalb hilft am
Ende wirklich nur authentisch sein und für das zu stehen, was man
tut. Und das tue ich.
Chapiteau.de:
Um beim Thema „Social Media“ zu bleiben: Nun sieht man auf
verschiedenen Plattformen, grade auf Pferde-Profilen, Bilder, von
jungen, geschminkten Mädels, die sich mit ihren Pferden in den
spektakulärsten Posen ablichten lassen – Photoshop sei Dank. Aber
wie gehen Sie damit um, wenn ein Pferd in der Manege, also im „real-life“
nicht das tut, was es soll?
Beran:
Also grundsätzlich versucht man natürlich Pferde zu finden, für die
die Show keine Belastung ist, wie zum Beispiel der Spanier, den ich
heute geritten bin. Der findet es total gut, wenn er sich vor den
Leuten zeigen kann. Wir nehmen aber natürlich auch die „anderen“
mit, wie unsere Stute heute. Denn sowas hilft ihnen dann, Nerven
aufzubauen – da kann halt mal was schief gehen, aber was macht das
schon.
Lacey-Krone:
Ja, das ist eine interessante Frage. Heute zum Beispiel mit meinen
Arabern: Da war es wichtig, dass ich zwei meiner Tiere wieder
rausgeschickt habe. Das war den beiden heute mit dem Mikrofon und
den Leuten einfach zu viel – wieso sollte ich sie denn dann weiter
dem Stress aussetzen? Man darf bei sowas auch einfach kein Ego
haben, man muss immer für das Tier handeln. Das hätte ich in der
normalen Vorstellung auch so gemacht. Aber das wäre für uns jetzt
auch kein Grund, sie möglicherweise abzugeben. Für jemand anderes
womöglich, aber grade diese Arbeit mit vielen unterschiedlichen
Charakteren ist es doch, was das Leben mit den Pferden für mich
ausmacht. |