Bei meiner Ankunft, an diesem spielfreien Tag, begegnete ich als
erstes der Schleuderbrett-Truppe Alexander, deren Mitglieder im
Vorzelt frisch gefangenen Fisch aßen und mich gleich davon kosten
ließen. Nachdem alle anderen Artisten, Mitarbeiter sowie die
Direktion eintrafen, wurde mir mein vorübergehendes Zuhause – ein
Abteil in einem Mannschaftswagen – gezeigt. Außerdem standen der
Dusch- und der Küchenwagen zur Mitbenutzung zur Verfügung.
 
Das Harlekin-Team
besuchte gemeinsam den in der Nähe gastierenden Circus Nock
Am
Abend ging es mit dem gesamten Team zum Circus Nock, der ganz in der
Nähe spielte. Am nächsten Morgen sah ich mit der 10.30 Uhr-Show zum
ersten Mal ein Programm des Circus Harlekin. Es herrscht ein ganz
besonderes, herzliches Flair, und man bemerkt die Liebe des Circus
zu seinen Besuchern und umgekehrt. Hier wird mit viel Leidenschaft
Circus gemacht. In zum Teil kleinen und kleinsten Dörfern werden
hochwertige Programme gezeigt.
 
Abbau in Sigriswil und Aufbau
in Lützelflüh
Gleich danach folgte auch schon der Abbau, bei dem ich, wie in der
ganzen Woche, fleißig mit anpackte, zum Beispiel beim Auf- und Abbau
des Gradins. Auch die Mengen an Sägemehl müssen wieder aufgekehrt
werden, um sie beim nächsten Gastspielort neu zu benutzen. Durch die
ungünstigen Platzverhältnisse dauerte der Aufbau um ein Vielfaches
länger als sonst. Gegen 18 Uhr nahm mich dann der ukrainische
Musiker Vasily mit zum nächsten Gastspielort und erzählte dabei viel
aus seiner Zeit beim Circus. Nach der Ankunft im eine Stunde
entfernten Lützelflüh wurden noch die Tiergehege aufgebaut und alle
Wagen platziert, ehe ich todmüde ins Bett fiel. Da am nächsten Tag
ein Sturm herrschte, musste der Aufbau, nachdem die Masten standen,
bis zum nächsten Tag unterbrochen werden. Den Nachmittag verbrachte
ich dann bei Kaffee und viel Gesprächsstoff im Camping des
Platzmeisters und Clowns Lukas Böss, bevor ich am Abend noch einmal
den Circus Nock im Nachbarort Langenthal besuchte.

Circus-Idyll in Lützelflüh
Am
nächsten Morgen verschlief ich ein wenig. Als ich um halb zehn die
Tür meines Abteils aufmachte, stand daher schon das Zelt mit fast
seiner gesamten Inneneinrichtung. Die zwei Shows an diesem Tag
verbrachte ich backstage sowie im Publikum. Für mich war es die Ruhe
vor dem Sturm, denn direkt nach der Abendvorstellung wurde alles
schon wieder komplett abgebaut. Der Auf- und Abbau ist gut
organisiert, und jeder hat seine festen Aufgaben. Bis vom Spielzelt
nichts mehr übrig ist, dauert es bei normalen Platzverhältnissen
gute zwei Stunden.
 
Aufbau in Linden,
Blick ins Winterquartier
Am
Donnerstagmorgen begann dann um halb neun der Transport ins 35
Kilometer entfernte Linden. Dort wurde die kleine Circus-Stadt auf
einem sehr engen Parkplatz mit anschließender Wiese mitten im
Ortskern aufgebaut. Am Nachmittag ging es dann mit Lukas und dem
Sohn des Zeltmeisters, Robert, in das Winterquartier bei Spiez. Dort
wurden Sachen abgeliefert, und ich hatte die Gelegenheit, mir alles
ganz genau anzuschauen.
Das Gebäude beinhaltet eine Werkstatt u.a. für den Wagenpark,
Lagerräume für Requisiten sowie den Kostüm-Fundus, Büros,
Trainingsmöglichkeiten und das Lokal des Vereins der Freunde des
Circus Harlekin mit einem Karussell. Das Vereinslokal ist im Winter
immer sonntags geöffnet. Später fuhren wir zurück zum Circus. Am
Abend schmiss die Truppe Alexander den Grill an, wozu sich einige
Artisten und Mitarbeiter gesellten.
  
Das gewohnte Zuhause gegen den
Abteilwagen getauscht - und u.a. bei der Reklame geholfen
Am
Freitagmorgen fuhr ich mit dem Orchesterleiter Vadym und seiner Frau
zum Reklame machen. Wir beschränkten uns an diesem Tag
ausschließlich auf die Ladenreklame. Da Harlekin in seiner
Reiseregion sehr bekannt und beliebt ist, nahm an diesem Tag
ausnahmelos jedes Geschäft die Werbung freudig an, und das ganz ohne
Freikarten. Nachmittags und abends stand dann jeweils eine
Vorstellung auf dem Programm. Dort half ich beim Einlass und durfte
mich am Spot versuchen. Auch an diesem Tag folgte wieder der Abbau
bis in die Nacht, und am nächsten Morgen rollten die Wagen ins nur
fünf Kilometer entfernte Heimenschwand. Bei der Ankunft wunderte ich
mich und dachte mir „Hier kann doch niemals ein Circus stehen“, in
diesem winzigen Ortsteil Bätterich. Doch weit gefehlt, neben einem
Seniorenheim, mitten im Nirgendwo, baute Harlekin auf, und am Abend
strömten die Leute aus allen Himmelsrichtungen zu ihrem „Berner
Oberland Circus“. Bevor dies geschah, rührte ich allerdings noch
einmal die Werbetrommel. Dieses Mal half ich der Tierlehrerin
Susanne Mani bei der Schilderreklame.

"Mitten im Nirgendwo"
aufgebaut in Heimenschwand, doch das Publikum strömt von allen
Seiten
Die darauf folgende Show genoss ich
dann nach dem Einlass noch einmal in vollen Zügen und verbrachte
danach den letzten Abend bei den Direktoren Pedro Pichler und Monika
Aegerter sowie vielen Stammbesuchern im legendären Barwagen. Am
Sonntagvormittag musste ich mich dann leider schon wieder auf die
achtstündige Heimfahrt machen. Zu Hause angekommen, ist mir nach
dieser Reise noch einmal deutlich geworden, was Circus eigentlich
bedeutet: harte Arbeit bis in die Nacht, zur Toilette manchmal 100
Meter durchs nasse Gras laufen, Familie, Zusammenhalt und vor allem
Leidenschaft. |