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Jongleur Michael Ferreri
"Wie ich in der Manege stehe, das bin ich!" - www.ferrerijuggler.com

Rapperswil, 24. März 2017: Im Jahr 2011 hat Michael Ferreri zum ersten Mal eine Vorstellung des Schweizer National-Circus Knie besucht. Seitdem war es sein Traum, einmal eine Saison lang hier arbeiten zu dürfen. „Ich wusste, wenn ich es zum Circus Knie schaffe, dann habe ich alles erreicht. Dann kann ich meine Karriere anschließend eigentlich beenden“, sagt der 20-Jährige im Interview mit Chapiteau.de und lacht. Nun wurde der große Traum wahr. Michael Ferreri ist völlig zu Recht einer der großen Stars des neuen Knie-Programms „Wooow!“. Und wird das Jonglieren nach der Saison 2017 natürlich trotzdem nicht aufgeben.

Nein, es warten noch viele weitere aufregende Stationen auf ihn. In den kommenden Wintersaisons wird er beispielsweise im Offenburger Weihnachtscircus (2017/18), im Kronebau München (Februar 2018) und dann nacheinander im Weltweihnachtscircus Stuttgart (2018/19) sowie im Wereldkerstcircus Carré (2019/20) zu erleben sein.


Früh übt sich, wer ein Meister werden will

Doch wer hoch hinaus will, der muss früh anfangen. Der Deutsch-Spanier Michael Ferreri begann mit dem Training für seine Jonglagen im Alter von elf Jahren. Zuvor hatte er bereits probiert, ob das Drahtseil etwas für ihn wäre. Auf diesem Requisit feierte sein Vater Miguel jahrzehntelang Erfolge. „Aber ich habe nichts gefühlt dabei, und da habe ich es wieder beiseite gelegt.“ Als nächstes trainierte er acht Monate lang Handstände. „Aber das war auch nicht das, was ich machen wollte.“ Schließlich probierte er mit drei Bällen zu jonglieren. „Und da merkte ich, das ist genau mein Ding.“ Dabei ist Michael Ferreri weitgehend Autodidakt. Er hat sich das Jonglieren in weiten Teilen selbst beigebracht. Das Resultat ist umso bemerkenswerter, als Michael Ferreri auf dem rechten Auge fast gar nichts sieht. Seine Sehkraft beträgt hier nur etwa zehn Prozent. Auch wenn er keine Artistenschule besucht hat, ganz ohne Unterstützung musste er beim Training auch nicht auskommen. „Wenn wir in einem Circus engagiert waren, in dem ein Jongleur dabei war, dann hat er mir natürlich Ratschläge gegeben.“ Besonders beeinflusst habe ihn Karl Ramwell. Mit diesem war die Familie Ferreri in der Saison 2008 im Cirkus Merano engagiert. „Er hat mir viel geholfen.“ Michaels Vater Miguel konnte ihm als Drahtseil-Artist beim Jonglieren dagegen nur wenig beibringen. „Er hat mich eher beraten, wie ich in der Manege auftreten soll.“ Dabei wäre eine schwermütige, verkopfte Choreographie Michaels Sache nicht. Lieber präsentiert er sich im klassischen Circusstil, gut gelaunt, witzig und voller Tempo. Ein echter Showman schon in jungen Jahren. Er liebt es, mit dem Publikum zu spielen. „So wie ich in der Manege stehe, das bin ich!“, erklärt Michael Ferreri am Vormittag nach der Knie-Saisonpremiere in seinem Wohnwagen in Rapperswil.


Ein echter Showman schon in jungen Jahren

Ein Markenzeichen seiner Nummer ist, dass ihm die zusätzlichen Bälle aus einem Behälter in der Kuppel zufallen – eine Idee, die sein Vater und der Direktor des Circus Vargas gemeinsam hatten. „Vorher hatte ich ja an eine Art Kanone gedacht, die mir die Bälle zuschießt“, sagt er und lacht fröhlich. Sich immer wieder nach einem Tisch umzudrehen, auf dem die Bälle liegen, das empfinde er dagegen als altmodisch. Seit fünf Jahren hat er die „Bälle von oben“ nun in der Nummer. Und seit einiger Zeit gibt es den Gag, dass scheinbar ein Ball zu viel aus der Kuppel fällt. Michael tut so, als könne und wolle er gar keinen neunten Ball mehr jonglieren – und schafft es dann natürlich doch. Die Idee ist entstanden, als tatsächlich mal ein Ball zu viel das Behältnis verließ. „Ich wollte auch gerne etwas Comedy in der Nummer haben.“ Und weil er der Meinung war, die Jonglage mit neun Bällen sei als Schlusstrick nicht effektvoll genug, überlegte er sich etwas anderes. Michael Ferreri jongliert mit sieben leuchtenden Bällen im Dunkeln und balanciert dabei einen achten auf dem Kopf. Die Bälle nimmt er hierzu von einem Gestell auf, das vor ihm steht. „Das Schwierige daran ist, dass ich ja nach oben schaue und deshalb nicht sehen kann, wo die Bälle liegen“, sagt er. Die Frage, warum es ihm die Bälle besonders angetan haben, vermag er dagegen nicht zu beantworten: „Ich kann auch mit Keulen oder Ringen jonglieren, aber nicht richtig gut. Ich habe lieber meine gesamte Zeit auf die Bälle verwendet, als zwei Stunden hier und zwei Stunden da zu investieren.“ Lange Zeit trainierte er etwa drei Stunden pro Tag mit den Bällen, um seine Darbietung aufzubauen. Heute absolviert er meist nur noch seine „tägliche Routine, um den Standard zu halten.“ Außerdem springt er Seil. Von einem übertriebenen Fitnesstraining hält er jedoch nichts: „Nach 50 Liegestützen ist es schwer, abends zu jonglieren.“

 
Bereits 2011 und 2014 war Michael Ferreri in der Schweiz zu erleben - bei Royal und Nock

Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte er 2008 in der letzten Vorstellung der Saison im Cirkus Merano in Norwegen. Daraufhin bekam er den Vertrag für 2010 in diesem Unternehmen – verbunden mit einem Re-Engagements seines Vater Miguel und dessen Drahtseilnummer. 2011 erlebten wir Michael Ferreri erstmals im Schweizer Circus Royal. Da war er im Programm „Die neue Generation“ engagiert. Er „sucht und findet bei seinem Auftritt mit fröhlicher Ausstrahlung den Kontakt zum Publikum“, zeigten wir uns auf Chapiteau.de schon damals von seinem Auftritt begeistert. Auf zwei Jahre beim Circus Vargas in den USA folgte der Vertrag beim Circus Nock 2014. Und nun begeisterte er uns vollends, seinen Auftritt bezeichneten wir in unserer Programmbesprechung als „großes Highlight der Show“. Und weiter: „Schnell, elegant und sicher hält er bis zu neun Bälle in der Luft. Seit seinem Engagement im Circus Royal 2011 ist aus dem Kind ein junger Mann mit viel Ausstrahlung geworden.“


Erfolgreich bei Festivals - u.a. in Massy (mit Vater Miguel), in Wiesbaden und Bukarest (mit Juan Gutierrez)

Weiter ging es auf der Karriereleiter, mit Stationen 2015 bei Arena (Dänemark) und 2016 bei Arnardo (Norwegen). Dazu kamen Winter-Engagements wie beispielsweise bei Flic Flacs 7. Festival der Artisten in Kassel 2015/16 und viele erfolgreiche Festivalteilnahmen. Jedes Mal erreichte er mindestens Bronze, und zwar 2014 beim Cirque de Demain in Paris und in Albacete sowie 2016 in Massy. Über Silber freute er sich 2015 beim New Generation Festival in Monte Carlo, 2016 in Namur und 2017 in Bukarest. Und im Oktober 2016 holte er beim European Youth Circus in Wiesbaden Gold bei den Älteren. Hinzu kamen bei den verschiedenen Festivals natürlich zahlreiche Sonderpreise. Die Auszeichnung beim New-Generation-Festival brachte ihm auch eine Einladung zum „großen“ Festival in Monte Carlo: „Aber zuerst möchte ich ihm noch besser werden.“ Sein Traum wäre es, dort mit der Jonglage von elf Bällen aufzutreten. Aktuell hält Alexander Koblikov den Rekord mit zehn jonglierten Bällen bzw. habe sich in den Proben an 14 Bällen versucht – allerdings mit einer anderen Technik, bei der immer zwei Bälle gleichzeitig geworfen werden. Und nicht nur die bloße Zahl der Bälle will er steigern, generell sollen seine Tricks, auch die mit weniger Bällen, noch schwieriger werden. Viel wichtiger als ein Preis sei es ihm allerdings bei einem Festival, gut zu arbeiten. „Wenn ich gut gearbeitet habe, dann bin ich zufrieden. Ich kann auch nicht zu einem Festival gehen und sagen, ich muss gewinnen. Schlimmer wäre, schlecht zu arbeiten und dafür einen Hauptpreis zu gewinnen.“ Am bedeutsamsten empfand er bisher seine allererste Festival-Teilnahme, die beim Cirque de Demain in Paris. „Zuvor hatte ich meine Nummer komplett umgestellt. Viele Leute haben mich dort arbeiten sehen, und ich habe ein professionelles Video und tolle Fotos von meinem Auftritt bekommen“, berichtet er.


Michael Ferreri in der Manege des weltbekannten Schweizer National-Circus Knie

Eine Festival-Teilnahme scheint auch nicht ganz unbedeutend für seinen Vertrag beim Schweizer National-Circus gewesen zu sein. Zwar kam er schon bei seinem Knie-Besuch 2014 mit Géraldine Knie ins Gespräch. Doch nachdem deren Mutter Mary-José Knie ihn 2015 beim Festival New Generation erlebte, bekam er zwei Tages später eine Buchungsanfrage des weltbekannten Unternehmens per E-Mail. Und auch aus dem Varieté-Bereich hatte er schon Offerten, aber noch nie in einem gearbeitet: „Ich bin ein richtiger Circusmensch“, sagt er. Zumal eine Circussaison auch sechs bis sieben Monate Arbeit biete, während Varieté-Engagements oft sehr kurz seien. Michael Ferreri liebt den Circus. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich kenne auch gar nichts anderes und fühle mich wohl im Circus, das Reisen ist wunderbar“, sagt er. Seine Freunde hat er auf dem Circusplatz: „Ich bin nie allein, ich bin immer mit jemandem unterwegs“.


Circuskind Michael mit Cousin Tonito und Bruder Steven, mit Eltern und Bruder, mit Onkel Toni und Tante Jeanette Alexis

Und natürlich entstammt er einer traditionsreichen Circusfamilie. Sein spanischer Vater Miguel Ferreri musste seine Manegenkarriere nach der Saison 2013 beim Circus Vargas aufgrund von Rückenproblemen beenden. Mit seiner Drahtseilnummer war er in Deutschland unter anderem von Saisons bei Giovanni Althoff und Fliegenpilz oder im Winter dem Offenburger Weihnachtscircus (Direktion Anja Oschkinat) und dem Circus-Krone-Bau bekannt. Der jüngere Sohn Steven, Michaels Bruder, will die Drahtseil-Tradition nun fortsetzen. Eine treue Begleiterin ist Mutter und Ehefrau Ilona Bügler-Ferreri aus Deutschland, die Schwester von Jeanette Alexis. Damit ist der bekannte Clown Toni Alexis Michaels und Stevens Onkel, und dessen Söhne Totti und Tonito sind ihre Cousins. Michael Ferreri ist eben ein echtes Circuskind.


Lebendige Circustradition: Steven Ferreri, Vater und Sohn, Miguel und Ilona Ferreri

Bis zum Alter von 17 Jahren bekam er Schulunterricht. Zunächst wurde er über eine spanische Fernschule ausgebildet. Seine Mutter unterstützte ihn bei der Bearbeitung der Unterlagen. Die letzten beiden Jahre seiner Schullaufbahn konnte er reguläre Schulen besuchen, während die Familie in den USA engagiert war. Dort fand der Unterricht auf Englisch statt. Und so schätzt er sein Deutsch selbst nur als „okay“ ein, Englisch und Spanisch beherrsche er viel besser. Doch das ist charmant-bescheiden, denn das gesamte Interview wurde in fließendem Deutsch geführt.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber (9), Stefan Gierisch (2), Pierre Gautier (1), Stefan Nolte (1), Archiv Michael Ferreri (6)