In
den Sommerferien durfte er mitreisen, beim Aufbau helfen und Esel
striegeln. Das Circusvirus war ausgebrochen, die Faszination wirkt bis
heute. Wann immer möglich besucht, der 40-Jährige in seiner Freizeit
Vorstellungen verschiedener Unternehmen. Diese Liebe zum Circus mit
allem was dazugehört mag überraschen. Denn wer an Hubertus Wawra denkt,
denkt fast automatisch an Flic Flac. Dort war er bislang für vier
Saisons und mehrere Winterproduktionen engagiert. Und auch unser
Treffen findet nach einer Vorstellung unter dem gelb-schwarz gestreiften Chapiteau statt. 2015 gibt er dort einmal mehr den
„Arsch für die Umbaupausen“. Doch seine Figur, den „Master of
Hellfire“, verkörperte er schon vor seinen Engagements bei Flic Flac.
Nur war sie da noch nicht komisch. Zur Musik zeigte der ausgebildete
Pyrotechniker – zudem ist er gelernter Hotelfachmann – Feuerstunts.
„Alles ganz groß und brachial“ war die Devise. Gesprochen wurde während
der Auftritte noch nicht viel.
  
Blick in Hubertus
Wawras Archiv
Das
änderte sich, als er im Winter 2002/2003 eine Vorstellung von Flic Flac
in Kassel besuchte. Eine Freundin hatte ihm die Karte geschenkt. Er
selbst hatte keine Ahnung, was ihn erwarten würde, wusste nicht einmal,
dass Flic Flac überhaupt existiert. Der Besuch hat offenbar auf ganzer
Linie überzeugt. „Ich war einfach geflasht“, sagt Wawra heute über
dieses Schlüsselerlebnis. Er blieb nach Show, schaute sich die
technischen Details an und redete viele Stunden mit Benno Kastein. Was
auch immer an diesem Abend alles gesprochen wurde, der Flic Flac-Chef
war zumindest interessiert. Am nächsten Tag durfte Hubertus Wawra
vorspielen. Die erste Show lief gut, obwohl er wahnsinnig aufgeregt
war. Sein Mutterwitz habe ihn bei seinem Debüt gerettet, erinnert er
sich Das funktioniere aber nur genau einmal. Danach wurde es schwierig.
Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte, hatte kaum vergleichbare
Auftritte von anderen gesehen. Zwei Wochen später hatte er trotzdem
einen Vertrag. „Du bis so scheiße, aber du bist mir sympathisch.“ Mit
diesem Satz begründete Benno Kastein das Engagement. Für Wawra hieß es
jetzt, bestehende Verträge sowie seine Wohnung zu kündigen. Und ein
Comedy-Programm zu schreiben.

Auftritt vor der Pause bei Da Capo 2014/15
Dabei
entstand der „Master of Hellfire“, wie wir ihn heute kennen. Es war ein
langer Prozess, der noch nicht abgeschlossen sei. Als prollig, politisch
inkorrekt und schlaksig beschreibt er seine Figur selbst. Ob er diesen „Master of Hellfire“ mag? „Eigentlich
schon. Er ist sympathisch, ein provokanter Arsch, der die Sachen so
sagt, wie sie sind“, philosophiert Wawra über den Master. „Weil er
sich selbst runterbuttert, darf er auch so mit dem Publikum umgehen“,
rechtfertigt er seine verbalen Angriffe auf einzelne Zuschauer. So
bezeichnet er einen Glatzenträger schon einmal lautstark als Skinhead.
Trotzdem sieht er seine Auftritte selbst als Grenzweg, bei dem er das
Publikum verliert, um es gleich darauf wieder für sich zu gewinnen.
Wichtig ist es ihm dabei, spontan zu reagieren, sein Programm immer
wieder zu variieren. So gab es in Aschaffenburg einen Gag zum gerade
angelaufenen Film „Fifty Shades of Grey“. Außerdem spielte er auf den
dort vorherrschenden katholischen Glauben an. Die Komik wird natürlich
enorm durch den thüringischen Dialekt gesteigert. Hubertus Wawra stammt aus Friedrichsroda. Insbesondere im
Westen der Republik sorgt schon die Kombination aus Sprache und Outfit
für die ersten Lacher. Herrlich, wenn der Ossi mit ausgefallener Frisur
und zig Ringen an den Ohren auf „Hardcore“ macht. Es geht aber auch
ohne, wie Auftritte beim Cirque Arlette Gruss und im Europa-Park
beweisen. Dort verzichtete er auf den Dialekt.
  
Der Anti-Anti-Terror-Rap bei Da Capo (2009 und 2014) sowie Flic Flac (2015)
Viele
seiner Nummern sind inzwischen so etwas wie Klassiker geworden. Etwa
der Anti-Anti-Terror-Rap, bei dem er sich mit Dynamitstangen auf
Trommeln begleitet. Natürlich erfolgt die Explosion erst, nachdem er
den Sprengstoff in die Kulissen geworfen hat. Oder der Auftritt mit
einer extremen Plateausohle. Während Wawra damit eine Treppe hinunter
humpelt, rätselt das Publikum noch, ob diese spezielle Form der Fußmode
irgendeinen Sinn hat. Wenn er dann zu Gitarrenbegleitung singt, ist
alles klar. Keine Frage, dass auch diese Einlage nicht ohne
Feuerbegleitung auskommt. Zum Schluss brennt seine Jacke. Ein wahres Feuerwerk ensteht, wenn er mit Geräten aus dem Baumarkt Funken sprüht.
Spektakulär
ist die „Dressur“ seines Bunnycheckers. Das Bobcat hatte Benno Kastein
eigentlich für den Auf- und Abbau angeschafft. Hubertus Wawra entdeckte die
Talente des Gefährts und brachte sie schließlich zur Manegenreife. Ein
rosa Anstrich und große Hasenohren sorgten für den passenden Glamour.
Bei Flic Flac konnte der Artist zudem seine pyrotechnischen Fähigkeiten
in besonderer Weise einbringen. Für „No Limits“ entwickelte und betrieb
er die weltweit größte portable Feuer-Effekt-Anlage mit Gas. Für seine
eigenen Auftritte benötigt er heute in der Regel eine Vorbereitungszeit
von einer Stunde. Bei größeren Events können es auch einmal drei
werden. Seine Biographie weist Ausbildungen zum Bühnenpyrotechniker,
zum Pyrotechniker für Film- und Fernsehproduktionen sowie zum
Großfeuerwerker aus. Im indischen Fernsehen stellte er 2011 einen
Weltrekord im Highspeed-Feuerschlucken auf. 39 Fackeln schaffte er in
30 Sekunden.
  
Hubertus Wawra 2013 im Programm des Cirque Arlette Gruss
Flic
Flac hatte somit großen Einfluss auf seine künstlerische Entwicklung.
Die Direktheit von Benno Kastein habe ihm dabei sehr geholfen. Noch
heute ist er ihm ein wichtiger Kritiker, der eben auch mal ungefiltert
sagt, wenn etwas „scheiße“ ist. Aber Flic Flac war nur eine von vielen
Stationen in Wawras Circuskarriere. Von 1995 bis 1998 ließ er sich an
der Circus Space School in London zum Jongleur und Einradartisten
ausbilden. Drei Jahre lang betrieb er in Thüringen gar eine eigene
Circusschule für Kinder. Ein besonderes Erlebnis war die Tournee 2013
mit dem Cirque Arlette Gruss, dessen Direktor Gilbert Gruss ein
bekennender Fan von Flic Flac ist. Interessanterweise sei er dort
besonders gut bei den Kindern angekommen, erinnert sich Wawra. Die Erwachsenen
hätten da eher Probleme gehabt. Dreimal habe er in dieser Saison
während der laufenden Vorstellung von Erwachsenen „was auf die
Fresse“ bekommen. Die hätten ihn schlichtweg für einen Spinner
gehalten. Ein Clown habe in Frankreich halt wie ein Clown auszusehen. Weitere
Engagements führten ihn unter anderem in den Circusbau von Riga, zu Da
Capo nach Darmstadt und für kurze Zeit zum Circus Constanze Busch.
  
Der Master of Hellfire bei den "Horror Nights" im Europa-Park
Eine
eigene Show bekam er im vergangenen Jahr im Europa-Park. Unter dem
Titel „Horror on Ice – Hellfire“ sorgte er in diesem einzigartigen
Freizeitpark im badischen Rust während der „Horror Nights“ für
schaurige Unterhaltung. Der dortige Entertainment-Direktor Ian Jenkins
habe ihn schon länger „auf dem Kicker“ gehabt. Wenn möglich, soll die
Zusammenarbeit ausgebaut werden. Aktuell stehe diesbezüglich aber noch
nichts fest. Netter Nebeneffekt dieses Engagements: Viele Gäste aus dem
nahen Elsaß kannten ihn noch von seinen dortigen Gastspielen mit dem
Cirque Arlette Gruss und freuten sich, den „Master of Hellfire“
wiederzusehen. Für Hubertus Wawra eine tolle Erfahrung in Zeiten, in
denen es in den Circussen nicht mehr so viele wirkliche Stars gebe. |