CHPITEAU.DE

Hardcore auf Thüringisch
"Master of Hellfire" Hubertus Wawra im Portrait
www.master-of-hellfire.de

Aschaffenburg, 13. Februar: Meist achten Eltern ja darauf, dass ihre Kinder etwas „Vernünftiges“ tun. Was immer „vernünftig“ sein soll – zum Circus zu gehen gehört in der Regel nicht dazu. Anders war es bei Hubertus Wawra. Sein Vater hatte eine Leidenschaft für die Welt der Reisenden. Die Mutter hielt ihn aber davon ab, tiefer in dieses Welt einzutauchen. Bei seinem eigenen Sohn machte er es genau umgekehrt. Er habe ihn geradezu zum Circus „hingeschubst“, wie Wawra im Interview mit Chapiteau.de erzählt. So entstand schon früh eine Freundschaft zur Familie Kaufmann, die damals den Circus Olympia betrieb.

In den Sommerferien durfte er mitreisen, beim Aufbau helfen und Esel striegeln. Das Circusvirus war ausgebrochen, die Faszination wirkt bis heute. Wann immer möglich besucht, der 40-Jährige in seiner Freizeit Vorstellungen verschiedener Unternehmen. Diese Liebe zum Circus mit allem was dazugehört mag überraschen. Denn wer an Hubertus Wawra denkt, denkt fast automatisch an Flic Flac. Dort war er bislang für vier Saisons und mehrere Winterproduktionen engagiert. Und auch unser Treffen findet nach einer Vorstellung unter dem gelb-schwarz gestreiften Chapiteau statt. 2015 gibt er dort einmal mehr den „Arsch für die Umbaupausen“. Doch seine Figur, den „Master of Hellfire“, verkörperte er schon vor seinen Engagements bei Flic Flac. Nur war sie da noch nicht komisch. Zur Musik zeigte der ausgebildete Pyrotechniker – zudem ist er gelernter Hotelfachmann – Feuerstunts. „Alles ganz groß und brachial“ war die Devise. Gesprochen wurde während der Auftritte noch nicht viel.


Blick in Hubertus Wawras Archiv

Das änderte sich, als er im Winter 2002/2003 eine Vorstellung von Flic Flac in Kassel besuchte. Eine Freundin hatte ihm die Karte geschenkt. Er selbst hatte keine Ahnung, was ihn erwarten würde, wusste nicht einmal, dass Flic Flac überhaupt existiert. Der Besuch hat offenbar auf ganzer Linie überzeugt. „Ich war einfach geflasht“, sagt Wawra heute über dieses Schlüsselerlebnis. Er blieb nach Show, schaute sich die technischen Details an und redete viele Stunden mit Benno Kastein. Was auch immer an diesem Abend alles gesprochen wurde, der Flic Flac-Chef war zumindest interessiert. Am nächsten Tag durfte Hubertus Wawra vorspielen. Die erste Show lief gut, obwohl er wahnsinnig aufgeregt war. Sein Mutterwitz habe ihn bei seinem Debüt gerettet, erinnert er sich Das funktioniere aber nur genau einmal. Danach wurde es schwierig. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte, hatte kaum vergleichbare Auftritte von anderen gesehen. Zwei Wochen später hatte er trotzdem einen Vertrag. „Du bis so scheiße, aber du bist mir sympathisch.“ Mit diesem Satz begründete Benno Kastein das Engagement. Für Wawra hieß es jetzt, bestehende Verträge sowie seine Wohnung zu kündigen. Und ein Comedy-Programm zu schreiben.


Auftritt vor der Pause bei Da Capo 2014/15

Dabei entstand der „Master of Hellfire“, wie wir ihn heute kennen. Es war ein langer Prozess, der noch nicht abgeschlossen sei. Als prollig, politisch inkorrekt und schlaksig beschreibt er seine Figur selbst. Ob er diesen „Master of Hellfire“ mag? „Eigentlich schon. Er ist sympathisch, ein provokanter Arsch, der die Sachen so sagt, wie sie sind“, philosophiert Wawra über den Master. „Weil er sich selbst runterbuttert, darf er auch so mit dem Publikum umgehen“, rechtfertigt er seine verbalen Angriffe auf einzelne Zuschauer. So bezeichnet er einen Glatzenträger schon einmal lautstark als Skinhead. Trotzdem sieht er seine Auftritte selbst als Grenzweg, bei dem er das Publikum verliert, um es gleich darauf wieder für sich zu gewinnen. Wichtig ist es ihm dabei, spontan zu reagieren, sein Programm immer wieder zu variieren. So gab es in Aschaffenburg einen Gag zum gerade angelaufenen Film „Fifty Shades of Grey“. Außerdem spielte er auf den dort vorherrschenden katholischen Glauben an. Die Komik wird natürlich enorm durch den thüringischen Dialekt gesteigert. Hubertus Wawra stammt aus Friedrichsroda. Insbesondere im Westen der Republik sorgt schon die Kombination aus Sprache und Outfit für die ersten Lacher. Herrlich, wenn der Ossi mit ausgefallener Frisur und zig Ringen an den Ohren auf „Hardcore“ macht. Es geht aber auch ohne, wie Auftritte beim Cirque Arlette Gruss und im Europa-Park beweisen. Dort verzichtete er auf den Dialekt.


Der Anti-Anti-Terror-Rap bei Da Capo (2009 und 2014) sowie Flic Flac (2015)

Viele seiner Nummern sind inzwischen so etwas wie Klassiker geworden. Etwa der Anti-Anti-Terror-Rap, bei dem er sich mit Dynamitstangen auf Trommeln begleitet. Natürlich erfolgt die Explosion erst, nachdem er den Sprengstoff in die Kulissen geworfen hat. Oder der Auftritt mit einer extremen Plateausohle. Während Wawra damit eine Treppe hinunter humpelt, rätselt das Publikum noch, ob diese spezielle Form der Fußmode irgendeinen Sinn hat. Wenn er dann zu Gitarrenbegleitung singt, ist alles klar. Keine Frage, dass auch diese Einlage nicht ohne Feuerbegleitung auskommt. Zum Schluss brennt seine Jacke. Ein wahres Feuerwerk ensteht, wenn er mit Geräten aus dem Baumarkt Funken sprüht. Spektakulär ist die „Dressur“ seines Bunnycheckers. Das Bobcat hatte Benno Kastein eigentlich für den Auf- und Abbau angeschafft. Hubertus Wawra entdeckte die Talente des Gefährts und brachte sie schließlich zur Manegenreife. Ein rosa Anstrich und große Hasenohren sorgten für den passenden Glamour. Bei Flic Flac konnte der Artist zudem seine pyrotechnischen Fähigkeiten in besonderer Weise einbringen. Für „No Limits“ entwickelte und betrieb er die weltweit größte portable Feuer-Effekt-Anlage mit Gas. Für seine eigenen Auftritte benötigt er heute in der Regel eine Vorbereitungszeit von einer Stunde. Bei größeren Events können es auch einmal drei werden. Seine Biographie weist Ausbildungen zum Bühnenpyrotechniker, zum Pyrotechniker für Film- und Fernsehproduktionen sowie zum Großfeuerwerker aus. Im indischen Fernsehen stellte er 2011 einen Weltrekord im Highspeed-Feuerschlucken auf. 39 Fackeln schaffte er in 30 Sekunden.


Hubertus Wawra 2013 im Programm des Cirque Arlette Gruss

Flic Flac hatte somit großen Einfluss auf seine künstlerische Entwicklung. Die Direktheit von Benno Kastein habe ihm dabei sehr geholfen. Noch heute ist er ihm ein wichtiger Kritiker, der eben auch mal ungefiltert sagt, wenn etwas „scheiße“ ist. Aber Flic Flac war nur eine von vielen Stationen in Wawras Circuskarriere. Von 1995 bis 1998 ließ er sich an der Circus Space School in London zum Jongleur und Einradartisten ausbilden. Drei Jahre lang betrieb er in Thüringen gar eine eigene Circusschule für Kinder. Ein besonderes Erlebnis war die Tournee 2013 mit dem Cirque Arlette Gruss, dessen Direktor Gilbert Gruss ein bekennender Fan von Flic Flac ist. Interessanterweise sei er dort besonders gut bei den Kindern angekommen, erinnert sich Wawra. Die Erwachsenen hätten da eher Probleme gehabt. Dreimal habe er in dieser Saison während der laufenden Vorstellung von Erwachsenen „was auf die Fresse“ bekommen. Die hätten ihn schlichtweg für einen Spinner gehalten. Ein Clown habe in Frankreich halt wie ein Clown auszusehen. Weitere Engagements führten ihn unter anderem in den Circusbau von Riga, zu Da Capo nach Darmstadt und für kurze Zeit zum Circus Constanze Busch.


Der Master of Hellfire bei den "Horror Nights" im Europa-Park

Eine eigene Show bekam er im vergangenen Jahr im Europa-Park. Unter dem Titel „Horror on Ice – Hellfire“ sorgte er in diesem einzigartigen Freizeitpark im badischen Rust während der „Horror Nights“ für schaurige Unterhaltung. Der dortige Entertainment-Direktor Ian Jenkins habe ihn schon länger „auf dem Kicker“ gehabt. Wenn möglich, soll die Zusammenarbeit ausgebaut werden. Aktuell stehe diesbezüglich aber noch nichts fest. Netter Nebeneffekt dieses Engagements: Viele Gäste aus dem nahen Elsaß kannten ihn noch von seinen dortigen Gastspielen mit dem Cirque Arlette Gruss und freuten sich, den „Master of Hellfire“ wiederzusehen. Für Hubertus Wawra eine tolle Erfahrung in Zeiten, in denen es in den Circussen nicht mehr so viele wirkliche Stars gebe.

Seine berufliche Zukunft sieht er im Showgeschäft. Was nicht zwingend nur Circus bedeuten muss. Im Crazy Horse in Paris würde er genauso gerne noch auftreten wie im Schweizer Nationalcircus Knie. Den Vater dürfte es freuen.

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Text: Stefan Gierisch; Fotos: Stefan Gierisch (9), Archiv Hubertus Wawra (3), Europa-Park (3)