Gastgeber dieser einzigartigen Veranstaltung war die besonders von
ihren alljährlichen Paris-Gastspielen bekannte Familie Alexis Gruss.
Wie von Paris gewohnt, zeigte sie sich auch hier den alten
Traditionen der Reitkunst verpflichtet, dem „Cirque à l‘ancienne“
(„Circus auf die alte Weise“), wie Gruss es auszudrücken pflegt.
Ergänzt wird das Gruss-Ensemble durch die Akrobatentruppe Farfadais
unter der künstlerischen Leitung von Stéphane Haffner. Beide
Ensembles, Reiter und Akrobaten, bilden die circensische
Entsprechung des antiken Grundmotivs des Abends, des Mythos von
Pegasus und Ikarus.
  
Charles, Alexandre und
Alexis Gruss
Pegasus, das Fabelwesen halb Mensch halb Pferd, wird dabei durch die
Reiterei symbolisiert. Die vornehmlich in der Luft dargebotene
Akrobatik steht für den tollkühnen Ikarus, der mit seinen Flügeln
der Sonne zu nahe kam. Im Zusammenwirken beider Kunstformen werden
mythologisch motivierte Bilder kreiert, die sich dem Betrachter
jedoch nicht immer erschließen. Das tut dem Genuss jedoch keinen
Abbruch, ist doch die Qualität insbesondere des hoch zu Pferd
Dargebotenen auf derart hohem Niveau, dass es das Publikum kaum auf
seinen Sitzen hält. Wenn die von Alexis Gruss wie im Temporausch
dargebotenen Dacapo-Steiger mit Standing Ovations und Fangesängen
honoriert werden, dann ist das ein hochemotionaler Moment, der
erkennbar auch den Grand Seigneur des Pferdecircus nicht kalt lässt.
Herauszuheben ist weiter eine vierfache Hohe Schule, geritten in
zwei Manegen von Alexis und seiner Ehefrau Gipsy Gruss sowie von
deren Tochter Maud und Schwiegersohn Tony Florees. In einer perfekt
gerittenen Piaffe äußert sich der enorme Pferdesachverstand von
Alexis Gruss. Wunderbar anzusehen waren auch die beiden Söhne
Alexandre und Charles Gruss mit ihrer Jonglage hoch zu Pferd, die
mit in der Arena aufkommenden Windböen kein leichtes Spiel hatten.

Truppe Farfadais -
Beeindruckendes Bild der Luftakrobatik
Ein
beeindruckendes Bild entstand, als fünf Akrobaten an Strapaten
arbeiteten, aufgehängt an einer durch Pferdekraft gedrehten Kuppel
und symmetrisch eingerahmt von sechs weiteren Luftakrobaten links
und rechts der Manege. Die Elemente Luft und Erde waren damit
verbunden. Zu erwähnen bleibt noch das Wasser, das in einer
Akrobatik im Wasserbassin, ausgeführt durch zwei Artistenpaare, zur
Geltung kam. Musikalisch begleitet wurde das Spektakel durch das
grandiose Orchester des Cirque National Alexis Gruss unter der
Leitung von Kapellmeister Sylvain Rolland, dessen Wirken mit Hilfe
einer sehr guten Tonanlage in der riesigen Arena gekonnt in Szene
gesetzt wurde. Auch eine außerordentlich gelungene Lichtgestaltung
wertete die ohnehin grandiose Kulisse noch weiter auf. Die
akrobatischen Einlagen wurden zudem von einer Sängerin im Stile
einer „mystischen Diva“, so die Lokalpresse, technisch hochwertig
begleitet. Die teilweise allzu populäre Musikauswahl wirkte der
Klasse und dem kulturellen Anspruch des Spektakels jedoch nicht
immer angemessen.

Maud Florees -
Ungarische Post
Seinen
Abschluss fand der Abend in einer von Maud Florees fulminant
gerittenen Ungarischen Post mit 14 Pferden in der Manege. Die
letzten Worte des sich anschließenden Finales gehörten Alexis Gruss,
der die große Bedeutung des Ereignisses für ihn herausstellte. Das
antike Theater übte schon von klein auf eine Faszination auf ihn aus
und beeinflusste sein Wirken. So trat er bereits mit 20 Jahren im
Circus des Vaters mit einer Reiterei im Stile von Ben Hur auf. Schon
als Kind nahm ihn sein Vater mit ins Theater von Orange, und seit
dieser Zeit, so wird berichtet, verspürte er den Wunsch, an diesem
altehrwürdigen Ort mit seinem Circus zu spielen. Dieser Wunsch
sollte nun endlich wahr werden, und den Begeisterungsstürmen des
Publikums zufolge wurde es ein großer Erfolg. Folgeveranstaltungen
in den kommenden Jahren – jeweils mit dem Cirque National Alexis
Gruss – sind bereits fest geplant. So konnten für das nächste Jahr
die renommierten Reiter des Cadre Noir des Saumur als Partner
gewonnen werden. 2016 wird auf musikalische Unterstützung durch die
Garde Républicaine gesetzt. Sonst begleitet diese Formation
Staatsempfänge und Nationalfeiertage. Dass demnächst also auch in
der Manege der Familie Gruss zu diesen Klängen der Cirque à
l’ancienne zelebriert wird, spricht einmal mehr für den hohen
kulturellen Stellenwert des Circus in Frankreich, dem der Cirque
Alexis Gruss in jedem Jahr aufs Neue mehr als gerecht wird. |