Bei
einem Engagement im CabaRAE auf Hawaii werden die Azzario Sisters am 8.
Februar 2015 ein letztes Mal gemeinsam zu erleben sein. Katie hat vor,
erstmal das Privatleben zu genießen. Für Quincy, die jüngere der
beiden, beginnt direkt danach am gleichen Ort ihre Solokarriere, wie
sie im Interview erzählt.

José Michel-Trio
Die
beiden Spanierinnen bilden die achte Generation der Artistendynastie
Santos Azzario. Ihr Großvater arbeitete am Trapez. Vater José Michel
bildet gemeinsam mit Ehefrau Giulia und Partner Kike ein Clownstrio,
welches mit seinem Wasserentree auch bei uns bekannt ist. Etwa von
Engagements bei Busch-Roland und Krone. Ihre Mutter, sie verkörpert den
Weißclown, kommt hingegen von privat. Die Ikarier Rampin Brothers sind
Cousins, um nur einen Verwandtschaftszweig zu nennen. Mit sechs Jahren
startete Quincy das artistische Training. Der Wunsch der Schwestern, eine
Hand-auf-Hand-Nummer zu zeigen, bestand früh. Endgültig umgesetzt wurde
er ab 2004. Für drei Jahre besuchten sie die Circusschule in Verona, wo
sie unter anderem von Eugenio Larible ausgebildet wurden. Hier entstand
die Nummer, mit der die Azzario Sisters quasi weltberühmt wurden.
Während der artistische Feinschliff also in Italien erfolgte, sorgte
ihr Vater dafür, dass die Darbietung im spanischen Stil präsentiert
wird. Durch Kostüme sowie Musik wurde dies umgesetzt. Und natürlich
durch die Persönlichkeit dieser Vollblut-Spanierinnen.
  
Engagements im Cirque d'Hiver (2009/10), bei Knie (2010) und Brazil Jack (2012)
Von
Verona ging es direkt zum ersten Engagement bei Roncalli. Kein Wunder,
ist doch Eugenio Larible der Schwiegervater von Bernhard Paul. Er
entdeckte die Azzario Sisters in dessen Schule und bescherte ihnen 2007
ein Debüt in seinem Vorzeige-Circus. Ein perfekter Start also, dem
weitere Saisons bei Roncalli folgten. 2008 und 2011 waren sie erneut
dort zu sehen. Später ging es dann für drei Sommersaisons
hintereinander nach Skandinavien. 2012 zu Brazil Jack nach Schweden,
2013 zum Sirkus Finlandia und im Jahr darauf zum dänischen Zirkus Nemo.
Mit dem Schweizer Nationalcircus Knie waren sie 2010 auf Tournee. In
den Wintermonaten konnten wir sie unter anderem im Kronebau oder beim
Heilbronner Weihnachtscircus erleben. Als „really nice“ ist Quincy zudem das Engagement im
Carré-Theater in Amsterdam in Erinnerung geblieben. Der Gewinn des
Silbernen Clowns beim Festival International du Cirque de Monte Carlo
2012 stellt wohl den Höhepunkt ihrer Karriere dar. Insgesamt hätten sie
überall dort gearbeitet, wo sie sich ein Engagement gewünscht hätten,
erzählt Quincy. Einzig das Moulin Rouge blieb als Auftrittsort ein
unerfüllter Traum.
  
Szenen aus der Hand-auf-Hand-Kür der Azzario Sisters
Neben
der spanischen Aufmachung wurde die Leiter zu ihrem Markenzeichen.
Katie überquert sie, während Quincy auf ihrem Kopf einen Einarmer
zeigt. Nur bei diesem Tricks wird eine Longe zur Sicherung eingesetzt.
Hier kam es zum einzigen Unfall ihrer Karriere. Beim Engagement im
Apollo Varieté riss die Longe, und Quincy fiel mit dem Becken auf das
Plexiglas-Podest. Zehn Tage musste sie damals im Krankenhaus in
Düsseldorf pausieren. Ansonsten sind ernsthafte Verletzungen
ausgeblieben, wenngleich Quincy ihre Trickfolge durchaus als riskant
bezeichnet. Diese wird nach dem charmanten Auftakt mit Hüten und
Fächern durch ein Kopf-auf-Kopf eröffnet. Später balanciert Katie ihre
Schwester auf einem Fuß, während Quincy auf dem Kopf steht. Oder aber
Quincy steht auf einem Bein auf dem Kopf von Katie, während diese einen
Spagat macht. Trotz teilweise unterschiedlicher Belastungen, hätten
beide das gleiche Basistraining absolviert, erzählt die jüngere der
Azzario Sisters. Die Belastung während der Nummer ist natürlich
unterschiedlich. Während beide einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn
benötigen, wird etwa die Halsmuskulatur von Katie besonders stark
beansprucht. Ihre Kür müssen sie heute nicht mehr trainieren. Die
täglichen Vorstellungen reichen aus, um das Niveau zu halten. Daneben
steht ein allgemeines Fitnesstraining auf dem
Plan.

Giulia, Quincy, José und Katie Santos Azzario
Natürlich
arbeiten die beiden nicht nur zusammen, sondern verbringen auch so viel
Zeit miteinander. Sie kennen es von kleinauf nicht anders, haben sich
daran gewöhnt. „We love each other“, beschreibt Quincy das Verhältnis
der beiden zueinander. Das ist umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass
die beiden während ihrer ersten Tournee mit Roncalli noch recht
jung waren. Sie seien von Anfang an alleine gereist, Katie habe auf
ihre jüngere Schwester geachtet. Natürlich schauten die Eltern, wann
immer möglich, nach den beiden Töchtern. Neben der artistischen Laufbahn
legten sie Wert auf eine gute Schulbildung ihrer Kinder. Da sie von
klein auf mit dem Circus unterwegs waren, lernte Quincy die ersten fünf
Jahre an einer Fernschule. Mit dem Besuch der Circusschule in Verona
wechselte die Unterrichtssprache von Spanisch auf Italienisch. Dort
besuchte sie eine öffentliche Schule. Danach absolvierte sie wieder die
Fernkurse auf Spanisch.
  
Katie und Alexander, Quincy und Michael, Quincy im Solo
Während
des Engagements bei Carré in Amsterdam fassten die Azzario Sisters den
Entschluss, die gemeinsame Nummer zu beenden. Sie wollten „ein neues
Kapitel im Leben aufschlagen“, sagten sie damals gegenüber
Chapiteau.de. Für Katie soll erst einmal das Privatleben im Vordergrund
stehen. Sie ist inzwischen mit Raubtierdompteur Alexander Lacey verlobt
und tourt gemeinsam mit ihm durch die USA. Auch Quincy hat ihr privates
Glück in der Circuswelt gefunden. Der Diabolo-Jongleur Michaël Betrian
ist ihr Partner. Beruflich will sie ihre Karriere mit einer
Solo-Handstandartistik-Nummer fortsetzen. Sie ist sich im Klaren
darüber, dass sie ihre Kolleginnen aus China oder Russland hinsichtlich
der Leistung nicht übertreffen kann. Deswegen setzt sie weiterhin auch
auf Persönlichkeit und Ausstrahlung. Während der ersten Saison auf
Hawaii wird Michaël Betrian mit von der Partie sein. Er hat ebenfalls
ein Engagement bei CabaRAE. Eine Reunion der Azzarion Sisters schließt
Quincy schon aus einem ganz einfachen Grund aus: Die für die gemeinsame
Nummer benötigten Muskeln bilden sich schon nach einem Monat Pause
zurück. Danach wird es immer schwieriger, wieder anzufangen - „It's
impossible.“ Freuen wir uns also, dass wir diese außergewöhnliche
Darbietung zweier sehr charmanter Spanierinnen über viele Jahre
genießen durften. Und seien wir gespannt auf das Europa-Debüt der neuen
Handstand-Kür von Quincy Azzario. Wann immer dieses sein wird. |