André Broger
(46) ist in ganz bürgerlichen Verhältnissen im Zürcher Oberland
aufgewachsen, berichtete er im Vorfeld des Ravensburger
Weihnachtscircus im Gespräch mit Chapiteau.de. Ganz in der Nähe, in
Rapperswil, hat seit vielen Jahrzehnten der Schweizer Nationalcircus
Knie sein Winterquartier. Alljährlich beginnt der Circus Knie seine
Tournee in Rapperswil – und bei einem Knie-Besuch 1978 wurde bei dem
damals zwölfjährigen André Broger die Leidenschaft für den Circus
entfacht. Nach dem Circusbesuch kaufte André Broger sich Bücher zur
Circusgeschichte, befasste sich immer stärker mit dem Thema. Auf den
Schulabschluss folgte 1982, so André Broger, der „gescheiterte
Versuch“ einer Schriftsetzerlehre: Nach nur acht Monaten brach er
die eigentlich vierjährige Ausbildung ab. „Es hat mich einfach
überhaupt nicht interessiert, ich habe mich viel zu viel mit Circus
befasst, das Lernen war darüber schon in der Schule zu kurz
gekommen.“ Immer stärker wurde André Brogers Wunsch, dazuzugehören,
mit dem Circus zu reisen.
  
Stationen einer
erfolgreichen Karriere: Österreichischer Nationalcircus, mit den
Chickys bei Krone, Monte Carlo
Ganz besonders
hatten es ihm die Clowns angetan. „Ich war ein wahnsinniger Fan von
Gaston, Rolf Knie und Pipo, die damals die berühmten Clowns des
Circus Knie waren“, erinnert sich André Broger. „Außerdem war ich
akrobatisch immer völlig untalentiert und wollte doch beim Circus
sein, die Rolle als Clown habe ich mir dabei noch am ehesten
zugetraut.“ Zunächst waren es die Klassenkameraden, denen André
Broger lustige Szenen vorspielte. Dann hatte er 1983 die
Gelegenheit, der Direktion des Schweizer Circus Stey eine Kostprobe
seines Könnens zu geben – und wurde für das Jahr 1984 als Clown
engagiert. Vor allem jedoch musste André Broger in diesem Circus das
„Mädchen für alles“ spielen und von Auf- und Abbau bis zur
Tierpflege in allen Bereichen mithelfen. „Ich war voll dabei, und
das für einen Hungerlohn“, erinnert er sich. 1985 jobbte André
Broger dann in einer Fabrik, wo er Kaffeemaschinen reparierte –
damit verdiente er sich das Geld für den ersten eigenen Wohnwagen,
um mit dem Circus reisen zu können. Es folgten zwei weitere Jahre
beim Circus Stey, 1986 als Reprisenclown und 1987 als Moderator, ehe
sich ab 1988 die ersten Auslandsengagements anschlossen – beim
Circus Scala in Schweden, beim Circus Stella Nova in Finnland, beim
Österreichischen Nationalcircus von Elfi Althoff-Jacobi. Heute liest
sich die Referenzliste André Brogers äußerst beeindruckend und
reicht vom Internationalen Circusfestival in Monte Carlo über den
Circus Krone bis zum Zirkus Charles Knie, wo er auch in der Saison
2013 wieder in der Manege stehen wird, diesmal im Wechsel mit dem
portugiesischen Clown César Dias. „Er ist wirklich ein guter Typ
Clown, aber auch ganz anders als ich. Ich bin sehr gespannt, wie
diese Zusammenarbeit aufgehen wird.“
  
Vielseitiger André: in
Ravensburg, bei Charles Knie, bei Royal
Als Clown ist
André Broger weitgehend Autodidakt. Natürlich gab zum Beispiel Rolf
Steys Bruder Bruno Speichinger, der selbst als Clown gearbeitet
hatte, in der Anfangszeit einige Tipps. „Doch das Meiste habe ich
mir selbst erarbeitet, man muss sich einfach ausprobieren.“ Die
wichtigste und kreativste Zeit für die Entwicklung seiner
Clownsfigur sei das Engagement beim Cirque Arlette Gruss gewesen.
„Hier musste ich in drei aufeinander folgenden Jahren jeweils fünf
völlig neue Nummern zeigen. Ich habe alle diese Auftritte selbst
kreiert, und Gilbert Gruss hat mir alle Freiheiten gelassen. Das war
wirklich eine große Hilfe.“ Nicht nur
einmal wurden André Brogers Ideen – zum Beispiel sein berühmter
Kampf gegen den Angriff des „Weißen Hai“ in der Badewanne – von
anderen Clowns kopiert: „Es regt mich wirklich auf, wenn meine Ideen
einfach geklaut werden. Natürlich hat man Vorbilder, aber es sollte
doch jeder Komiker versuchen, seinen eigenen Stil zu finden und mit
eigenen Ideen den Durchbruch zu schaffen“, sagt er selbst. André
Broger legt viel Wert darauf, dass seine Clownsfigur die
traditionellen Elemente bietet – von Riesenschuhen bis roter Nase –,
aber gleichzeitig auch neue, frische Geschichten erzählt. „Und es
sollen alle darüber lachen können, Kinder und Erwachsene.“ Auf das
gesprochene Wort verzichtet der Schweizer dabei ganz bewusst: „Ich
setze auf reine Mimik, weil im Fernsehen alles vorgeplappert wird.“
Mitmach-Nummern, bei denen Zuschauer in die Manege gezerrt werden,
widerstreben ihm: „Die Leute wollen sich doch entspannen und nicht
blöd hingestellt werden. Ich bin wirklich froh, dass ich nicht auf
solche Nummern angewiesen bin.“ Für neue Nummern wird André Broger
häufig von Requisiten inspiriert, die er zum Beispiel auf einem
Flohmarkt gefunden hat und die dann manchmal auch zwei bis drei
Jahre im Keller lagern, bis die Idee für ihren Einsatz ausgereift
ist. „Und dann inspirieren mich vor allem Filmmusik und – ehrlich
gesagt – auch Zeitdruck, wenn ich mir in letzter Minute etwas
einfallen lasse. Das ist dann zwar immer mit einem schlechten
Gewissen verbunden, aber es funktioniert.“

Die berühmte
Badewannen-Szene
Abseits der
Manege ist André Broger ein vielseitig interessierter Mensch, der
gerne malt – vor allem Clownsmotive – und seine künstlerischen
Arbeiten vor Jahren schon in kleineren Ausstellungen in der Schweiz
gezeigt hat. Auch während der Circussaisons nimmt er sich gerne die
Zeit, zwischen den Vorstellungen zu malen. In den Ferien erhält er
Besuch von seiner achtjährigen Tochter, welche ansonsten bei seiner
geschiedenen Frau in Lille (Frankreich) lebt. Ob sie einmal zum
Circus gehen und Artistin werden möchte? „Sie würde es schon gerne
machen und hat im vergangenen Jahr bei Charles Knie mit dem Duo
Solys Handstände trainiert“, meint ihr Vater. Andrés Interesse an
den Städten und Regionen, die er während seiner Circustourneen
besucht, hat ihm zudem den Spitznamen „Tourist“ eingebracht: „Wenn
man beruflich ständig auf Reisen ist, und ich reise richtig gerne,
dann sollte man diese Möglichkeit doch nutzen. Zwischen der Saison
2012 bei Charles Knie und dem Ravensburger Weihnachtscircus war ich
in Prag bei 'Cirkus Cirkus' engagiert und sehr begeistert von dieser Stadt“. Sein
Wunsch-Ziel? „Australien und Neuseeland, das würde mich sehr reizen,
dort einmal zu arbeiten.“ Außerdem hegt André Broger den großen
Traum, noch einmal mit seinem guten Freund Marco Baumgartner –
zuständig für Catering und Dekoration bei „Salto Natale“ – ein
wohltätiges Circusprojekt in einem asiatischen Land zu machen, zum
Beispiel in Malyasia oder Thailand. „Da würden wir dann mit den
Kindern an den Vormittagen ein kleines Circusprogramm einstudieren,
aber selbst auch ein- bis zweimal in der Woche mit unserem Programm
auftreten.“ In den Jahren 2000 und 2005 boten André und Marco
Baumgartner ähnliches schon einmal
in Singapur an. „Die ersten Kontakte nach Asien haben wir schon
geknüpft, aber vermutlich werden wir das erst 2014 oder 2015
umsetzen können, begrenzt auf eine kurze Zeit im Winter.“ |