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Meetings, Pläne, Kalkulationen
Heilbronner Weihnachtscircus: 18 Tage Zirkusglanz machen zwölf Monate im Jahr Arbeit

Heilbronn/Hamburg, 29. September 2012: Der Countdown läuft. In knapp zwei Monaten wird sich im Grand Chapiteau des Heilbronner Weihnachtscircus zum ersten Mal wieder der rote Vorhang öffnen: Manege frei für Menschen, Tiere, Sensationen! Unzählige Familien sollen gemeinsam lachen, staunen, mitfiebern – und in der Pause Popcorn, Bratwurst und Glühwein genießen. Hinter der großen Show steht ein noch größerer Aufwand. Das ganze Jahr über wird gearbeitet, damit an den 18 Spieltagen alles perfekt ist. Meetings, Pläne, Kalkulationen – ein Blick hinter die Kulissen des Heilbronner Weihnachtscircus.

Ende September in Hamburg. In einem Zirkuswagen auf dem Heiligengeistfeld verpacken Michaela, Adriana und Pawel Flyer für den kommenden Heilbronner Weihnachtscircus. Mit Briefwaagen werden die bunten Blätter gewogen, damit die Stückzahl in jedem Umschlag stimmt. Rings um die Arbeitstische stapeln sich gelbe Postkisten sowie Kartons mit Prospektmaterial, Briefumschlägen und Anschreiben. 20.000 Werbebriefe entstehen hier und werden an Firmen, Vereine, Schulen und Kindergärten in Heilbronn und einem Umkreis von bis zu 80 Kilometern versandt. Gelegentlich schaut der 37-jährige Stuttgarter Sascha Melnjak nach dem Rechten. Er ist, gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Uwe Gehrmann (49), einer der beiden Direktoren des Heilbronner Weihnachtscircus. Außerdem leitet Melnjak seit 2007 den Zirkus Charles Knie, der immer von März bis November durch Deutschland tourt und gerade in der Hansestadt gastiert. Im Interview berichtet er von den aufwendigen Vorbereitungen für den Heilbronner Weihnachtscircus sowie den neu übernommenen Standort Offenburg.


In Hamburg werden Flyer für Heilbronn und Offenburg verpackt; Eglantina Mavriqi an der Tickethotline

Herr Melnjak, wann beginnen die Vorbereitungen für eine neue Auflage des Heilbronner Weihnachtscircus?

Nach dem Weihnachtscircus ist vor dem Weihnachtscircus! Wir sind jetzt bereits dabei, nach Artisten für den übernächsten Weihnachtscircus Ausschau zu halten. Wenn uns eine Nummer gut gefällt und wir sie auf jeden Fall haben möchten, dann buchen wir diese auch lange im Voraus – Zhang Fan, der im letzten Weihnachtscircus mit seiner Schlappseilnummer für Begeisterung sorgte, haben wir zum Beispiel zwei Jahre im Voraus verpflichtet. Auch wenn ein bestimmtes Genre lange nicht vertreten war, versuchen wir das rechtzeitig wieder einzuplanen. Unser Ziel ist es immer, bis zur Jahresmitte, also Ende Juni, das Programm für den Weihnachtscircus komplett zu haben. Frühzeitig werden dann auch die Drucksachen gestaltet, zum Beispiel unser Plakatmotiv und die Flyer. Diese sollen bis Juli gemeinsam mit der Druckerei von Roberto Fazzini in Italien fertig gestellt werden. Jetzt im September wurden die Drucksachen geliefert. Im Oktober beginnen wir damit, unsere Werbepost zu versenden. Unsere Besucher warten auch schon sehr frühzeitig auf Informationen zum Weihnachtscircus. Wir hatten in diesem Jahr am 1. August Vorverkaufsstart – nach einer Woche war das Kontingent an Logenplätzen, das wir für das Ticketsystem CTS freigeschaltet hatten, auch schon verkauft. In diesem Jahr haben wir auf unserer Website www.weihnachtscircus.com zusätzlich einen Webshop eingerichtet, in dem man Karten kaufen und zu Hause selbst ausdrucken kann. Das wurde vor 14 Tagen freigeschaltet und läuft nach einer entsprechenden Meldung in der Heilbronner Wochenzeitung „Echo“ bereits super. Für die kommende Spielzeit haben wir auch drei Zusatzvorstellungen an Vormittagen komplett an einzelne Firmen verkauft – einer dieser Verträge wurde bereits im Dezember 2011 geschlossen, ein Jahr im Voraus, der zweite im Januar 2012 und der dritte im Sommer. Gerade beim Ticketverkauf ist über die Jahre immer alles früher geworden, die Leute planen ihren Besuch frühzeitig. In den ersten Jahren hat im August oder September noch kein Mensch nach Eintrittskarten gefragt, inzwischen ist das völlig normal geworden, gerade für Gruppenkontingente.

Am 19. Dezember feiert Ihr 14. Heilbronner Weihnachtscircus Premiere. Nach so vielen Jahren herrscht sicher auch eine gewisse Routine. Ist die Arbeit über die Jahre weniger geworden, bleibt sie gleich, oder nimmt sie sogar zu?

Das bleibt eigentlich immer gleich. Natürlich ist vieles eingespielt, natürlich haben wir feste Lieferanten, so dass viele Vereinbarungen schnell getroffen werden können. Aber allein die immer noch stetig steigenden Zuschauerzahlen sorgen dafür, dass die Arbeit nicht weniger wird. Gerade im Oktober und November gibt es fast unendliche viele Anfragen per Telefon und Mail von Zuschauern bei unserem Team, die alle beantwortet werden wollen. Es ist eine große Arbeit, hier jeden zufrieden zu stellen. Im letzten Jahr war zum Beispiel durch unseren „Circus auf Eis“ wesentlich mehr Aufwand entstanden; die Eistechnik war für uns von A bis Z komplettes Neuland. In diesem Jahr mussten besonders viele Visa beantragt werden, insgesamt für fast 40 Personen, darunter unsere Gastartisten aus China. Damit habe ich im September angefangen – eine riesenbürokratische Angelegenheit! Und es kommen in jedem Jahr neue Arbeiten hinzu. So hatte ich über mehrere Wochen damit zu tun, den neuen Ticket-Webshop einzurichten. Zu einem Alptraum hat sich auch der Aufwand für die Plakatierung entwickelt. In den Anfangsjahren mussten wir in drei größeren Städten eine Genehmigung einholen, überall sonst haben wir unsere Plakattafeln einfach aufgehängt, und daran hat sich niemand gestört. Inzwischen muss ich in 86 Städten und Gemeinden Plakatierungsgenehmigungen beantragen, von denen jede einzelne zwischen 20 und 400 Euro kostet.


Erfolgreiches Gespann: Sascha Melnjak (links) und Uwe Gehrmann

Sie sind nicht nur an Weihnachten Circusdirektor, sondern mit Ihrem Zirkus Charles Knie neun Monate im Jahr auf Deutschlandtournee – ist das überhaupt vereinbar mit den Vorbereitungen für den Weihnachtscircus?

Es hat Vor- und Nachteile. Mit dem Zirkus Charles Knie gastieren wir aktuell vier Wochen lang auf dem Hamburger Heiligengeistfeld. Bei diesem langen Gastspiel ohne Standortwechsel bleibt für unser Personal genug Zeit, die Werbematerialien für Weihnachten zu packen und versandfertig zu machen. Mit der Organisation unseres Tourneegeschäftes sind wir jetzt auch bis zum Saisonende am 4. November quasi fertig, so dass wir uns auf die Vorbereitungen für Weihnachten konzentrieren können.

Nun muten Sie sich auch noch ein weiteres Projekt zu und haben mit Ihrem Geschäftspartner Uwe Gehrmann den Offenburger Weihnachtscircus übernommen. Gibt es hier wenigstens Synergien bei der Vorbereitung der beiden Weihnachtscircusse?

Nein, das sind komplett unterschiedliche Projekte. Der Vorteil ist, dass wir in Offenburg komplett die Zeltanlagen und das sonstige Material meines Zirkus Charles Knie verwenden können. Da die Stadt wesentlich kleiner ist, benötigen wir nicht solch ein Riesenzelt wie in Heilbronn. Offenbar haben vielen Besuchern die Programme des Offenburger Weihnachtscircus in den letzten Jahren nicht mehr so gefallen – nun rechnen wir als neue Veranstalter mit einer Anlaufzeit von bis zu drei Jahren, um den Weihnachtscircus wieder zu etablieren, die Menschen in der Ortenau von unserem Konzept zu überzeugen und verlorene Besucher zurückzugewinnen. Wie in Heilbronn setzen wir auf die bewährte Mischung von Star-Artisten, vielen Tieren, Live-Musik und festlichem Ambiente. Wir glauben fest daran, dass dieses Projekt Erfolg haben wird, sonst hätten wir es nicht gemacht.


Circusfassade, Aufbau

Wie teilen Sie sich mit Ihrem Geschäftspartner Uwe Gehrmann die Arbeiten auf?

Jeder von uns hat seinen Part, dabei ergänzen wir uns sehr gut. Uwe Gehrmann kümmert sich vorrangig um den technischen Bereich und den Kontakt zu den Lieferanten, zu meinen Aufgaben gehören zum Beispiel die Pressearbeit und die Erstellung der Werbematerialien.

Wie unterscheiden sich Ihr Tourneebetrieb und der Weihnachtscircus in wirtschaftlicher Hinsicht, sowohl beim Umsatz als auch bei den Kosten?

Die Einnahmen beim Weihnachtscircus sind viel kalkulierbarer, da wissen wir zumindest in Heilbronn ziemlich genau, womit wir rechnen können. In Offenburg dagegen ist es schwierig, vor der ersten Saison irgendeine Aussage zu treffen. Der Tourneebetrieb ist dagegen vollkommen unberechenbar geworden – 2009 hatten wir beim Gastspiel des Zirkus Charles Knie in Bielefeld ein schlechtes Ergebnis, in dieser Saison hatten wir auf dem gleichen Platz einen wirklich tollen Erfolg. Andere Städte, die bei einem früheren Gastspiel super liefen, waren 2012 nur durchschnittlich besucht. Für das Saisongeschäft sind Prognosen unmöglich geworden. Die Kosten sind bei einem Weihnachtscircus wesentlich höher als im Saisonbetrieb. Die Artistengagen liegen in der Weihnachtszeit 50 bis 100 Prozent über denen zur Saison – da macht es eben auch einen Unterschied, ob man Artisten für eine neunmonatige Saison bucht oder sie für 18 Tage extra aus der ganzen Welt angereist kommen. Ein wesentlicher Unterschied sind auch die Stromkosten. Da die Artistencampings normalerweise elektrisch beheizt werden, kommen wir beim Heilbronner Weihnachtscircus auf Stromkosten von 1500 Euro am Tag, während im Sommer bei Charles Knie oft 300 Euro genügen. Allein zirka 30.000 Euro fallen in Heilbronn für Heizöl an. Hinzu kommt, dass wir in Heilbronn das Zelt und die gesamte Infrastruktur mieten müssen. Man muss auch die lange Vorlaufzeit sehen – unsere Reklameleute sind den ganzen November über unterwegs, bereits ab Anfang Dezember beginnt der Aufbau auf der Theresienwiese. Da fallen bereits im Vorfeld hohe Personalkosten an.


Oleg Popov soll zu den Stars der kommenden Spielzeit in Heilbronn gehören

Sie haben im vergangenen Jahr 80.000 Besucher in den Vorstellungen des Heilbronner Weihnachtscircus gezählt. Zweifellos konnten Sie sich über die Jahre ein treues Stammpublikum aufbauen. Haben Sie noch eine weitere Erklärung dafür, dass das Weihnachtsgeschäft für den Circus so viel berechenbarer ist als der Saisonbetrieb?

Die Menschen haben einfach mehr Zeit. Zur Ferienzeit ist es den Leuten egal, ob gerade Montag oder Samstag ist, da ist jeder Tag gleich. Wir stellen auch während der Tournee zunehmend fest, dass Ferienzeiten immer ein Vorteil für uns sind, egal ob im Sommer oder im Herbst – dann wollen die Menschen gemeinsam mit ihren Familien etwas Schönes unternehmen. Und gerade an Weihnachten bieten sich Circuskarten auch als Geschenkidee für die ganze Familie an.

Auch nach der letzten Vorstellung Ihrer beiden Weihnachtscircusse am 6. Januar 2013 ist für Sie sicherlich nicht alle Arbeit getan – wann ist der Weihnachtscircus für Sie abgeschlossen?

Nach der Abschiedsvorstellung fallen für mich besonders noch die Buchhaltung und Abrechnung an, damit bin ich in aller Regel bis Ende Januar beschäftigt. Und dann beginnt auch schon bald wieder die Tournee mit Charles Knie. Längere Pausen gibt es also nicht.

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Interview: Markus Moll, Fotos: Heilbronner Weihnachtscircus, Tobias Erber