Ende September in
Hamburg. In einem Zirkuswagen auf dem Heiligengeistfeld verpacken
Michaela, Adriana und Pawel Flyer für den kommenden Heilbronner
Weihnachtscircus. Mit Briefwaagen werden die bunten Blätter gewogen,
damit die Stückzahl in jedem Umschlag stimmt. Rings um die
Arbeitstische stapeln sich gelbe Postkisten sowie Kartons mit
Prospektmaterial, Briefumschlägen und Anschreiben. 20.000
Werbebriefe entstehen hier und werden an Firmen, Vereine, Schulen
und Kindergärten in Heilbronn und einem Umkreis von bis zu 80
Kilometern versandt. Gelegentlich schaut der 37-jährige Stuttgarter
Sascha Melnjak nach dem Rechten. Er ist, gemeinsam mit seinem
Geschäftspartner Uwe Gehrmann (49), einer der beiden Direktoren des
Heilbronner Weihnachtscircus. Außerdem leitet Melnjak seit 2007 den
Zirkus Charles Knie, der immer von März bis November durch
Deutschland tourt und gerade in der Hansestadt gastiert. Im
Interview berichtet er von den aufwendigen Vorbereitungen für den
Heilbronner Weihnachtscircus sowie den neu übernommenen Standort
Offenburg.
In Hamburg werden
Flyer für Heilbronn und Offenburg verpackt; Eglantina Mavriqi an der
Tickethotline
Herr Melnjak, wann beginnen die Vorbereitungen für eine neue Auflage
des Heilbronner Weihnachtscircus?
Nach dem
Weihnachtscircus ist vor dem Weihnachtscircus! Wir sind jetzt bereits
dabei, nach Artisten für den übernächsten Weihnachtscircus Ausschau
zu halten. Wenn uns eine Nummer gut gefällt und wir sie auf jeden
Fall haben möchten, dann buchen wir diese auch lange im Voraus –
Zhang Fan, der im letzten Weihnachtscircus mit seiner
Schlappseilnummer für Begeisterung sorgte, haben wir zum Beispiel
zwei Jahre im Voraus verpflichtet. Auch wenn ein bestimmtes Genre
lange nicht vertreten war, versuchen wir das rechtzeitig wieder
einzuplanen. Unser Ziel ist es immer, bis zur Jahresmitte, also Ende
Juni, das Programm für den Weihnachtscircus komplett zu haben.
Frühzeitig werden dann auch die Drucksachen gestaltet, zum Beispiel
unser Plakatmotiv und die Flyer. Diese sollen bis Juli gemeinsam mit
der Druckerei von Roberto Fazzini in Italien fertig gestellt werden.
Jetzt im September wurden die Drucksachen geliefert. Im Oktober
beginnen wir damit, unsere Werbepost zu versenden.
Unsere Besucher warten auch schon sehr
frühzeitig auf Informationen zum Weihnachtscircus. Wir hatten in
diesem Jahr am 1. August Vorverkaufsstart – nach einer Woche war das
Kontingent an Logenplätzen, das wir für das Ticketsystem CTS
freigeschaltet hatten, auch schon verkauft. In diesem Jahr haben wir
auf unserer Website
www.weihnachtscircus.com zusätzlich einen
Webshop eingerichtet, in dem man Karten kaufen und zu Hause selbst
ausdrucken kann. Das wurde vor 14 Tagen freigeschaltet und läuft
nach einer entsprechenden Meldung in der Heilbronner Wochenzeitung
„Echo“ bereits super.
Für die kommende
Spielzeit haben wir auch drei Zusatzvorstellungen an Vormittagen
komplett an einzelne Firmen verkauft – einer dieser Verträge wurde
bereits im Dezember 2011 geschlossen, ein Jahr im Voraus, der zweite
im Januar 2012 und der dritte im Sommer. Gerade beim Ticketverkauf
ist über die Jahre immer alles früher geworden, die Leute planen
ihren Besuch frühzeitig. In den ersten Jahren hat im August oder
September noch kein Mensch nach Eintrittskarten gefragt, inzwischen
ist das völlig normal geworden, gerade für Gruppenkontingente.
Am 19. Dezember feiert Ihr 14. Heilbronner Weihnachtscircus Premiere.
Nach so vielen Jahren herrscht sicher auch eine gewisse Routine. Ist
die Arbeit über die Jahre weniger geworden, bleibt sie gleich, oder
nimmt sie sogar zu?
Das bleibt
eigentlich immer gleich. Natürlich ist vieles eingespielt, natürlich
haben wir feste Lieferanten, so dass viele Vereinbarungen schnell
getroffen werden können. Aber allein die immer noch stetig
steigenden Zuschauerzahlen sorgen dafür, dass die Arbeit nicht
weniger wird. Gerade im Oktober und November gibt es fast unendliche
viele Anfragen per Telefon und Mail von Zuschauern bei unserem Team,
die alle beantwortet werden wollen. Es ist eine große Arbeit, hier
jeden zufrieden zu stellen. Im letzten Jahr war zum Beispiel durch
unseren „Circus auf Eis“ wesentlich mehr Aufwand entstanden; die
Eistechnik war für uns von A bis Z komplettes Neuland. In diesem
Jahr mussten besonders viele Visa beantragt werden, insgesamt für
fast 40 Personen, darunter unsere Gastartisten aus China. Damit habe
ich im September angefangen – eine riesenbürokratische
Angelegenheit! Und es kommen in jedem Jahr neue Arbeiten hinzu. So
hatte ich über mehrere Wochen damit zu tun, den neuen Ticket-Webshop
einzurichten. Zu einem Alptraum hat sich auch der Aufwand für die
Plakatierung entwickelt. In den Anfangsjahren mussten wir in drei
größeren Städten eine Genehmigung einholen, überall sonst haben wir
unsere Plakattafeln einfach aufgehängt, und daran hat sich niemand
gestört. Inzwischen muss ich in 86 Städten und Gemeinden
Plakatierungsgenehmigungen beantragen, von denen jede einzelne
zwischen 20 und 400 Euro kostet.
Erfolgreiches Gespann:
Sascha Melnjak (links) und Uwe Gehrmann
Sie sind nicht nur an Weihnachten Circusdirektor, sondern mit Ihrem
Zirkus Charles Knie neun Monate im Jahr auf Deutschlandtournee – ist
das überhaupt vereinbar mit den Vorbereitungen für den
Weihnachtscircus?
Es hat Vor- und
Nachteile. Mit dem Zirkus Charles Knie gastieren wir aktuell vier
Wochen lang auf dem Hamburger Heiligengeistfeld. Bei diesem langen
Gastspiel ohne Standortwechsel bleibt für unser Personal genug Zeit,
die Werbematerialien für Weihnachten zu packen und versandfertig zu
machen. Mit der Organisation unseres Tourneegeschäftes sind wir
jetzt auch bis zum Saisonende am 4. November quasi fertig, so dass
wir uns auf die Vorbereitungen für Weihnachten konzentrieren können.
Nun muten Sie sich auch noch ein weiteres Projekt zu und haben mit
Ihrem Geschäftspartner Uwe Gehrmann den Offenburger Weihnachtscircus
übernommen. Gibt es hier
wenigstens Synergien bei der Vorbereitung der beiden
Weihnachtscircusse?
Nein, das sind
komplett unterschiedliche Projekte. Der Vorteil ist, dass wir in
Offenburg komplett die Zeltanlagen und das sonstige Material meines
Zirkus Charles Knie verwenden können. Da die Stadt wesentlich
kleiner ist, benötigen wir nicht solch ein Riesenzelt wie in
Heilbronn. Offenbar haben vielen Besuchern die Programme des
Offenburger Weihnachtscircus in den letzten Jahren nicht mehr so
gefallen – nun rechnen wir als neue Veranstalter mit einer
Anlaufzeit von bis zu drei Jahren, um den Weihnachtscircus wieder zu
etablieren, die Menschen in der Ortenau von unserem Konzept zu
überzeugen und verlorene Besucher zurückzugewinnen. Wie in Heilbronn
setzen wir auf die bewährte Mischung von Star-Artisten, vielen
Tieren, Live-Musik und festlichem Ambiente. Wir glauben fest daran,
dass dieses Projekt Erfolg haben wird, sonst hätten wir es nicht
gemacht.
Circusfassade, Aufbau
Wie teilen Sie sich mit Ihrem Geschäftspartner Uwe Gehrmann die
Arbeiten auf?
Jeder von uns hat
seinen Part, dabei ergänzen wir uns sehr gut. Uwe Gehrmann kümmert
sich vorrangig um den technischen Bereich und den Kontakt zu den
Lieferanten, zu meinen Aufgaben gehören zum Beispiel die
Pressearbeit und die Erstellung der Werbematerialien.
Wie unterscheiden sich Ihr Tourneebetrieb und der Weihnachtscircus in
wirtschaftlicher Hinsicht, sowohl beim Umsatz als auch bei den
Kosten?
Die Einnahmen
beim Weihnachtscircus sind viel kalkulierbarer, da wissen wir
zumindest in Heilbronn ziemlich genau, womit wir rechnen können. In
Offenburg dagegen ist es schwierig, vor der ersten Saison irgendeine
Aussage zu treffen. Der
Tourneebetrieb ist dagegen vollkommen unberechenbar geworden – 2009
hatten wir beim Gastspiel des Zirkus Charles Knie in Bielefeld ein
schlechtes Ergebnis, in dieser Saison hatten wir auf dem gleichen
Platz einen wirklich tollen Erfolg. Andere Städte, die bei einem
früheren Gastspiel super liefen, waren 2012 nur durchschnittlich
besucht. Für das Saisongeschäft sind Prognosen unmöglich geworden. Die Kosten sind
bei einem Weihnachtscircus wesentlich höher als im Saisonbetrieb.
Die Artistengagen liegen in der Weihnachtszeit 50 bis 100 Prozent
über denen zur Saison – da macht es eben auch einen Unterschied, ob
man Artisten für eine neunmonatige Saison bucht oder sie für 18 Tage
extra aus der ganzen Welt angereist kommen. Ein wesentlicher
Unterschied sind auch die Stromkosten. Da die Artistencampings
normalerweise elektrisch beheizt werden, kommen wir beim Heilbronner
Weihnachtscircus auf Stromkosten von 1500 Euro am Tag, während im
Sommer bei Charles Knie oft 300 Euro genügen. Allein zirka 30.000
Euro fallen in Heilbronn für Heizöl an. Hinzu kommt, dass wir in
Heilbronn das Zelt und die gesamte Infrastruktur mieten müssen. Man
muss auch die lange Vorlaufzeit sehen – unsere Reklameleute sind den
ganzen November über unterwegs, bereits ab Anfang Dezember beginnt
der Aufbau auf der Theresienwiese. Da fallen bereits im Vorfeld hohe
Personalkosten an.
Oleg Popov soll zu den
Stars der kommenden Spielzeit in Heilbronn gehören
Sie haben im vergangenen Jahr 80.000 Besucher in den Vorstellungen des
Heilbronner Weihnachtscircus gezählt. Zweifellos konnten Sie sich
über die Jahre ein treues Stammpublikum aufbauen. Haben Sie noch
eine weitere Erklärung dafür, dass das Weihnachtsgeschäft für den
Circus so viel berechenbarer ist als der Saisonbetrieb?
Die Menschen
haben einfach mehr Zeit. Zur Ferienzeit ist es den Leuten egal, ob
gerade Montag oder Samstag ist, da ist jeder Tag gleich. Wir stellen
auch während der Tournee zunehmend fest, dass Ferienzeiten immer ein
Vorteil für uns sind, egal ob im Sommer oder im Herbst – dann wollen
die Menschen gemeinsam mit ihren Familien etwas Schönes unternehmen.
Und gerade an Weihnachten bieten sich Circuskarten auch als
Geschenkidee für die ganze Familie an.
Auch nach der letzten Vorstellung Ihrer beiden Weihnachtscircusse am 6.
Januar 2013 ist für Sie sicherlich nicht alle Arbeit getan – wann
ist der Weihnachtscircus für Sie abgeschlossen?
Nach der
Abschiedsvorstellung fallen für mich besonders noch die Buchhaltung
und Abrechnung an, damit bin ich in aller Regel bis Ende Januar
beschäftigt. Und dann beginnt auch schon bald wieder die Tournee mit
Charles Knie. Längere Pausen gibt es also nicht.
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