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"Von privat" zur Direktorin
Drei starke Frauen - Die Chapiteau.de-Serie. Teil 3: Brigitte Probst

Schwäbisch Gmünd, 31. August 2011: Circus, das ist eine Männerwelt mit viel schwerer körperlicher Arbeit. Doch den Circus Probst prägen, neben Direktor Reinhard Probst natürlich, die drei starken Frauen der Direktionsfamilie. Die jüngere Tochter Stephanie lässt als begabte Dresseurin die großen Tiere paradieren, ihrer Schwester Sonja gelang nach einem lebensgefährlichen Unfall die Rückkehr ins Scheinwerferlicht. Und Mutter Brigitte, die „von privat“ zum Circus kam, hält im Bürowagen die Fäden fest in der Hand. Chapiteau.de stellt die drei „starken Frauen“ in einer Serie vor. Teil 3: Brigitte Probst und ihr Weg zur Circuschefin.

Brigitte Probst steht nie in der Manege. Ihr Reich ist der Bürowagen. Buchhaltung, Einkauf, Genehmigungen, Kontakt mit den Amtstierärzten – die Verwaltung in einem der größten Circusbetriebe in Deutschland ist ein Job rund um die Uhr. Kistenweise Post, unzählige Telefonate, etliche E-Mails: „Es gibt ständig was zu tun“, sagt die Circuschefin. Doch mehrmals am Tag springt sie von ihrem Schreibtischstuhl auf, eilt die Treppen des kombinierten Wohnzimmer- und Bürowagens hinunter und läuft zu den Stallzelten und Außenkoppeln der Circustiere. Sieht nach dem Rechten, kontrolliert die Arbeit der Tierpfleger, füttert hier und da, beobachtet ihre Tiere. „Das ist wie Kurzurlaub“, sagt sie. Dann geht es zurück an den Schreibtisch. Die 51-Jährige hätte es sich als Jugendliche nicht träumen lassen, dass sie Circusdirektorin werden würde.


Circusbesuch in Kindertagen: Die kleine Brigitte (li.), mit Schwester und Tante, klettert bei Barum auf dem Raubtiertunnel

Geboren in Neustadt an der Weinstraße, wuchs sie dort in bürgerlichen Verhältnissen auf. Sie war Jugendwartin beim Reitverein, trat bei Reit- und Springturnieren an, lernte den Beruf der Pferdewirtin – und sattelte eine Ausbildung zur Schreinerin drauf, als erste Frau in Rheinland-Pfalz. Schließlich sollte sie den Betrieb ihres Vaters übernehmen. Und wenn man ihr prophezeit hätte, dass sie einmal zum Circus gehen würde? „Dann hätte ich gesagt: greif dir mal an den Kopf!“. Freilich sei sie als junges Mädchen gerne in den Circus gegangen, zumal in Neustadt nur große und namhafte Circusse gastierten. „Aber Fan war ich nicht. Mich haben Pferde, Elefanten und Luftnummern interessiert, Clownerie und Raubtiere jedoch nie.“ Doch dann legte die Familie Probst in Neustadt eine Pause zwischen zwei Circus-Engagements ein. Die Pferdenärrin Brigitte Fröhlich, so ihr Geburtsname, lernte die Circusleute kennen, die ebenfalls Pferde besaßen. Ging mit Artistenspross Reinhard zum Ausreiten, zeigte ihm ihre Pferde. Und dann kam die Liebe. Für den Vater der jungen Brigitte schien alles klar: Der künftige Schwiegersohn würde in die Schreinerei einsteigen, die Circusschuhe an den Nagel hängen. Es kam anders. Brigitte Fröhlich heiratete ihren Reinhard und zog mit den Circusleuten. Im Mai 1981 gründete sie mit ihrem Mann und dessen Bruder Robert den Circus Probst. Jahrelang trat sie sogar in der Manege auf: in einer Parterreakrobatik, einer Westenshow, in Clownentrees.


Brigitte Probst in der Manege: Westernshow, Clownentree, Parterreakrobatik

„Klar, mein Vater war zunächst sprachlos, aber später hat er sich hier im Circus immer sauwohl gefühlt und war stolz, unser seriöses Unternehmen wachsen zu sehen.“ Die „total tierverrückte“ Mutter von Brigitte Probst reiste sogar jahrelang mit dem Circus mit, arbeitete unter anderem an Kasse und Restauration. Erst seit April 2010 lebt die inzwischen 86-Jährige wieder zu Hause in Neustadt. Brigitte Probst selbst fiel das Circusleben anfangs schwer. „Ich habe meine Reiterfreunde vermisst und fühlte mich wie eine Fremde.“ Doch sie lernte, sich durchzusetzen, fand Anerkennung. „Ich bin Sternzeichen Steinbock, ich hätte nie aufgegeben.“ Zu einer Handvoll Freunde aus dem „früheren Leben“ in Neustadt hält sie bis heute Kontakt, „und wenn wir in Speyer oder Bad Dürkheim sind, dann kommen alle vorbei.“ Ohnehin fühlt sich Brigitte Probst auch jenseits der 50 „wie ein junger Hüpfer, ich bin vom Wesen her ein jugendlicher Typ“.


In der Manege und hinter den Kulissen: Brigitte und Reinhard Probst

Auch die Arbeit beim Circus und die Zusammenarbeit mit den drei Kindern Sonja, Stephanie und Andreas halte sie jung. Der schwere Unfall der ältesten Sonja, die 1999 in Meerbusch vom Vertikalseil stürzte, hat Mutter und Tochter besonders eng zusammengebracht. „In der schweren Zeit danach ist etwas zwischen uns gewachsen, wir wurden wie beste Freundinnen.“ Ohnehin habe der Unfall alles verändert. „Zu dieser Zeit reiste Uwe Gehrmann mit uns, er hat sich hier am Circus um alles gekümmert, damit wir bei Sonja im Krankenhaus sein konnten. Alle Mitarbeiter haben angepackt, damit der Circus weitergehen konnte, auch wenn mein Mann und ich nicht vor Ort waren“, ist Brigitte Probst bis heute dankbar. Besonders zu schätzen weiß sie diesen Einsatz, weil es bim Circus einfach „ständig was zu tun“ gibt. Und die Aufgaben würden immer umfangreicher. „Wir haben ja alleine bei jedem Umsetzen 47 Transporte zu fahren. Man kriegt alles irgendwie geh#ndelt, aber ich komme kaum noch vom Platz weg, bin hier für jeden der Ansprechpartner.“


Keine Bange vor der Zukunft: Familie Probst

Auch ihr Ehemann Reinhard arbeite an der Belastungsgrenze, mit viel körperlicher Arbeit zum Beispiel beim Auf- und Abbau. „Immerhin hat er mittlerweile durch unseren Sohn Andreas und Stephanies Lebensgefährten Sergiu viel Entlastung.“ So ist es Brigitte Probst um die Zukunft des Unternehmens nicht Bange. „Wir haben durch unsere drei Kinder alle Bereiche abgedeckt. Andreas hatte schon immer den Drang zum technischen Bereich, Stephanie ist eine hervorragende Tierlehrerin, und Sonja unterstützt mich immer mehr bei den kaufmännischen Dingen, wobei sie ihre Intelligenz und ihre Sprachgewandheit voll einsetzen kann. Und schließlich ist Stephanies Freund Sergiu über die Jahre wie ein Sohn für uns geworden.“


Engagierte Kämpferin für den guten Circus mit Tieren 

Drei Jahrzehnte, nachdem Brigitte Probst das "bürgerliche" Leben aufgegeben  hat, ist sie Circuschefin mit Leidenschaft und sieht sich in einer Mission. „Wir wollen zeigen, dass der Circus Kultur ist, dass er Anerkennung verdient hat und Jung und Alt begeistern kann. Durch unsere seriöse Geschäftführung wollen wir generell dazu beitragen, dass der Circus wieder ein besseres Ansehen genießt.“ Vor allem aber setzt sich Brigitte Probst für den guten Circus mit Tieren ein. „Wir haben eine mustergültige Tierhaltung, das wird uns von allen Amtstierärzten bescheinigt. Davon kann sich jeder überzeugen.“ Das makellose Tierbestandsbesuch sei die Visitenkarte des Unternehmens, Aktionen wie Informationsveranstaltungen für Politiker – zum Teil unterstützt durch die Circusfreunde-Sektion Südhessen – sollen zur Aufklärung über den guten Tiercircus beitragen. Die Tiere ihres Circus betrachtet Brigitte Probst als Familienmitglieder. „Sie bleiben auch bei uns, wenn sie zu alt sind für die Manege. Wir tun auch dann alles, um den Gesundheitszustand stabil zu halten. Kein Tier wird weggegeben, solange der Tierarzt nicht sagt, dass es vernünftiger wäre.“ Und Brigitte Probst ist überzeugt: "Ohne Tiere hätte der Circus keine Zukunft.“

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Text: Markus Moll, Fotos: Markus Moll, Stefan Nolte, Archiv Familie Probst