Oft gab es
ähnliche Antworten, die Familien, Gemeinschaft und artistische
Darbietungen in den Mittelpunkt rückten, uneinig war man sich
lediglich in der Frage, ob Tiere zum Circus gehören oder nicht. Zwei
der Darbietungen, die wir mit unserer Kamera begleiteten, waren
Tiernummern, die zum traditionellen Circus gehören. Sie werden
derzeit heftig von Tierrechtlern attackiert und ihre Abschaffung
gefordert. Die Medien sind voll mit Videos und Artikeln, die belegen
sollen, dass Tiertrainer ihre Schützlinge schlecht behandeln. Aber
diese Beispiele sind nur die eine Seite der Medaille. Alle, die ein
Verbot von Tiernummern fordern, sollten sich einmal unser
Filmmaterial ansehen. Denn obwohl unser Focus eigentlich auf die
Artisten und Tierlehrer selbst gerichtet war, wurde schnell klar,
dass manche der Tiere schnell selbst zu Hauptdarstellern werden
würden.

Petra und Roland Duss
Die
verspielten Seelöwen der Duss-Familie zum Beispiel. So wurde Charlie
nach seinem vierten Fluchtversuch unser Liebling. Charlie flüchtete
übrigens nicht vor dem, was Kritiker als „tristes Circusleben“.
Nein, er flüchtete in Richtung Zelt, um zu performen. Charlie liebt
das Scheinwerferlicht so sehr, dass er jederzeit aus seinem Pool
springen würde, um in der Manege seine Kunststücke zu zeigen. Und in
der Großkatzenwelt von Martin Lacey junior, schläft Martin erst,
wenn er sieht das der altmodische Circuswagen, indem King Tonga
untergebracht ist, sanft zu schaukeln beginnt. Jeder Morgen wiederum
beginnt für Martin mit einem dicken Kuss von Tonga, dessen Kopf
größer zu sein scheint, als Zwei-Meter-Mann Lacey junior.
Anschließend stapft King Tonga in sein Außengehege, um sich dort in
der Sonne zu räkeln. Dieser riesige Löwe, der Martin ohne Probleme
einen Arm abreißen könnte, erscheint somit wie ein übergroßer
Teddybär. Aber: Während der Show, auf einer glitzernden Discokugel
sitzend, sieht Tonga wirklich wie ein König aus. Da die letzten
Shows in Monte Carlo um einige Minuten gekürzt worden sind, fiel
auch Tongas Auftritt den Kürzungen zum Opfer. Tonga war damit gar
nicht einverstanden: Während jeder Show, wenn er seine
Auftrittsmusik hörte, begann Tonga in seinem Käfig zu brüllen. Es
konnte keinen Zweifel geben: Tonga wollte in die Manege, auftreten.
Sowohl Martin Lacey junior als auch Roland Duss sprachen übrigens
über die Intelligenz ihrer Tiere und deren Neugierde und Verlangen
etwas zu lernen. In Zoos dagegen leider sie oft unter Langeweile.
Für ein Tier, das nicht in der Wildnis lebt, und dessen Trainer so
gut sind wie Duss und Lacey, ist das Circusleben also ganz sicher
keine schlechte Alternative.
 
Rob Torres, Artisten
vom Cirque du Soleil
Die Darbietung
des Cirque du Soleil auf dem russischen Barren wiederum war, von den
Darbietungen, die wir begleiteten, ganz sicher das klarste Beispiel
für den zeitgenössischen Circus. Mit dem Gewinn des silbernen Clowns
setzte der Cirque du Soleil, der erstmals auf einem dem klassischen
Circus verpflichteten Festival vertreten war, ein Zeichen. Die
Soleil-Artisten beschrieben ihre Darbietung als den Versuch mit
richtigen Charakteren und einer ausgefeilten Choreographie eine
Geschichte zu erzählen. Dieser Anspruch ist typisch für den
zeitgenössischen Cirque Noveau. Im Gegensatz dazu stehen die reinen
Nummernprogramme des klassischen Circus. Rob Torres, einer der
Clowns, die am 34. Festival von Monte Carlo teilnahmen, ist ein
weiteres Beispiel für den zeitgenössischen Circusstil. Er erreicht
dies hauptsächlich durch den Verzicht auf klassisches Clownsmakeup
und traditionelle Routinen. Seine Auftritte wirken dadurch
einzigartig und modern. Die Rosyanns wiederum, die Bronze in Monte
Carlo gewannen, sind eine klassische Clownstruppe, inklusive eines
Weißclowns sowie Kostümen und Auftritten, die beide von Generation
zu Generation weitergegeben werden.
Mit unseren
Kameras haben wir sowohl im klassischen als auch im zeitgenössischen
Circus Leidenschaft, artistisches Talent und Unterhaltung
eingefangen. Genau wie manche Leute Countrymusik und andere Heavy
Metal mögen, gibt es auch für beide Circustypen ein Publikum.
Dementsprechend ist es genauso wichtig, die alten Circustraditionen
zu ehren und fortzusetzen, wie es der Kunstform zu erlauben, sich
mit den Möglichkeiten der Zukunft zu verändern. Die Botschaft
unseres Films jedenfalls lautet, dass beide Circustypen wichtig
sind, um die Geschichte und die Zukunft des Circus lebendig zu
halten. |