  
The Flying
Mendonca
Was an den Gay
Circus Nights des Circus Charles Knie immer wieder begeistert, ist
der Feuereifer, mit dem sich auch die überzeugtesten Heteros im
Ensemble mit vielen kreativen Einfällen und einer gehörigen Portion
Mut einbringen. Bestes Beispiel im aktuellen Fall sind die Flying
Mendoncas. Deren Fänger Jonatas Galleguito arbeitet eigentlich
gemeinsam mit seiner Partnerin Aline Moretti als „Duo Jungle“ auch
eine schöne Tücherkür, die bei Charles Knie nicht im Programm ist –
für die Gay Circus Night studierte er gemeinsam mit Saulo Mendonca
extra eine neue Version als „Tarzan und James“ an. Erzählt wurde
dabei, beeindruckend glaubwürdig gespielt, die Geschichte einer
zärtlichen Annäherung zwischen den beiden Wilden im Lendenschurz.
Natürlich lebte dieser Auftritt mehr von der Inszenierung denn von
der Trickstärke. „Tarzan und James“ war Pausennummer, zum Auftakt
des zweiten Programmteils sorgten die Mendoncas dann am Flugtrapez
für das absolute Highlight des Programms und einen wahren
Begeisterungssturm. Zunächst führte Fliegerin Aline als Domina die
drei Herren an der Hundeleine in die Manege und zwang sie mit der
Gerte hinauf aufs Trapez – oben auf der Plattform legten die Männer
dann zu „You can leave your hat on“ einen heißen Strip hin. Dann
wurde die Nummer normal gearbeitet, und als sich die Herren dann zum
Abgang ins Netz fallen ließen, spielte das Orchester „It’s raining
men“ – das war schon fein ausgedacht! Freilich präsentierte Saulo
Mendonca hier vor seinem Kopfüber-Sturz aus der Kuppel die
Gay-Pride-Flagge anstelle der Deutschlandfahne.
  
Christoph Haese,
Joachim Sperlich, Versace
Insgesamt war es
in dieser Saison wohl schwieriger als 2008, das Programm auf „gay“
umzustricken, zumal Regisseur Dirk Kuik auch den Ehrgeiz hatte, dem
Stuttgarter Publikum nur Nummern zu präsentieren, die bei der Gay
Circus Night zwei Jahre zuvor an gleicher Stelle nicht gezeigt
wurden. So musste auch Alex Laceys Raubtierdressur aussetzen, Lacey
selbst wirkte jedoch im feinen Zwirn als Requisiteur mit – der sich,
wie unfein, als Empfänger eines gespielten „Blowjobs“ im
Artisteneingang erwischen ließ oder lüstern an der zugeworfenen
Jacke Joachim Sperlichs schnupperte. Letzterer zeigte in der Gay
Circus Night im weißen Glitzeranzug nach vielen Jahren wieder einmal
seine Stuhlpyramide, ganz stylisch auf durchsichtigen
Plexiglasstühlen. Nachdem es nicht recht gelang, den ebenfalls
gläsernen Tisch stabil und eben zu justieren, wurde dieser Auftritt
vor dem Finale zum spannenden Nervenkrimi, doch letztlich ging alles
gut. Überraschend dann der etwas abrupte Übergang von der
Stuhlpyramide zum Finale, wo viele noch den rasanten Auftritt der
Rollschuhtruppe Nistorov erwartet hätten. Diese kamen aber nicht zum
Einsatz, und der Auftritt der Seelöwen musste kurzfristig aus der
Show gestrichen werden. Nachdem der ursprünglich
angekündigte Schwungseil-Künstler Nicolai Kuntz verhindert war, wurde der
Berliner Christoph Haese mit seiner Hula-Hoop-Kür mit
Kontorsionselementen engagiert. Clown Versace präsentierte seine
Stoff-Elefanten mit Regenbogendecken aufgehübscht und lud später
drei Zuschauer zum Seilspringen.
  
Marlene Deluxe, Daniel
Stipka, Marek Jama
Iurie Basiuls
Handstand-Equilibristik ist natürlich schon im original „gay“ genug
für die Spezialvorstellung – er zeigte seinen Auftritt komplett
unverändert, von Moderatorin Marlene Deluxe angekündigt als
Pyjama-tragender Vorführer von Kamasutra-Übungen… Deluxe,
szenebekannte Drag Queen aus Berlin, war zur Eröffnung der Show auf
einem natürlich „champagnerfarbenen“ Pferd im Damensitz in die
Manege geritten. Mit ihren kessen Sprüchen hatte sie zunächst auch
wieder die Lacher auf ihrer Seite, ehe sie sich kurz vor Schluss
leider mit Ekel-Witzen über „Stuhl“(-Gang) ins Abseits manövrierte.
Wirklich heiß ging’s gleich zur Programmeröffnung zu. Zu den vier
Damen des Balletts, die zunächst den bekannten Flamenco aus dem
Spanischen Bild des Charles-Knie-Programms tanzten, gesellte sich
Eliane Biasini, unerhört aufreizend und attraktiv in hochhackigen
Schuhen und Netzstrümpfen. Sie wickelte die Tänzerinnen aus ihren
Flamenco-Kleidern, schmiegte sich voll Begehren an jede einzelne –
auch lesbische Erotik war diesmal Teil der Show. Dann ritt Daniel
Stipka die Hohe Schule, im gewagten Outfit mit Stringtanga,
po-freier Hause und eingeöltem Oberkörper, gefolgt von Marek Jamas
Präsentation der Friesenfreiheit im Lederoutfit. Nach einem heftigen
Streit zwischen Eliane und ihrem Partner Daniel, gespielt natürlich,
verlässt letzterer dann doch Hand in Hand mit Marek die Manege – bis
zum Kuss unter Männern im Artisteneingang. |