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Gay Circus Night - Stuttgart 2010
Bei der Neuauflage auf dem Wasen noch mehr Zuschauer - Mendoncas Stars der Show

Stuttgart, 23. Oktober 2010: Überaus erfolgreich war die insgesamt fünfte Gay Circus Night des Zirkus Charles Knie, die in der Nacht zum 24. Oktober auf dem Cannstatter Wasen stattfand. Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach der ersten Stuttgarter Gay Circus Night waren deutlich mehr Zuschauer gekommen als beim ersten Mal, rund 1000 Gäste wurden gezählt. Das spricht für den Erfolg des Konzeptes. In bewährter Weise wurde das normalerweise bestens familiengeeignete Programm in eine witzig-erotische schwul-lesbische Galashow zugunsten der Aidshilfe verwandelt.


The Flying Mendonca

Was an den Gay Circus Nights des Circus Charles Knie immer wieder begeistert, ist der Feuereifer, mit dem sich auch die überzeugtesten Heteros im Ensemble mit vielen kreativen Einfällen und einer gehörigen Portion Mut einbringen. Bestes Beispiel im aktuellen Fall sind die Flying Mendoncas. Deren Fänger Jonatas Galleguito arbeitet eigentlich gemeinsam mit seiner Partnerin Aline Moretti als „Duo Jungle“ auch eine schöne Tücherkür, die bei Charles Knie nicht im Programm ist – für die Gay Circus Night studierte er gemeinsam mit Saulo Mendonca extra eine neue Version als „Tarzan und James“ an. Erzählt wurde dabei, beeindruckend glaubwürdig gespielt, die Geschichte einer zärtlichen Annäherung zwischen den beiden Wilden im Lendenschurz. Natürlich lebte dieser Auftritt mehr von der Inszenierung denn von der Trickstärke. „Tarzan und James“ war Pausennummer, zum Auftakt des zweiten Programmteils sorgten die Mendoncas dann am Flugtrapez für das absolute Highlight des Programms und einen wahren Begeisterungssturm. Zunächst führte Fliegerin Aline als Domina die drei Herren an der Hundeleine in die Manege und zwang sie mit der Gerte hinauf aufs Trapez – oben auf der Plattform legten die Männer dann zu „You can leave your hat on“ einen heißen Strip hin. Dann wurde die Nummer normal gearbeitet, und als sich die Herren dann zum Abgang ins Netz fallen ließen, spielte das Orchester „It’s raining men“ – das war schon fein ausgedacht! Freilich präsentierte Saulo Mendonca hier vor seinem Kopfüber-Sturz aus der Kuppel die Gay-Pride-Flagge anstelle der Deutschlandfahne.


Christoph Haese, Joachim Sperlich, Versace

Insgesamt war es in dieser Saison wohl schwieriger als 2008, das Programm auf „gay“ umzustricken, zumal Regisseur Dirk Kuik auch den Ehrgeiz hatte, dem Stuttgarter Publikum nur Nummern zu präsentieren, die bei der Gay Circus Night zwei Jahre zuvor an gleicher Stelle nicht gezeigt wurden. So musste auch Alex Laceys Raubtierdressur aussetzen, Lacey selbst wirkte jedoch im feinen Zwirn als Requisiteur mit – der sich, wie unfein, als Empfänger eines gespielten „Blowjobs“ im Artisteneingang erwischen ließ oder lüstern an der zugeworfenen Jacke Joachim Sperlichs schnupperte. Letzterer zeigte in der Gay Circus Night im weißen Glitzeranzug nach vielen Jahren wieder einmal seine Stuhlpyramide, ganz stylisch auf durchsichtigen Plexiglasstühlen. Nachdem es nicht recht gelang, den ebenfalls gläsernen Tisch stabil und eben zu justieren, wurde dieser Auftritt vor dem Finale zum spannenden Nervenkrimi, doch letztlich ging alles gut. Überraschend dann der etwas abrupte Übergang von der Stuhlpyramide zum Finale, wo viele noch den rasanten Auftritt der Rollschuhtruppe Nistorov erwartet hätten. Diese kamen aber nicht zum Einsatz, und der Auftritt der Seelöwen musste kurzfristig aus der Show gestrichen werden. Nachdem der ursprünglich angekündigte Schwungseil-Künstler Nicolai Kuntz verhindert war, wurde der Berliner Christoph Haese mit seiner Hula-Hoop-Kür mit Kontorsionselementen engagiert. Clown Versace präsentierte seine Stoff-Elefanten mit Regenbogendecken aufgehübscht und lud später drei Zuschauer zum Seilspringen.


Marlene Deluxe, Daniel Stipka, Marek Jama

Iurie Basiuls Handstand-Equilibristik ist natürlich schon im original „gay“ genug für die Spezialvorstellung – er zeigte seinen Auftritt komplett unverändert, von Moderatorin Marlene Deluxe angekündigt als Pyjama-tragender Vorführer von Kamasutra-Übungen… Deluxe, szenebekannte Drag Queen aus Berlin, war zur Eröffnung der Show auf einem natürlich „champagnerfarbenen“ Pferd im Damensitz in die Manege geritten. Mit ihren kessen Sprüchen hatte sie zunächst auch wieder die Lacher auf ihrer Seite, ehe sie sich kurz vor Schluss leider mit Ekel-Witzen über „Stuhl“(-Gang) ins Abseits manövrierte. Wirklich heiß ging’s gleich zur Programmeröffnung zu. Zu den vier Damen des Balletts, die zunächst den bekannten Flamenco aus dem Spanischen Bild des Charles-Knie-Programms tanzten, gesellte sich Eliane Biasini, unerhört aufreizend und attraktiv in hochhackigen Schuhen und Netzstrümpfen. Sie wickelte die Tänzerinnen aus ihren Flamenco-Kleidern, schmiegte sich voll Begehren an jede einzelne – auch lesbische Erotik war diesmal Teil der Show. Dann ritt Daniel Stipka die Hohe Schule, im gewagten Outfit mit Stringtanga, po-freier Hause und eingeöltem Oberkörper, gefolgt von Marek Jamas Präsentation der Friesenfreiheit im Lederoutfit. Nach einem heftigen Streit zwischen Eliane und ihrem Partner Daniel, gespielt natürlich, verlässt letzterer dann doch Hand in Hand mit Marek die Manege – bis zum Kuss unter Männern im Artisteneingang.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Erber