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Circusstadt Sinzig
Circus in der Stadt - das ist ein Stück Lebensqualität

Sinzig, 27. Januar 2009: Johannes Büchel (Foto unten) ist Pressesprecher sowie Leiter des Stadtmarketings der Stadt Sinzig. Und ganz nebenbei: Circusfreund. In einer E-Mail an Chapiteau.de schrieb er, dass Sinzig (17.500 Einwohner) dabei sei, seinen Ruf als "Circusstadt" zu festigen. Da wollten wir mehr wissen und haben Büchel um ein Interview gebeten.

Chapiteau.de: Sinzig bezeichnet sich selbst als "Circusstadt". Wie entstand die Idee dazu?

Johannes Büchel: Bis vor wenigen Jahren erging es uns in Sinzig am Rhein wie den meisten Kleinstädten. Große Unternehmen interessierten sich gar nicht für uns. Es tingelten dagegen viele Unternehmen, die im Chapiteau nicht hielten, was sie in der Werbung versprachen. Für 20 € wurde da, salopp gesagt, die Ziege übers Brett gejagt. Sinzig liegt zwischen Bonn und Koblenz und in den beiden Städten wird es seit einiger Zeit den Circusunternehmen ganz schön erschwert zu spielen. Interessante Plätze gibt es nicht mehr. Das Plakatieren ist nur sehr eng erlaubt und auch sonst werden Steine über Steine in den Weg gelegt. Sicherlich profitieren wir gerade von dieser ablehnenden Haltung der großen Nachbarstädte, denn in Sinzig ist es anders. Selbstbewusst sagt unser Slogan "Sinzig ist mehr" und das wollen wir gerade auch im circensischen Bereich beweisen. Als ich den Bereich Stadtmarketing übernahm, wollte ich in die neue Veranstaltungsreihe "Sinziger Sommer" auch den Circus als Kulturgut einbinden und bot den zentralen Kirchplatz vor dem Rathaus als Spielort an. Der kleine aber feine Familienzirkus Rondell (Stephan Ortmann) bewarb sich und spielte seitdem zwei mal mitten in der City. Mit großem Erfolg.

Chapiteau.de: Wie ging es dann weiter?

Johannes Büchel: Der Circus "René und Patricia Althoff" bewarb sich für den eigentlichen Circusplatz "Jahnwiese" und spielte hier im März 2006 mit einem Riesenerfolg. Die Sinziger waren nun für das Thema "Circus" sensibilisiert und unsere überregionale Werbung sorgte für ein volles Zelt. In die "Bundesliga der Circusunternehmen" kamen wir dann per Zufall. In der Nachbarschaft war es zu einer doppelten Vergabe gekommen und per Internet machte uns Maria Varfi, die Pressesprecherin von Charles Knie (Sascha Melnjak) ausfindig. "Sie sind doch in Sinzig bekanntlich für den Circus aufgeschlossen....."  begann sie ihre Anfrage und sprach uns damit auch gleich ein Lob aus. Der Platz war frei und der Circus ging das Wagnis ein. Die Unterbringung des großen Fuhrparks war eine logistische Herausforderung. Doch es gelang und Knie war für Sinzig und die weite Umgebung der Knüller. Ausverkaufte Vorstellungen und Begeisterung über dieses junge frische Unternehmen mit einem herausragenden Programm. Im letzten Jahr war es Probst (West), der hier mit seinem tollen Programm gastierte. Vom 2. bis 5. Juli 2009 wird nun Busch-Roland erwartet, ehe im nächsten Jahr Charles Knie wieder kommt.

Chapiteau.de: Kommen Sie als "Circusstadt" den Unternehmen auch in Sachen Plakatierung und fälligen Gebühren entgegen?

Johannes Büchel: Ja, das Plakatieren ist großzügig gestattet und gebührenfrei. Die Pressewerbung übernehmen wir und auch Rundfunk und Lokalfernsehen konnten wir immer wieder gewinnen. So sorgten Elefantenfütterungen oder ein Tigerfrühstück im Bürgermeisterbüro für die überregionale Beachtung. Unser Ordnungsamt ist mit Sperrungen und dergleichen ebenfalls bemüht, den Circus flexibel beim Aufbau und während des Gastspieles zu unterstützen. Ein großes Plus der Stadt ist aber natürlich auch der zentrumsnahe Platz, der ringsum zahlreiche Parkplätze bietet und darüber hinaus nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt ist. Für den Festplatz wird bislang keine Gebühr, sondern nur die Kaution verlangt. Aber damit der Circus etwas Besonderes bleibt, wird nur ein Unternehmen pro Jahr zugelassen. 

Chapiteau.de: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob ein Circus in Sinzig zugelassen wird?

Johannes Büchel: Nicht jeder große Circus ist auch ein guter Circus. So fragen wir, wenn wir das Unternehmen nicht selbst kennen, bei den Kollegen anderer Städte nach deren Erfahrungen und recherchieren auch im Internet. Die Unternehmen, die hier gastierten, geben ebenso gerne Tipps bezüglich der seriösen Kollegen.

Chapiteau.de: Was glauben Sie, woran liegt es, dass immer mehr Städte den Circus auf Plätze am Rand der Stadt drängen oder schlimmstenfalls gar keinen Circusplatz mehr bereit halten?

Johannes Büchel: Das kann mehrere Gründe haben. Vielleicht haben die Ordnungsämter sich "auf die falschen" eingelassen und beurteilen nun alle Unternehmen gleich (nämlich negativ). Auch ist es für viele Städte lukrativer, die letzten Quadratmeter in der City noch zu verkaufen, anstatt sie als Festplatz vorzuhalten.

Chapiteau.de: Nennen Sie doch ein paar Gründe, warum Sinzig hier einen anderen Weg geht, und warum sich andere Städte daran ein Beispiel nehmen sollten?

Johannes Büchel: Für uns ist Circus ein wichtiges Kulturgut. Wenn selbst so große und gute Unternehmen wie Barum aufgeben, dann ist das für mich ein böses Zeichen. Hier gilt es auch für die Städte entgegen zu wirken und den Unternehmen ihre Tournee zu erleichtern. Wir bemühen uns um Varietee und Bauerntheater. In unseren Hallen wird in Comedy-Reihen gegröhlt und gebrüllt. Wo aber bleiben die strahlenden Kinderaugen? Es ist schön zu sehen, wie unsere mit Handys und PCs verwöhnten Kids Alexander Lacey aufatmend zujubeln, wenn der Kopf wieder aus dem Rachen des Löwen Massai draußen ist. Es ist toll, wenn Sie einem Kamel ins Gesicht schauen und über einen Clown unbesschwert lachen können. Wir Sinziger kommen dem Circus sehr entgegen, aber wir erhalten auch unendlich viel zurück. Circus in der Stadt - das ist ein Stück Lebensqualität.

Chapiteau.de: Was zeichnet für Sie einen guten Circus aus, gehören auch Tiere dazu?

Johannes Büchel: Ein Programm, das seinen Eintritt wert ist. Eine gute Regie und (wo immer möglich) Live-Musik. Und natürlich gehören auch Tiere dazu.  Und die reisen in den seriösen Unternehmen genauso gut wie die Artisten. Auch da hat sich in den letzten Jahren vieles bewegt. Ich bin aber dafür, dass nur Tiere mitreisen, die auch im Programm einen Sinn erfüllen und auftreten.

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Text
: Sven Rindfleisch; Fotos: Norbert J. Becker