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Maria Eleky
Den ersten Salto ihres Lebens drehte das Multitalent im Cirque d'Hiver

Stukenbrock, 10. Dezember 2009: Sie ist Circus-Artistin mit Leib und Seele und ein echtes Multitalent: Als Ikarier- und Handvoltigen-Akrobatin begann sie im Kindesalter ihre Karriere, die später mit besonderen Erfolgen auf dem Schleuderbrett fortgesetzt wurde. Es folgten eine Duo-Jonglage und schließlich eine Solonummer als Antipodistin. Doch das ist längst nicht alles: Auch als versierte Circus-Pressesprecherin hat sie sich einen Namen gemacht – die Frau, die 1972 im Cirque d’Hiver in Paris den ersten Salto ihres Lebens drehte und dafür von Joseph Bouglione senior mit Bonbons belohnt wurde. Maria Eleky im Porträt.


Motive aus der Zeit um 1930: Marias Großvater Géza war ein bekannter Antipodist

Maria Eleky wurde am 14. April 1963 in Budapest geboren – bereits eineinhalb Jahre später kehrte ihre Familie, Artisten allesamt, von einem Auslandsgastspiel nicht mehr zurück ins sozialistische Ungarn. „Das war ein großer Schritt, denn meine Eltern mussten ihre gesamte Existenz aufgeben und alles in Ungarn zurücklassen“. Dort, wo die Familie eine Eigentumswohnung hatte und als staatliche Artisten zwölf Monate im Jahr ein festes Gehalt bekam. Marias Eltern Maria und Jozsef arbeiteten damals in der großen Truppe Eleky, die vier Darbietungen im Repertoire hatte: Hierzu gehörten eine Kombination aus Schleuderbrett und ikarischen Spielen, bei denen also am Scharnier des Schleuderbretts eine Trinka befestigt war. Mit dem Schleuderbrett ließen sich die Akteure in die Höhe katapultieren und dann von Marias Großvater, der auf der Trinka lag, mit den Füßen fangen. Ein Requisit, wie es in jüngerer Vergangenheit bei chinesischen Artisten zu sehen war. „Damit galt die Truppe Eleky als Nummer 1 in Ungarn“, sagt Maria. Nicht minder spektakulär die zweite Disziplin der Truppe. Hier wurde in der Manege ein Karussell aufgebaut, an dem in luftiger Höhe drei Paare synchron Luftakrobatik zeigten, während sich die Apparatur im Kreis drehte. Das Karussell wurde von Marias Großvater mithilfe eines Motorrades bewegt – bei diesem Auftritt nannte man sich „Sieben Hungarias“. Eine Kautschukakrobatik und ein Doppel-Schlappseil vervollständigten das Repertoire der Truppe Eleky, die damit zum Beispiel in der Wiener Stadthalle und beim Bremer Freimarkt-Varieté aufgetreten ist. Maria, die mit bürgerlichem Namen eigentlich Varfi heißt, führt den Truppennamen als ihren Künstlernamen weiter.


Truppe Eleky in den 1960er Jahren: Doppeltes Schlappseil, ikarisches Schleuderbrett, Luftnummer am Karussell

Marias Mutter stammt aus der Artistenfamilie, ihr Vater kam von privat, sein Großvater war Malermeister. Doch der Sohn drängte zum Circus, übte zunächst hobbymäßig mit Artisten im Freibad und kam auf diese Weise zum ungarischen Staatscircus, wo er mit zwei anderen Artisten das Schleuderbrett-Trio Binder gründete. Dieses löste sich auf, als einer der Artisten eine deutsche Frau heiratete und mit dieser weiter als „Binder und Binder“ arbeitete. Maria Vater trat weiter mit dem zweiten Partner auf, bis er seine spätere Frau kennen lernte und in die große Truppe Eleky aufgenommen wurde. Nach dem Verlassen Ungarns fand die Familie eine neue Heimat in Bremen. „Der Direktor der Bremer Stadthalle, Hans Clausen, fand uns nett und hat uns geholfen“, sagt Maria. Acht Jahre lang befand sich das Winterquartier der Truppe Eleky bei der Bremer Stadthalle, wo auch einige andere Artistenfamilien wohnten; Maria ging dort zur Schule. Anschließend zog die Familie in den Stadtteil Huchting und lebte dort bis 1997. Die Truppe Eleky hatte im Westen weiterhin Engagements bei namhaften Unternehmen wie Hagenbeck und Bouglione – im Cirque d’Hiver der Bougliones in Paris war es auch, wo Maria im Winter 1971/72 ihren ersten Salto drehte. „Damals brachte mir der alte Joseph Bouglione immer Bonbons und spornte mich weiter an“, erinnert sich Maria – ebenso unvergessliche Erlebnisse wie der Besuch von Jerry Lewis zu Filmarbeiten im Bouglione-Bau, bei dem sie dann auf dem Schoß saß.


Manegendebüt für Maria Eleky 1972 beim Circus Toni Boltini in Holland: Ikarische Spiele mit Handvoltigen

1972 allerdings löste die Truppe Eleky sich auf – einer von Marias Onkeln war gestorben, ein anderer machte ein Restaurant auf. Marias Familie ging in kleinerer Besetzung zum Circus Toni Boltini nach Holland: Marias Vater und ihr Großvater, ein weiterer Partner, Marias Cousin und Maria selbst zeigten eine Ikarier- und Handvoltigen-Darbietung – das Manegendebüt für Maria mit neun Jahren! Zudem zeigte Marias Vater mit dem Partner eine Schleuderbrettnummer, bis letzterer sich die Achillessehne riss und nicht mehr auftreten konnte. Wie sollte es nun weitergehen?


Maria und ihr Vater

Die Familie pausierte zunächst: Marias Vater setzte aus und studierte gemeinsam mit seiner Tochter eine Duonummer am Schleuderbrett ein. Diese feierte 1974 Premiere. Das erste Engagement mit dem Schleuderbrett führte die Familie zum Circus Ray Miller nach Schweden, einem Unternehmen von Circusfreunden. „Wir haben viel trainiert, und von da an ging es steil bergauf“, erinnert sich Maria an diese „schönste Zeit“ ihrer Artistenkarriere. Gut zehn Jahre lang hatten Vater und Tochter alias Duo Stefanis alljährlich ein Engagement im ehrwürdigen Hansa-Varieté in Hamburg. Hinzu kamen Engagements bei den Circussen Nock (Schweiz), Arnardo (Norwegen), Miranda Orfei (Italien) und Belli (Deutschland), in Casinos an der Cote d’Azur und in Portugal, bei einem Weihnachtscircus in der Ernst-Merck-Halle in Hamburg, im Showprogramm des Sechs-Tage-Rennens, im Holiday-Park in Hassloch/Pfalz, im Urania-Varieté in Berlin und andernorts. „Wir waren wirklich gut im Geschäft."


Die ersten Aufnahmen des neuen Jongleurduos "Maria und Steve Stevens" (1983) - Ansagerin bei Corty Althoff (1989)

Doch dann schlug das Schicksal zu; eine beginnende Parkinson-Erkrankung machte Marias Vater das Arbeiten immer schwerer. Maria und ihr viereinhalb Jahre jüngerer Bruder Steve entschieden sich, eine Duo-Jonglage aufzubauen. Als „echten Glücksfall“ betrachtet es Maria, dass sie die Nummer dann ab 1984, zunächst als Aushilfen, im Circus Corty Althoff zeigen durften. Der Vertrag wurde schließlich bis Ende 1985 verlängert, direkt im Anschluss ging es zum Wintercircus Martin Hanson nach Holland. „Damit konnte sich mein Vater aus der Manege zurückziehen“, schaut Maria zurück. Ab 1986 konnte man Maria und Steve dann einige Jahre lang gemeinsam beim Circus Corty Althoff erleben, wo Maria nun auch erstmals im Büro mitarbeitete. „Alles, was ich in Sachen Circus-Aministration und Pressearbeit kann, habe ich hier gelernt“, ist ihr positives Fazit. Überhaupt sei auch die Zeit bei diesem Unternehmen eine der schönsten in ihrer Laufbahn gewesen: „Es war ja so etwas wie eine feste Stelle.“ Die Jonglagenummer habe sich in dieser Zeit gut weiterentwickelt und wurde auch mehrfach variiert. Unterdessen hatte Steve die Idee, solistisch und auf komisch zu arbeiten. Also baute er sich eine eigene Nummer auf und verließ Ende 1991 den Circus Corty Althoff, um die nächsten zwei Jahre am Berliner Friedrichstadtpalast zu arbeiten. Hier entstand auch die Idee, als Schotte aufzutreten – ein Gag, der schnell zum Erfolg wurde. Heute ist Steve als Schotte ein Publikumsliebling bei „Flic Flac“, womit er nach langer  in Varietés und Parks erstmals wieder im Circus arbeitet.


Moderatorin im Matrosenoutfit

Maria, nach dem Weggang ihres Bruders ohne Manegenpartner, verbrachte die Saison 1992 im Phantasialand Brühl, wo sie eine Show mit Delfinen, Synchronschwimmern und Turmspringern moderierte. „Das war die bestbesuchte Show im Park“, erinnert sie sich. Allerdings fehlte ihr, laut Selbstbeschreibung „einfach ein Circusmensch“, die Manege. Nach den ikarischen Spielen, dem Schleuderbrett und der Duo-Jonglage entschied sie sich abermals für ein neues Genre – Antipoden. „Das war eigentlich nicht so mein Ding, ich fühlte mich mehr als Akrobatin, aber mein Großvater wollte das unbedingt“. Außerdem sei es noch mal eine Herausforderung gewesen, erstmals solo zu arbeiten.

Und wieder Corty Althoff: Hier zeigte Maria 1993 und 1994 erstmals ihre neue Antipodennummer, machte die Ansagen, war im Büro tätig. Auch ihre Mutter reiste noch mal für eine Saison mit. Es folgten Engagements zum Beispiel in Schweden, in Holland, im Varietépalast Speyer. 1998, während einer Saison bei Giovanni Althoff, starb Marias Mutter plötzlich und unerwartet an einem Schlaganfall, ein Jahr später Marias Vater. Da war sie im Safaripark Stukenbrock im Engagement. Immer wieder Althoff: 2000 bei Giovanni, 2001 bei Corty, der nach einer Pause doch noch einmal auf Tournee ging. Es folgte 2002 eine Verpflichtung beim damaligen Circus Paul Busch unter der Direktion Frank („eine tolle Familie“), wo man nach einem Hinweis von Circusfreunden auf Marias Fähigkeiten in der Pressearbeit aufmerksam wurde und sie entsprechend einsetzte. An Paul Busch schlossen sich Galas, noch einmal der Varietépalast Speyer und schließlich der Circus Busch-Roland an.


Auftritt und Finale im Circus Probst

Auch bei Busch-Roland arbeitete Maria sowohl in der Manege als auch im Bürowagen. Hier lernte sie Sascha Melnjak kennen, der dort Tournee und Presse machte. „Er hatte dieses Unternehmen wieder auf Erfolgskurs gebracht, und wir waren ein tolles Team“. Bereits im Winter 2005 unterstützte sie Sascha Melnjak und Uwe Gehrmann beim Heilbronner Weihnachtscircus. Im Frühjahr 2006 kehrte Maria, anders als Sascha Melnjak, noch mal für kurze Zeit zu Busch-Roland zurück. Nachdem sie das Unternehmen verlassen hatte, meldete sich Sascha Melnjak im Sommer bei ihr: Er war dabei, den Zirkus Charles Knie zu übernehmen und bot Maria an, dabei zu sein – in der Manege und im Büro. Von da an arbeitete sie für den neuen Zirkus Charles Knie, handelte Kooperationen für die erste Saison unter Melnjak im Jahr 2007 aus. Sie blieb dort zwei Saisons, geplant waren mehr – doch am Premierentag 2009 verließ sie das Unternehmen. Näher will Maria sich nicht zu den Umständen äußern, aber doch sei sie „froh, dabei gewesen zu sein“. Sie habe in Sachen Pressearbeit noch einmal viel gelernt, „und ich bin froh, dass es diesen Circus gibt und wünsche mir, dass er so erfolgreich bleibt.“ Schließlich sei es besonders wichtig, dass – wie Charles Knie oder ihr späterer Arbeitgeber Probst – möglichst jeder Circus gute und seriöse Arbeit macht, „wenn man etwas für das Niveau des Circus insgesamt tun will“. Maria fuhr nach dem plötzlichen Weggang von Charles Knie zunächst nach Hause, nach Stukenbrock, und half zu Beginn der Saison 2009 Giovanni Althoff, der noch einmal eine Tournee wagte. „Ein reiner Freundschaftsdienst, in Erinnerung an die guten Zeiten“, sagt Maria. Dann folgte das Angebot des Circus Probst. Hier war Maria bis zum Saisonschluss 2009 nun in doppelter Mission unterwegs, in der Manege und im Pressebüro. Dennoch ist es ihr wichtig, vor allem als Artistin wahrgenommen zu werden; die Leistung in der Manege soll das Kriterium sein, wenn sie engagiert wird. Ans Aufhören denkt sie ohnehin noch nicht, auch wenn sie nun erst einmal einige Monate pausieren werde: „Solange ich mich fit und attraktiv fühle, werde ich auch auftreten“, sagt Maria und sieht sich durch viele Komplimente bestätigt, dass sie richtig liegt.

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Text: Markus Moll; Fotos: Archiv Maria Varfi, Tobias Erber, Sven Rindfleisch