CHPITEAU.DE

Veronika Faltyny und Paolo Ernesto
Oder: Wie ein Clown aus Liebe zum Rollschuh-Artisten wurde

Aschaffenburg, 3. April 2009: Sie ist Tschechin, er Italiener. Ihre Familie reist als Jonglier- und Einradtruppe um die Welt; seine Familie ist in der fünften Generation aufs komische Fach spezialisiert. Beide lieben und leben den Circus – Veronika Faltyny (23) und Paolo Ernesto (27) lernten sich 2005 im dänischen Circus Dannebrog kennen, 2007 heirateten sie. Und bald darauf wurde aus dem Clown Paolo auch der Artist Paolo, der erste in der Familie Ernesto. Heute bringt Veronika an den rot-weißen Seidentüchern die Besucher im Circus Carl Busch zum Träumen, Paolo kleine und große Zuschauer zum Lachen – und gemeinsam zeigen beide ihre rasante Seite als „The Skating Ernestos“. Ein sympathisches Paar im chapiteau.de-Porträt.

Veronika Faltyny, Jahrgang 1986, gehört zur 6. Generation einer tschechischen Artistenfamilie. Ihre Eltern und ihr Bruder Emil sind seit dieser Saison beim Zirkus Charles Knie in Deutschland engagiert mit ihren beiden Gruppennummern, der Jonglage und der Fahrradnummer, sowie Emils freistehender Leiter. Es ist das erste Saison-Engagement der Familie in Deutschland. Die Großeltern besaßen noch einen eigenen Circus („Royal“), doch Veronikas Vater und seine Brüder gingen ab Mitte der 1980er Jahre außerhalb der damaligen Tschechoslowakei in Engagements; 1990 waren sie beim Circusfestival in Monte Carlo engagiert und erhielten den Preis der Jury – die damals vierjährige Veronika musste zu Hause bei der Großmutter bleiben. Als Veronika sechs Jahre alt war, trat sie erstmals in der Einradnummer auf (1992 beim holländischen Circus Herman Renz), mit zwölf Jahren in einem Park in Japan zum ersten Mal in der Gruppenjonglage. Ihre Eltern begannen früh mit ihr zu trainieren: Trapez und Hula Hoop, Kontorsion und Pyramiden bauen. „Es war mehr wie ein Spiel, und mit der Zeit kamen immer schwierigere Tricks dazu“, berichtet Veronika beim Interview auf dem Aschaffenburger Volksfestplatz. Sie habe immer Artistin werden wollen.

Es folgten Engagements unter anderem zwei Jahre lang in einem Casino in Las Vegas, in Norwegen und England sowie 2005 bei Dannebrog in Dänemark. Dort waren zu dieser Zeit auch die Bubi-Ernesto-Clowns engagiert. Veronika und Paolo lernten sich kennen. 2006 war Paolo dann in Deutschland beim Circus Carl Busch engagiert, Veronika mit ihrer Familie bei Royal in der Schweiz. So oft es ging, besuchte Paolo Veronika. Während beide anfangs nur italienisch miteinander sprachen, lernt Paolo mittlerweile auch tschechisch, obwohl es ihm schwer fällt. Im Februar 2007 wurde geheiratet – und es folgte die gemeinsame Saison beim Carl Busch. Veronika zeigte ihre schöne Arbeit an rot-weißen Seidentüchern, Paolo war wie immer als Clown zu sehen.

Clowns, das sind die Ernestos bereits in der 5. Generation; Paolos Großvater war in dieser Rolle Teilnehmer des allerersten Internationalen Circusfestivals in Monte Carlo 1974. Paolo wollte immer die Clowns-Tradition fortsetzen und stand mit fünf Jahren das erste Mal in der Manege, beim Circus Benneweis in Dänemark. Zahlreiche Engagements führten die Familie durch viele Länder Europas, Spanien, Italien und Norwegen zum Beispiel, und zu bekannten Unternehmen wie Elfi Althoff-Jacobi, Benneweis und seit 2001 immer wieder Carl Busch. Nun ist er der erste Ernesto, der auch als Artist arbeitet. Spaß macht ihm beides: „Man kann ganz unterschiedliche Facetten von sich zeigen – die Clownnummer ist eher traditionell und sympathisch, die Skates sind cooler“.

 

Als Veronika und Paolo nach einer Idee suchten, womit sie gemeinsam auftreten könnten, kamen sie, wie sie erzählen, unabhängig voneinander auf die Rollschuh-Idee. Beim Sommer-Gastspiel des Circus Carl Busch 2007 in Frankfurt begannen sie zu trainieren, nach der Methode „learning by doing“. „Wir sind oft gestürzt, und es war für mich natürlich auch ein schwieriger Umstieg vom Clown zum Seriösen“, erinnert sich Paolo – zumal beide zuvor noch nie Rollschuh gefahren waren, „nicht einmal als Hobby und geradeaus“. Die Geschwister Nistorov, zur gleichen Zeit bei Carl Busch engagiert und Paolos Cousin bzw. Cousinen, halfen mit kleinen Tipps weiter. Auch im Haus von Veronikas Eltern in Prag wurde geübt, „nachdem wir die Möbel beiseite gerückt hatten“. Bereits beim Reutlinger Weihnachtscircus im Dezember 2007, nach fünf Monaten Rollschuh-Training, traten „The Skating Ernestos“ erstmals in der Manege auf. „Der Direktor, Michael Sperlich, hatte uns trainieren gesehen, und wollte unbedingt, dass wir die Nummer zeigen.“ Für die ersten Auftritte sei die Nummer auch schon okay gewesen. Das Paar ist zufrieden mit der bisherigen Entwicklung, möchte aber noch viel besser werden, sich zusätzliche Tricks erarbeiten: „Wir trainieren morgens eine Stunde und abends noch mal zwei“, berichtet Veronika. „Außerdem arbeiten wir viel mit der Videokamera und lassen uns in jeder 3. Vorstellung von Paolos Mutter filmen, damit wir sehen können, wo wir besser werden können – und einmal im Monat schicken wir ein Video mit unseren Nummern an meine Eltern, die uns ganz detailliert sagen, was gut ist und wo wir etwas anders machen sollen.“ Drei bis vier Jahre Training seien insgesamt notwendig für eine perfekte Nummer, meinen die beiden, die sich im Interview sehr offen, freundlich und sympathisch zeigen. Musik, Choreographie und Kostüme der gemeinsamen Darbietung hat Veronika entwickelt, das beleuchtete Podium ist Paolos Werk.

Für ihre Tücher-Kür – heute eine der schönsten Varianten dieser Disziplin – hatte Veronika sich in Las Vegas zunächst eine Choreographie in „Soleil“-Art machen lassen: „Aber das war zu sehr Cirque du Soleil und nicht ich – deshalb habe ich langsam meine eigene Choreographie entwickelt“. Ähnlich wie ihr Mann schätzt auch Veronika die unterschiedlichen Seiten ihrer Arbeit: „Die Tüchernummer ist eher romantisch, die Rollschuh-Nummer ist voller Power – das ist doch eine sehr gute Kombination“. In ihrer Freizeit surft Veronika gern und viel im Internet: schaut bei Youtube Videos von anderen Artisten, tauscht über Facebook und Co. Nachrichten aus, informiert sich auf verschiedenen Circus-Websites wie chapiteau.de, wer gerade wo arbeitet. Paolo hingegen interessiert sich vor allem für Fußball. Deutschland, sagt er, gefällt ihm besser als seine Heimat Italien – vom ruhigeren Fahrstil auf deutschen Straßen über die bessere medizinische Versorgung bis hin zum deutschen Circus-Publikum, das eines der besten sei.

_________________________________________
Text: Markus Moll; Fotos: Sven Rindfleisch, Skating Ernestos