Carmen Zander,
geboren 1973 in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt), hat in der DDR 15
Meistertitel in der Rhythmischen Sportgymnastik gewonnen. Eine
Verletzung zwang sie, mit dem Hochleistungssport aufzuhören – aber
sie wollte unbedingt auf die Bühne. „Da blieb dann nur die Wahl,
entweder Tänzerin im Friedrichstadtpalast zu werden oder an die
Berliner Artistenschule zu gehen“, erinnert sich Carmen Zander. Fürs
Revuetheater reichte aber ihre Körpergröße nicht. So machte sie also
die Ausbildung zur staatlich geprüften Artistin, erhielt die übliche
Grundausbildung in allen Disziplinen und spezialisierte sich
schließlich auf Jonglage. Mit der Note „sehr gut“ schloss sie 1993
nach vierjähriger Ausbildung ab, bereits zwei Jahre zuvor hatte sie
den „Goldenen Elefanten“ beim 5. Europäischen Circus
Nachwuchs-Festival (dem heutigen „Europan Youth Circus“) in
Wiesbaden gewonnen.
  
Hundeshow mit Barry,
Hula Hoop als "Kätzchen" und klassisch
Die nun staatlich
geprüfte Artistin arbeitete seitdem freiberuflich, zunächst als
Jongleuse, später vor allem mit ihrer Hula Hoop-Show, außerdem am
Trapez und mit Hund „Barry“, bei Galas und in Varietés. Einige Jahre
lang war sie die Assistentin André Sarrasanis bei dessen
Illusionsshow. Besondere Bedeutung sollte aber ihr Engagement im
damaligen Circus Rafaeli der Familie Korittnik haben: Carmen Zander
tanzte während (!) der laufenden Raubtiernummer im Zentralkäfig.
Dort habe sie von Juniorchef Markus Korittnik sehr viel über
Raubkatzen gelernt – und ihre Faszination für die gefährlichen
Schönheiten entdeckt. Ich wusste, dass
es möglich ist, eine fertige Nummer von einem erfahrenen Tiertrainer
zu übernehmen“, sagt Zander. Also bewarb sie sich 2003 bei Dresseur
Marcel Peters, wurde genommen und in Spanien eingewiesen – und
führte dann kurze Zeit im Circus Hermann Renz eine siebenköpfige
Tigergruppe vor, weil die vorherige Präsentatorin Rita Labahn
hochschwanger war. Aufgrund von Streit brach Carmen Zander dieses
Engagement ab, doch bereits im darauf folgenden Jahr, 2004,
unternahm sie einen neuen Anlauf: Sie bewarb sich bei René Strickler,
arbeitete mit ihm in dessen Raubtierzoo, trainierte auch die Gruppe
Pumas. „Aber der Drang, eigene Tiere zu haben, war riesig“. Also
sparte sie, und im November 2005 leistet sie dann bereits die erste
Anzahlung an den Safaripark Stukenbrock (Nordrhein-Westfalen). Vier
Monate später, im März 2006, nahm sie dort ihre Tiere in Empfang:
fünf junge Tiger aus einem Wurf, vier Weibchen und ein Männchen,
gerade viereinhalb Monate alt. In der Zwischenzeit hatte sie in
Leipzig die notwendigen Papiere und die tierschutzrechtliche
Genehmigung nach dem § 11 erworben. „Ich musste eine theoretische
und praktische Prüfung machen, meine Ausbildungsstationen als
Tierlehrerin aufzeigen, die vorgesehenen Käfigwagen und Freigehege
überprüfen lassen“, beschreibt Zander die hohen Hürden. „Und dann
habe ich mich natürlich riesig gefreut, als alles geklappt hatte.“
 
Carmen Zander zog
die Tiere dann mit der Flasche groß – und das sei auch eine
zusätzliche Schwierigkeit. „Die Tiere sehen mich praktisch als ihre
Mutter, deshalb sind sie oft frech und haben keinen Respekt“.
Gleichzeitig aber erwiesen sich die jungen Tiere als sehr
talentiert, waren im Zentralkäfig schnell platzfest – obwohl ihnen
ältere Tiere als Vorbilder fehlen. So präsentierte Carmen Zander
bereits in der Saison 2006 eine Dressurschule im Circus Herkules.
Vor Publikum trainierte sie mit den jungen Raubkatzen zum Auftakt
des Programms. 2007 war sie dann im Circus Carl Busch zu sehen, 2008
zunächst im Münchner Krone-Bau, dann beim italienischen Circus Lidia
Togni und seit September wieder bei Carl Busch. Hier wird man ihre
Darbietung nach der Winterpause auch 2009 wieder bewundern können.
Übrigens gönnt Zander nach einer langen Saison mit vielen Auftritten
ihren Tieren gerne einmal eine mehrwöchige Auftritts-Pause. „Ich
denke, das ist ganz wichtig“.
Viel Arbeit – das hat Carmen Zander selbst
natürlich auch, außer bei Dressur, Vorführung und Tierpflege zum
Beispiel im organisatorischen Bereich.
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Unterstützt wird sie stets von ihrem
23-jährigen Bruder Kai-Michael Breuer. Der gelernte
Kfz-Mechaniker ist vor allem für die technischen Fragen
zuständig. „Es ist einfach toll, das zusammen zu machen. Mein
Bruder ist sehr zuverlässig, und ich kann ihm voll vertrauen –
mit einem normalen Angestellten würde das so nicht
funktionieren“, sagt Carmen Zander. Auch wenn sie Circus als
Show mag und gerne, soweit es die Zeit erlaubt, auch die
Vorstellungen anderer Unternehmen besucht – das Leben hinter
den Kulissen schätzt sie nicht. „Mal fällt der Strom aus, mal
frieren die Wasserschläuche ein, und ich hasse Kälte. Zudem
ist mein Wohnwagen zwar zehn Meter lang, aber ich finde es
trotzdem beengt“. Spaß macht ihr dagegen das Umsetzen in
andere Städte: „Ich fahre leidenschaftlich gerne meine
Zugmaschine“. |
  
Nachdem Carmen
Zander, wie sie sagt, zehn Jahre lang darauf hingearbeitet hat,
Raubtierdresseurin zu werden, ist sie nun stolz auf das Erreichte
und möchte ihre Nummer dennoch noch viel weiter entwickeln, um neue
Effekte bereichern, aber mehr noch nicht verraten. Wie bereits kurz
erwähnt, ist die Arbeit mit Raubtieren nicht ihre erste Erfahrung
als Tierlehrerin: Bereits 1996 hatte sie einen Berner Sennenhund
gekauft und mit ihm eine Nummer einstudiert. „Das war eine tolle
Sache für Varietés“. Leider ist das Tier mittlerweile verstorben,
doch Carmen Zander besitzt mittlerweile einen neuen Hund – und
dieser lebt derzeit mit ihrem hinzugekauften Jungtiger Sandokahn
zusammen. „Ich will schauen, ob das auf Dauer funktioniert und die
beiden vielleicht einmal gemeinsam auftreten können“.
Als Vorbild
bei ihrer Arbeit nennt sie René Strickler, weil dieser stets seine
Tiere in den Vordergrund stelle und nicht sich selbst. Generell legt
sie Wert auf eine sanfte Dressur. „Mit Gewalt geht es sowieso nicht,
das fängt ja schon damit an, dass ich die körperliche Kraft dafür
gar nicht hätte“. Anerkennung wünscht sie sich für die
Gefährlichkeit ihrer Arbeit, zumal sie sich den Tigern hautnah
nähert, ohne Distanzbereich. Dass die Tiere ihr selbst gehören, hat
für Carmen Zander den entscheidenden Vorteil, „dass ich selbst
entscheiden kann, wo ich arbeite – und wenn die optimale Versorge
meiner Tiere bei einem Unternehmen nicht gewährleistet ist, dann
kann ich auch gehen“. Bei Carl Busch freilich fühlt sie sich in
guten Händen. |