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Tom Dieck jr. - Sommerpause auf dem Mundenhof
Die Diecks, Professor Zeeb und ihr Lehrbeispiel für vorbildlichen Umgang mit Raubtieren
www.tom-dieck-jr.de

Freiburg, 9. Juni 2006: Wo sonst Pferde grasen, stehen in diesen Tagen zwei Käfigwagen mit großen Freigehegen davor. Tarnnetze spenden Schatten über Teilen der Freigehege für fünf Löwen und zwei Tiger. Von den Wagen führt ein Lauftunnel zum Zentralkäfig mitten auf der großen, grünen Koppel: Die Raubtiertrainer-Familie Dieck ist auf dem Mundenhof zu Gast, dem Tiergehege der Stadt Freiburg. „Es ist wie Urlaub“, berichten bei strahlendem Sonnenschein die Diecks: Gillian und Tom Dieck sowie Sohn Tom Dieck jr., der seinen Vater 2005 als Star in der Manege abgelöst hat. Ihre Wohnwagen stehen nur wenige Meter von den Gehegen ihrer Tiere entfernt – wer tagtäglich für sieben Großkatzen sorgt, definiert Urlaub anders. Eigentlich reisen die Diecks in der Saison 2005 mit dem Circus Probst (West), aber dieser legt während der Fußball-WM eine Sommerpause ein.

Am Nachmittag öffnen die Diecks die Pforte der Pferdekoppel, und nach und nach strömen immer mehr Besucher des Mundenhofes auf die Wiese, vor den Zentralkäfig. Viele Erwachsene und noch mehr Kinder kommen. Ein weiterer Gast ist schon da: Professor Dr. Klaus Zeeb, Tier-Verhaltensforscher im Unruhestand. Er hat den Aufenthalt der Diecks auf dem Mundenhof vermittelt, er kommentiert die täglichen Vorführungen am Nachmittag. Es ist manches anders als in der Manege: Ohne Musik, im Sonnen- statt im bunten Scheinwerferlicht, in Jeans und Hemd statt im Kostüm tritt Tom Dieck junior in den Zentralkäfig. Während der junge Raubtiertrainer zeigt, was seine Löwen und Tiger bei ihm gelernt haben, spricht Zeeb über die „solide Partnerschaft zwischen Mensch und Tier“.

Der Mensch müsse auf das Tier eingehen, sagt Zeeb, er müsse seine Bedürfnisse kennen. Wie aber könne ein Trainer einem Tier vermitteln, was er von ihm will? „Mit der richtigen Körperhaltung, mit Bewegungen von Armen und Beinen, mit der Stimme – das Tier muss die Zeichen verstehen“. Und er erläutert den Zuschauern bei jeder Geste des Trainers, jeder Bewegung mit Gerte und Peitsche als „verlängertem Arm“, jedem Wort, wie das Zusammenspiel von Mensch und Tier funktioniert. „Es geht ohne Gewalt, wie Sie sehen – nötig ist vielmehr Geduld, gepaart mit Durchsetzungsvermögen.“ Ein Trainer müsse schon durch aufrechte und überzeugende Haltung zeigen: „Der Chef ist auf Trab.“

Dieck junior lässt seine drei männlichen Löwen aufsitzen. „Haben Sie gesehen, wie interessiert die Tiere ihren Lehrer anschauen?“, fragt Zeeb dazu. Und erläutert: „Das kommt daher, weil sie gerne arbeiten.“ Ein Raubtiertrainer müsse daher auch mehr tun, als seinen Tieren Futter und eine tiergerechte Behausung zu bieten: „Es ist wichtig, sich jeden Tag intensiv mit den Tieren zu beschäftigen.“ Im Anschluss an die Dressurshow kann das Publikum bei der Fütterung zusehen und Fragen an die Diecks stellen. Ein Menschenpulk umringt die Tierlehrer-Familie.

Wie alt werden die Tiere? Viel älter als Artgenossen, die in freier Wildbahn leben. Was fressen die großen Katzen? Fünf bis acht Kilo Fleisch pro Tag, dazu regelmäßig einen „Milchshake“ aus Eiern und Milch. Sind die Gehege zu klein? Nein, weil Löwen die meiste Zeit des Tages dösen und in Freiheit nur große Strecken zurücklegen, wenn sie auf Nahrungssuche sind – im Zirkus ist sie nicht notwendig. Die Fragen nehmen kein Ende, aber die Diecks haben auf alle kompetente, überzeugende Antworten parat, argumentieren auch bei kritischem Nachbohren ruhig, sachlich, unaufgeregt. Der Nachmittag ist eine beeindruckende Demonstration dafür, wie harmonisch Mensch und Tier im Zirkus zusammenleben können – und verfehlt seine Wirkung auf das Publikum nicht.

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Text
: Markus Moll; Fotos: Sven Rindfleisch