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Sandro Montez
Klassenlehrer von 45 Vierbeinern

Crailsheim, 11. August 2005: Er zählt 45 Tiere von Pferd bis Nashorn zu „seinen Kindern“ und bezeichnet sich selbst als „tierischen Klassenlehrer“. Die Rede ist von Sandro Montez (bürgerlich Sandro Krämer), Chefdresseur beim Circus Barum. Mittags und abends steht er als gefeierter Tiertrainer im Rampenlicht der Circusmanege. Die eigentliche Arbeit findet aber morgens statt: ab neun Uhr wird für drei Stunden geprobt. Montez’ Motto dabei: „Nur wer Liebe gibt, erhält Liebe zurück“. Denn „mit Gewalt erreicht man gar nichts, höchstens Hass“. Von Nöten sind dagegen gegenseitiges Vertrauen und Zuneigung. Sieht man, wie sich alle seine Schützlinge egal, ob Zebras, Lamas, Kamele, Pferde oder Nashornbulle um ihn scharen, sobald Montez sich ihnen nähert, kann man nur festhalten, dass beides im Übermaß vorhanden ist.

Erst zwei Wochen ist das junge Guanako „Pepe“ beim Circus Barum. Später einmal soll es über Kamele springen. Drei Jahre kann es dauern bis ein Tier „manegenreif“ ist, erklärt Montez. Noch aber bekommt Pepe reichlich Zeit sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Ganz behutsam wird es von zwei Tierpflegern aus dem Stall in die Manege geführt. Dort wartet bereits Sandro Montez und nimmt seinen neuen Schützling in Empfang. Mit lobenden Worten und ausgiebigen Streicheleinheiten führt er das neugierige Tier durch die Manege. „Momentan“, erklärt Montez „geht es nur darum, dem Tier zu vermitteln, dass es keine Angst vor mir oder der Manege haben braucht“. Es geht sozusagen in die erste Klasse für Circustiere. Schon etwas weiter sind die beiden Araber Royal und Silva, die später einmal in die bestehende 12er-Freiheit integriert werden sollen. Noch aber steht das so genannte „Pferde-ABC“ auf dem Plan. Einzeln und an der Longe geführt lernen die Pferde auf Kommando stehen zu bleiben, in Schritt, Trab oder Galopp zu verfallen, sowie rückwärts zu laufen. Das kontinuierliche Wiederholen lobender Worte wie „brav“ oder „good boy“ unterstützt dabei den Lernprozess. Zum Abschluss der fünfzehnminütigen Übungseinheit ruft Montez Royal und Silva zu sich und streichelt die Pferde ganz behutsam mit der Peitsche. Auf diese Weise lernen alle Tiere, die Peitsche als verlängerten Arm des Tierlehrers zu begreifen und sich nicht vor ihr zu fürchten. Leider, bedauert Montez, halte sich das völlig absurde Vorurteil die Peitsche diene zum Schlagen nach wie vor hartnäckig. Auch das Knallen der Peitsche werde oft fehl interpretiert, dient es doch lediglich dazu die Aufmerksamkeit der Tiere auf ihren Tierlehrer zu lenken. Und wirklich: die Barum-Pferde reagieren keinesfalls schreckhaft auf das Knallen der Peitsche, sondern richten ihre Ohren auf, was in der Körpersprache der Pferde gesteigerte Aufmerksamkeit bedeutet. Ganz besonders gut haben es zwei bei Barum geborene Jungkamele. Sie gehen mit ihren Eltern und Verwandten zur Schule.

Was es auch für Montez einfacher macht, schauen sich die Jungtiere doch einiges bei ihren Artgenossen ab, indem sie den routinierten Manegenprofis einfach hinterherlaufen. Zusätzlich werden die beiden Neulinge von zwei Tierpflegern an Longen geführt. „Wie ein Kind das über die Ampel geführt wird, lernt das junge Kamel durch leichten Zug des Pflegers sich um die eigene Achse zu drehen.“ Ganz genauso – mit Hilfe der Longen - werden übrigens auch allen anderen Tieren schwierigere Figuren beigebracht. Andere Tricks studiert man dagegen durch den geschickten Einsatz von Leckerlis ein. So bringt man beispielsweise ein Zebra, Kamel oder Pferd dazu, seinen Kopf über den Rücken eines Artgenossen zu legen, indem es von einem Helfer durch ein „Leckerli“ gelockt wird.

Sandro Montez führt die Artistentradition seiner Familie in der fünften Generation fort. Sein Großvater besaß in der ehemaligen DDR gar einen eigenen Circus. Nach der Flucht aus dem Osten Deutschlands machte sich Sandros Vater, Francesco Montez, auch in West-Deutschland einen Namen als Raubtierdompteur. Daher, so Sandro Montez, rührt wohl auch meine Abneigung gegen Raubkatzen: „In einer Zeit als ich lieber mit den anderen Kinder spielen wollten, musste ich bei den Raubtieren helfen“. Zu Barum kam Sandro durch seine Mutter, als diese 1982 dort mit einer Fakir-Show mit Schlangen ein Engagement antrat. In seiner Freizeit verbrachte Montez viel Zeit damit den Barum-Dresseuren wie Charles Knie bei der Arbeit zuzuschauen. Um seinen Traumberuf „Tierlehrer“ ergreifen zu können absolvierte er schließlich beim Circus Krone eine sechsjährige Ausbildung zum Bereiter. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er noch heute Christel Sembach-Krone zu seinen größten Vorbildern zählt. Trotzdem zog es Montez im Oktober 1995 zurück zu Barum, obwohl er auch lukrative Angebote aus Amerika hatte. Zunächst führte er nur die Exoten, ab 1998 dann auch zusätzlich die Pferde vor. Heute, mit 35 Jahren, ist er nicht nur Chefdresseur in dem Circus, in dem er aufwuchs, sondern hat zudem auch die Position des Stallmeisters inne. Überwacht also den Auf- und Abbau der Stallzelte und Tiergehege und beaufsichtigt die Pflege der Barum-Vierbeiner durch das siebenköpfige Stallpersonal. Natürlich, gibt Montez zu, ist das Ganze ein Knochenjob, aber: „noch immer mein Traumberuf“. Vor allem das ständige Reisen („So lerne ich die Welt kennen“) und den Umgang mit den Tieren will er nicht missen. Darüber hinaus reizt Montez an seinem Beruf auch der pädagogische Effekt. Mit seiner Arbeit will Montez den Menschen die Tiere als intelligente, lernfähige Wesen vorstellen und so Sympathien für sie wecken. Denn „Tiere in Büchern und auf Videos sind einfach keine Alternative für Tiere in ‚echt’“.

Mit Sorge und Unverständnis betrachtet er deshalb auch die Aktionen fanatischer Tierrechtler gegen „Tiere im Circus“. Diese Menschen, so Montez, wollen immer nur das Negative sehen. „Sie wollen gar nicht bemerken, dass sich die Tiere hier bei uns durch gute Haltung, tägliche Beschäftigungsangebote und den engen Kontakt zum Menschen wohl fühlen.“ Natürlich weiß auch Sandro Montez, dass es schwarze Schafe in der Branche gibt und fordert die Betreffenden auf: „Wer sich gute Tierhaltung gemäß der Leitlinien nicht leisten kann, soll’s lassen!“. Es könne aber nicht angehen, deswegen gleich einen ganzen Berufsstand zu diskriminieren. Besonders enttäuscht zeigt sich Montez in diesem Zusammenhang von den Massenmedien, die sich vor den Zug der Tierrechtler spannen lassen und deren Thesen ungeprüft weitergeben. „Dass ich von morgens bis abends für meine Tiere da bin, wird dabei einfach übersehen!“

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Text
und Fotos: Sven Rindfleisch