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Europäisches Kolloquium zur Circuskultur 2005
Faszination Clown oder "Die Seele des Circus ist unsterblich"

Wiesbaden, 29. Oktober 2005: Nach der Begrüßung durch den Kulturdezernenten Wolfgang Herber und seiner Danksagung an die Kooperationspartner des Kolloquiums, die FEDEC (Fédération européenne des écoles de cirque professionelle) und die ECA (European Circus Association) ging es mit Pascal Jacob, Hors les murs (Frankreich), in medias res. Jacob, Dozent an der Universität Paris, führte in seinem Diskurs in die geschichtliche Entwicklung und vielfältige Ausgestaltung jener Figur ein, welche die Seele des Circus darstellt. Im Anschluss an das Einführungsreferat betonte Herber beim Empfang im Festsaal des Rathauses, dass die "konzeptionelle Entwicklung und künstlerische Förderung" des Kulturgutes Circus die Begutachtung von Trends, aber auch die "Reflexion kultureller Arbeit" überhaupt voraussetzen. Dies zu tun, bilde das Kolloquium einen wichtigen Baustein innerhalb des dreiteiligen Konzepts, das neben der theoretischen Beschäftigung das biennale Festival für Nachwuchsartisten, den "European Youth Circus", und das für Schulen offene "Erfahrungsfeld Artistik" in sich vereinigt.

Den ersten Tag des "Europäischen Kolloquiums zur Cicuskultur" beschloss ein kurzweiliger Varieté-Abend mit Kate Nelson & Band in der Wartburg, der von Frederik Malsy moderiert wurde. Neben der Kontorsionistin Tina Nawoitnik versetzte Robert Choinka das Publikum mit seiner equilibristischen Körperkunst in Staunen. Als rebellischer, kleiner Anton, eben Antoschka, unterstrich Ekaterina Moshaewa aus Russland die "Faszination Clown".


Peter Bento

Der zweite Tag des Kolloquiums, an dem sich auch der Schweizer Kabarettist Emil Steinberger beteiligte, befasste sich intensiv mit den unterschiedlichen Ausprägungen des Clowns, seinen inhärenten Kompetenzen sowie den Möglichkeiten zum Erwerb dieser Qualifikationen auf schulischem Wege. Hierbei zeigte sich, dass die Meinungen über "den Clown" durchaus weit auseinander liegen: von der angeborenen Fähigkeit, den Menschen auf humorvolle Art die "Relativität der Dinge vor Augen zu führen", wie es Joop Teuteberg ausdrückte, und die auch der Musikclown Peter Bento vertritt, bis hin zum Standpunkt der Lehrbarkeit, reicht das Spektrum. Eines der Ausbildungszentren, in dem die Disziplinen Akrobatik, Tanz und Stimm- wie Körperarbeit sowie Kommunikation gelehrt werden, ist die Scuola Teatro Dimitri in der Schweiz.

Im Jahr 1975 von dem großen Clown Dimitri gegründet, übernahm Florian Reichert vor acht Jahren die Schule. In seinem Referat machte Reichert deutlich, wie wichtig es ist, "alte Traditionen" stetig zu hinterfragen, um sie "lebendig zu halten und weiter zu entwickeln". Ebenso könne nur durch die Diskussion und die daraus resultierende Weiterentwicklung die Figur des Clowns im kulturellen Umfeld verankert bleiben. Aus der Praxis der staatlich anerkannten Berufsfachschule für Clowns in Mainz berichtete im Anschluss Michael Stuhlmiller. Er erarbeitete ein Curriculum des "Hand- und Herzwerks", das sowohl die artistischen Kompetenzen, als auch die Individualität, die eigene Figur des Clowns, auszuprägen hilft.

Der mit kleinen Einlagen seiner Kunst gewürzte Vortrag von Peter Shub zeigte, dass eben nicht die rote Nase und seine Perücke einen Clown ausmachen, sondern die Persönlichkeit des Clowns. In anschaulicher Weise skizzierte der Star-Komiker den "despektierlichen", "kindlichen" "Kämpfer gegen die Objektwelt". Der Vortrag stellte heraus, dass es zwar möglich ist, vorhandene Fähigkeiten auszubilden. Doch gilt es vor allem, die Persönlichkeit zu entdecken und zu entwickeln. In der anschließenden Diskussion gab es verschiedene Anregungen, jedoch wurde im Grundtenor deutlich: solange es Clowns gibt, die Menschen mit einfachen Mitteln wie Mimik und Gestik zum Lachen bringen, und so lange es Menschen gibt, die sich von einem Clown faszinieren lassen, wird diese Art der Kunst nicht aussterben. Der Clown bzw. der clowneske Artist ist und bleibt unverzichtbar.


Peter Shub

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Text
: Frank Zammert; Fotos: Sven Rindfleisch