Frankfurt, 2. Juni 2005: Beruf
verfehlt, lautet Charles Knie unbedingt
begrüßenswertes Urteil über Dresseure, die mit Gewalt
arbeiten. Damit kompensiere man nur seine eigene
Unfähigkeit und Unkenntnis. Und so arbeitet Knie nur mit
dem Mittel der positiven Verstärkung: Stimmliches Lob
oder Leckerli zeigen dem Tier an, ob es etwas richtig
gemacht. Dementsprechend betrachtet Knie seine
vierbeinigen Schützlinge auch nicht als Mittel zum
Zweck, sondern als Freunde und Partner, denen man mit dem
höchsten Respekt und großer Achtung begegnen muss.
Letzteres erwartet er auch von seinen Tierpflegern.
Deshalb wählt er für die verantwortungsvolle Aufgabe
der Tierpflege auch nur Arbeiter aus, die Spaß am Umgang
mit den Tieren haben. Nach Charles Knies
Selbstverständnis ist es die Aufgabe eines jeden
Dresseurs: Die Tiere den Zuschauern näher zu bringen,
damit Interesse für die Vierbeiner zu wecken und den
Tieren somit zu helfen, dass sich die Menschen für ihren
Schutz einsetzen. Denn: Nur was man kennt, schützt
man.
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Zurzeit arbeitet Knie
mit den Seelöwen Manta und Stephanie. Die beiden Racker
stammen aus dem Krefelder Zoo und sind seid Herbst
letzten Jahres bei Charles Knie. Die Wintermonate,
während der Circus pausiert, verbringen sie dann wieder
in ihrer alten Heimat. Für Knie ist die Arbeit mit den beiden Rackern
Premiere, noch nie vorher beschäftigte er sich mit Seelöwen. Aber auch
hier gilt, so Charles Knie, „Geduld und Einfühlungsvermögen sind das A
und O“. Darüber hinaus besteht die Kunst des Tierlehrers eigentlich nur
darin, dem Tier zu vermitteln, was man von ihm eigentlich will. Bedarf
es für die gezeigten Tricks doch keine körperliche Vorbereitung, ruft
der Tierlehrer doch lediglich auf Kommando natürliche Verhaltensweisen
ab. |
Wie man sich das genau
vorzustellen hat, erklärt Knie am Beispiel der Dressur
von Pferden und Pferdeähnlichen. Zunächst muss jedes
Tier lernen auf Bewegung und Stimme des Trainers zu
reagieren. Es muss Appell sicher sein, also auf Zuruf zum
Tierlehrer kommen. Dieses Dressur-ABC lernen die Pferde
solo an der Lounge. Dieses ABC, besonders die
Appellsicherheit, ermöglicht es später, die Nummer
immer wieder zu variieren: So wird mal dieses, mal jenes
Tier in die Mitte zum Steigen gerufen, während die
anderen drum herum galoppieren. Vor allem die Proben
gestaltet Knie auf diese Weise abwechslungsreich.
Langeweile ist eine Strafe für die Tiere, weiß Knie und
ist sich deshalb sicher, dass die Tiere beschäftigt
werden wollen und sich auf ihren Auftritt in der Manege
freuen. Zu Anfang seiner Karriere wäre es Charles
Knie lieber gewesen als Pferdedresseur groß
herauszukommen. Mittlerweile hat er sich aber damit
angefreundet als Exotenfachmann zu gelten. Mein
Ding ist es dabei richtige Freiheiten
einzustudieren! Und so laufen Zebras und Lamas bei
Charles Knie ähnliche Figuren wie in einer
Pferdefreiheit üblich. Die Lamas, so Knie, waren anfangs
etwas schwierig: Die haben ihren eigenen Kopf.
Deren Aufmerksamkeit zu gewinnen, ist nicht ganz einfach.
Noch nicht mal Leckerlis interessieren sie!.
Nachdem sie es dann aber einmal verstanden hatten, wurde
die Nummer ein Selbstläufer. Pferde sind da anders:
Sie lernen zwar schneller, brauchen aber in der
Show wesentlich mehr Aufmerksamkeit! |
Die Aufmerksamkeit des
Publikums richtet sich vor allem auf Tapir Norbert, wenn
er die Manege betritt, geht ein Raunen durch die
Zuschauer: Oh, was ist das denn für ein Tier? Der
knuddelige Exot mit der Vorliebe für Bananen ist
mittlerweile zum Maskottchen des Circus Charles Knie
avanciert. Ob Arbeiter oder Artisten, alle lieben Norbert
und verwöhnen ihn mit Bananen und Streicheleinheiten.
Dabei wollte Charles Knie eigentlich Zebras aus dem
Dortmunder Zoo, um wieder eine große Zebrafreiheit
aufbauen zu können. Da der Zoo aber zu diesem Zeitpunkt
keine Zebras abzugeben hatte, bot der Zoodirektor als
Ersatz einen Tapir an. Und schwupps hatte der Circus
Charles Knie ein neues Aushängeschild. |
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Charles Knie steht seit
er denken kann mit Tieren in Kontakt. Seine Mutter Eliane
Knie arbeitete im Schweizer Circus Knie mit allen nur
denkbaren Tieren: von Papageien über Pferde bis hin zu
Eisbären. Und Klein Charles war immer bei den Proben
dabei und merkte schon früh, dass er es seiner Mutter
nachmachen wollte. Knie junior fühlte sich einfach wohl
in tierischer Gesellschaft. Folgerichtig
absolvierte er im Circus Knie eine Ausbildung zum
Bereiter und nahm anschließend (1977) ein Engagement
beim Circus Simoneit-Barum an. Dort war er zunächst nur
für die Exoten zuständig und dressiert u.a. den noch
heute in jenem Circus lebenden Nashornbullen Tsavo. Nach
acht Jahren, in dem er ein große Zebra-Freiheit und dann
auch einen 12er-Zug Araber dressierte, suchte er eine
neue Herausforderung und wechselte zum Circus Moira Orfei
nach Italien. Wohin ihm schon der Ruf als
Zebra-Experte vorauseilte und er eine
gemischte Freiheit mit je vier Zebras und Antilopen
einstudierte. Nach
einem vierjährigen Intermezzo beim australischen Silver
Circus der Familie Gasser waren es wieder die Zebras, die
ihn 1991 zurück nach Deutschland brachten. Der Circus
Fliegenpilz suchte händeringend nach einem Tierlehrer,
der die chaotische Zebraherde des Unternehmens fit für
die Manege machte. Vier Jahre lang blieb Knie bei
Fliegenpilz, bevor er im Jahr 1995 den lang gehegten
Traum vom eigenen Zirkus Charles Knie wahr
machte. In diesem Jahr feiert das Unternehmen sein
10jähriges Jubiläum. 50 Mitarbeiter und Artisten reisen
mit dem Circus, der trotz der momentanen schwierigen
Situation finanziell auf sicheren Beinen steht. Dafür
nimmt Charles Knie auch ganz bewusst gewisse Einschnitte
in Kauf: Klar, wir zeigen kein Weltprogramm, das
Licht könnte besser sein und ein Orchester wäre
sicherlich die Krönung, aber, und das zeigten die
Reaktionen nach der Vorstellung, die Zuschauer gehen
zufrieden nach Hause. Und das, so Charles Knie, mache für
ihn guten Zirkus aus. Um was für einen Circus, es sich
dabei handelt, sei völlig egal, Hauptsache: die
Zuschauer verlassen zufrieden das Chapiteau, weil dann
garantiert sei, dass sie auch den nächsten Circus, der
in ihrer Stadt gastiert, besuchen werden. |
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Text
und Fotos:
Sven Rindfleisch
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