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Wiesbaden,
20. November 2003:
„Selbstverständlich macht Sarrasani noch Circus“, kommt es wie aus
der Pistole geschossen. Fehlen da nicht die Tiere? Wieder zögert
André Sarrasani, der nach eigenen Angaben jüngste Circusdirektor
Deutschlands, keine Sekunde: „Circus ist Circus, ob mit oder ohne
Tiere, wichtig ist, dass das Gezeigte gut ist“. Und auch das
Argument Circus ohne Tiere sei doch nur was für Erwachsene lässt er
nicht gelten, da er immer wieder Kinder in seiner Show erlebe, die
von der ersten bis zur letzten Minute fasziniert auf ihrem Stuhl
sitzen bleiben. Fasziniert von der Sarrasani eigenen Mischung aus
Show, Artistik, Comedy und Magie. André Sarrasani ist stolz darauf,
dass sein Circus seinen eigenen Stil gefunden hat. Freimütig
gibt er zu, natürlich ist das aktuelle Sarrasani
Programm schon ziemlich weit vom Konzept des
traditionellen Circus entfernt. |
Er
könne aber nicht verstehen, dass sich viele Circusfans und auch
Circusleute so über Neuerer in der Circusbranche aufregen und diesen
absprächen ein Circus zu sein. Böte
doch gerade die Vielfalt die Chance, dass viele
Unternehmen überlebten. Überhaupt würde in der Branche
zu viel gejammert und übereinander hergezogen. Immer
sind es die anderen, die am Untergang des Circus schuld
sind. Anstatt zum Beispiel über den Cirque de
Soleil zu schimpfen, sollten sich die Unternehmen
doch ein Beispiel an der kanadischen Produktion nehmen.
Schließlich werde ihnen dort seit Jahren vorgemacht, wie
man mit geschicktem Marketing und Innovation Erfolge
feiert. Und auch von den Circusfreunden erwartet er mehr
Einsatz: so könnt er sich die Vergabe eines Gütesiegels
für gute Circusse vorstellen. Im Gespräch betont André
Sarrasani übrigens immer wieder, dass er nichts gegen
den traditionellen Tiercircus einzuwenden habe, es sei
aber einfach nicht mehr sein Ding. Auch habe er nie
gefordert, dass Tiere im Circus verboten werden sollen. Nichts
desto trotz hat er die hessische Initiative zum
Wildtierverbot begrüßt. Da sie eine lange überfällige
Diskussion wieder ins Rollen gebracht habe. Endlich
geraten die Leute, die ihre Tiere schlecht behandeln
unter Druck. Neue Gesetze hält Sarrasani aber für
überflüssig, da die bestehenden Leitlinien ausreichten,
wenn sie endlich konsequent durchgesetzt würden. Andre
Sarrasani hält zwei Tiger. Gemäß der Leitlinien,
erzählt der Circusdirektor, stehen den Tieren im
Winterquartier in einem Wiesbadener Vorort geräumige
Innen- und Außengehege sowie ein Pool zur Verfügung.
Und Auf Tournee habe er immer ein transportables
Außengehege dabei. Für viel wichtiger hält er aber den
sozialen Kontakt zu den Tieren. Die Leute wollen
Vertrauen zwischen Mensch und Tier sehen und keine Tiere,
die verängstigt in der Ecke kauern. Bei aller
Vertrautheit ist sich André aber stets bewusst, dass das
Spiel mit den Tigern kein ungefährliches ist.
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Geboren
am 3. November 1972 in Heidelberg verbrachte André seine
Kindheit auf dem "größten und schönsten
Spielplatz, den man sich wünschen kann" dem
Circus seiner Eltern. Der Kindheit im Sägemehl sollte
keine Jugend im Scheinwerferlicht folgen. André ging
aufs Internat, auf die Odenwaldschule in Ober-Hambach. Er
besitzt einen Gesellenbrief als Schlosser. Auf eine
richtige Ausbildung hatten seine Eltern bestanden.
Zurück im elterlichen Betrieb half Andre überall, wo
Not am Mann war, nur nicht in der Manege. Die Berufung
zum Showstar kam erst später. 1992 wurde André
Technischer Leiter von Sarrasani. Gleichzeitig brachte er
seine Circus-Visionen ins Unternehmen ein: "Arche
Noah - Arche Nova" war die erste Show, die der junge
Sarrasani mitkreierte und produzierte. Da war er gerade
20 Jahre alt. Noch innovativer war die folgende
Produktion Circus der dritten Art, die
allerdings kein so großer Erfolg wurde. Im Rückblick
ist sich André Sarrasani sicher, damals seiner Zeit
voraus gewesen zu sein. Wurde das Konzept laute fetzige
Rockmusik mit traditionellem Circus zu verbinden doch ein
paar Jahre später von Soleil und Flic Flac erfolgreich
übernommen. Sein Faible für Magie entdeckte André 1993 eher zufällig.
Anlässlich einer Geburtstagsfeier seiner Mutter Ingrid führte er ein
paar Tricks vor, was so gut ankam, dass er beschloss mehr daraus zu
machen. Anregungen holte er sich bei zahlreichen Starmagiern vor
allem in den USA.
1995
war es dann soweit Magic Vision“ sein erstes ganz eigenes Programm
ging auf Tournee.
m Nachhinein hält André Sarrasani jenes nicht
wirklich für gelungen. Modernes in Form von Ballett und Choreographie
hätten einfach nicht zu Traditionellem wie zum Beispiel
einer Pferdenummer gepasst. Mittlerweile, ist André
Sarrasani sicher auf einem guten Weg zu sein, noch sei
die Show zwar nicht absolut perfekt, aber sie werde Jahr
für Jahr runder. Außerdem habe sich
Sarrasani in den letzten fünf Jahren zur Marke
entwickelt. Hilfreich ist dabei natürlich gewesen, dass
den Namen 89 Prozent der Deutschen sofort mit klassischem
Circus in Verbindung bringen. Was auf der anderen Seite
aber auch Probleme aufwirft, schließlich will André
Sarrasani ja eigentlich davon weg. Letztlich komme man
aber immer wieder gerne ein bisschen zum traditionellen
Circus zurück, gibt der sympathische Circuschef zu. Ein
Name wie Sarrasani verpflichtet eben. |
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Text: Sven Rindfleisch; Fotos:
Maximilian Zwick und Sarrasani
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