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9. Festival du Cirque de Namur 2013
www.festival-cirque-namur.com - 80 Showfotos

Namur, 27. Oktober 2013: Gleich drei Dreifache gibt es im diesjährigen Programm des „Festival du Cirque de Namur“ zu bestaunen. Und zwar auf dem Trampolin, am fliegenden Trapez und auf dem Russischen Barren. In Summe ergibt das passenderweise die Zahl 9. Womit wir beim Alter dieses Festivals wären. In der Tat organisieren Emmanuel Horwood und sein Team den Artistenwettstreit 2013 zum neunten Mal. Erneut findet er auf der Esplanade de la Citadelle statt, einem wunderschönen Platz hoch über der Stadt, den man über eine verwinkelte Zufahrt erreicht.

Wäre man sich nicht sicher, dass dort oben tatsächlich noch eine recht große Fläche existiert, man würde glatt auf halbem Weg umkehren. Was natürlich extrem schade wäre, denn im modernen Chapiteau mit Schalensitzgradin werden Jahr für Jahr wunderbare Programme gezeigt, bei denen die eigentlichen Nummern im Vordergrund stehen. Auf größere Schnörkel wird verzichtet, die Darbietungen wirken für sich. Bestens unterstützt werden sie vom guten Lichtdesign sowie von den Musikern über dem Artisteneingang. Es ist jenes Quartett, welches während der Saison beim Cirkus Arena für die musikalische Begleitung sorgt. In Namur fand ich ihr Spiel nochmals wirkungsvoller als auf Tournee in Dänemark. Sie sorgen einfach für einen klasse Sound, der so klingt, als wären mehr als nur vier Musiker beteiligt.


Emmanuel Horwood, Mathieu, Vlad Olandar

Produzent Emmanuel Horwood lässt es sich nicht nehmen, sein Publikum persönlich zu begrüßen und durch das Programm zu führen. Dabei wird er des Öfteren von Mathieu sowie seiner blonden Partnerin begleitet. Die beiden singen, tanzen und machen andere Dinge. Jedes Mal muss Horwood ihnen erklären, dass dies hier nicht hingehöre, da man nicht in der Konzerthalle oder dem Theater sei. Erst zum Schluss haben die beiden begriffen, wo sie gelandet sind - nämlich „au cirque“. Mit dieser Erkenntnis leiten sie das Finale ein. Mathieu zeigt zudem verschiedene Reprisen, wie das Musizieren mit Seifenblasen oder Glocken, die von Zuschauern bedient werden. Schön ebenfalls die Einlage nach der Pause, wenn es sich Mathieu in einer riesigen Hängematte, sprich dem Fangnetz für das Flugtrapez, bequem gemacht hat. Sämtliche Tiernummern des Festivals waren während der Saison in Skandinavien engagiert. Vlad Olandar und seine schneeweißen Katzen konnten wir bei Benneweis bewundern. Es ist eine elegante, flott gearbeitete Revue, bei der die Stubentiger aus einem Haus zu ihren Auftritten geholt werden. Nicht nur die Tiere beherrschen Kunststücke, sondern auch Olandar selbst. So etwa, wenn er eine Katze auf dem Einrad mitnimmt oder zwei von ihnen auf der Stirnpeche balanciert. Mit Maximum in Schweden waren Ingo Stiebner und seine beiden Seelöwen unterwegs. Die beiden Tiere haben es faustdick hinter den Ohren und treiben mit ihrem Trainer jede Menge Späße. Die umwerfende Mimik von Stiebner komplettiert die Komödie hervorragend. Ihre vielfältigen Tricks zeigen die beiden Robben gerne auch mal hinter dem Rücken ihres Partners. Adriana Folco und Sohn Amedeo junior schließlich arbeiteten während des Sommers bei Merano in Norwegen. Vorletztes Jahr präsentierten sie in Namur gemeinsam mit (Groß-)Vater Amadeo zwei indische Elefanten, 2012 Adriana einen im Solo. In der aktuellen Show nun führt Adriana sehr charmant ein Duo Inder vor, das sehr flott sein umfangreiches Trickrepertoire vorführt. Insgesamt eine rundum gelungene, sehr sehenswerte Nummer. Amedeo junior präsentiert zudem eine Freiheitsdressur mit vier Dromedaren.


Jana Roberts, Iana Suiarko, Flying Trampoline

Den artistischen Part eröffnet Teufelchen Jana Roberts, nachdem sich im Opening bereits quietschbunte Clowns als Trampolinspringer versucht haben. Roberts entert die Manege im diabolischen Kostüm auf einer großen Glitzerkugel, mit welcher sie im Slalom zwischen brennenden Säulen hindurch balanciert. Ihr eigentliches Requisit sind allerdings die Hula Hoop-Reifen. Diese lässt sie nicht nur auf dem Boden, sondern zusätzlich am Luftring und eben auf der Kugel um verschiedene Körperteile kreisen. In einem großen Netz zieht es Iana Suiarko in Richtung Kuppel. Über der Manege zeigt sie darin eine sinnlich choreografierte Kür mit Tricks wie einem Spagat oder dem Handstand. Kurz darauf bekommt aber auch der weibliche Teil des Publikums einen besonderen Hingucker geboten. Robert Lagroni hat zu seinem wiederholten Engagement in Namur nicht nur eine veränderte Trickfolge, sondern zudem ein neues Requisit mitgebracht. Mit diesem lässt er sich im Handstand vom Manegenboden auf eine Plattform fahren, wo er seine Equilibristik arbeitet. Noch höher hinaus geht es bei seinem Schlusstrick, dem Jonglieren einer Walze auf den Füßen. Dann wird er im Handstand nach oben gefahren. Zwei dämonisch anmutende Männer halten uns vor der Pause mit turbulenten Sprüngen auf dem Trampolin in Atem. „Flying Trampoline“ nennt sich das Duo, welches seine Kapriolen von einem Metallgestell hinter dem eigentlichen Requisit aus startet. Neben artistischem beweisen sie auch darstellerisches Können. Ihre Aufmachung im Stil der Rockband KISS setzen sie in der gesamten Art des Auftritts um.


Duo Guidi, Godfathers, Mambo No. 5

Zu viert stehen die Flying Mendonca auf der Brücke, um mit Hilfe eines Trapezes in die Arme ihres Fängers zu „fliegen“. Das brasilianische Quintett konnten wir für einige Zeit beim Zirkus Charles Knie erleben. Nach wie vor zeigen sie – in veränderter Besetzung – den Dreifachen und die Passage. Wie bei ihrer Solonummer am Netz, wird Iana Suiarko auch bei ihrem zweiten Auftritt effektvoll von einer Sängerin begleitet. Diesen bestreitet sie gemeinsam mit Ehemann Sacha Guidi. Wie schon früher zusammen mit seinem Bruder Yuri, bildet er den Untermann für die ikarischen Spiele, welche er jetzt eben mit seiner Partnerin zeigt. Ein außergewöhnliches Bild für dieses Genre ergibt der Spagat von Iana auf den Füßen ihres Partners. Handvoltigen und Handstandakrobatik über mehrere Etagen in Nadelstreifen sind die Spezialität der Godfathers. Korrekt gekleidet zeigen die vier Ukrainer nach dem Ablegen ihrer Sakkos flotte Artistik in eleganter Choreographie. Zum Titel Mambo No. 5 läuft die Akrobatik der gleichnamigen Formation am Russischen Barren. Dankenswerterweise variiert die Musik jetzt, sodass der bisherige Nerv-Faktor bei dieser Darbietung minimiert wird. So kann man sich jetzt komplett an den furiosen Flugpassagen des Quartetts erfreuen, welche diese mit viel lateinamerikanischer Lebensfreude vollführen. Höhepunkt ist hier der eingangs erwähnte Dreifache.


Finale

Inmitten der Schar der Mitwirkenden verabschiedet Emmanuel Horwood beim Finale sein Publikum, welches begeistert Applaus spendet. Im kommenden Jahr darf er mit seinem Festival von Namur bereits den ersten runden Geburtstag feiern. Wir sind gespannt, was uns zu diesem Jubiläum erwartet. Ganz bestimmt aber wieder eine Show, die 100 Prozent Circus ist. Eine prominente Besetzung versteht sich ebenfalls von selbst.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch