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42. Festival International du Cirque de
Monte Carlo 2018

www.montecarlofestivals.com
84 Fotos Show A ; 130 Fotos Show B ; 11 Preisträgerfotos

Monte Carlo, 18.-28. Januar 2018: Diskussionen nach der Preisvergabe gehören zu einem Festival wie das Salz in die Suppe. Die 42. Auflage des Festivals International du Cirque de Monte-Carlo bildete da keine Ausnahme - ließ es sich doch vortrefflich darüber diskutieren, welcher „Clown“ nun angemessen war und welcher nicht. Schwer nachzuvollziehen war aber die Entscheidung der Jury, Carmen Zander und ihre Tiger ohne einen Clown auf die Heimreise zu schicken – war doch seit dem 33. Festival ausnahmslos jede Raubtiernummer mit einem Clown ausgezeichnet worden.

Es sei bei dieser Gelegenheit an die mehr als umstrittene Auszeichnung von Musa John Selepe im Jahr 2015 erinnert. Unbestritten spielt neben den gezeigten Tricks auch die Präsentation der jeweiligen Nummern eine große Rolle. Wobei diese auch immer vom persönlichen Empfinden abhängig und nicht zuletzt eine Frage des persönlichen Geschmacks ist.


Carmen Zander 

Allerdings zeigte Carmen Zander mit ihren fünf Tigern, darunter ein weißes Exemplar, eine große Vielzahl stets sicherer Tricks, unter anderem mehrere gewaltige Sprünge der Tiere. Umso größer die Verwunderung, als bei der sonntäglichen Bekanntgabe der Preisträger die deutsche Tierlehrerin lediglich mit zwei Sonderpreisen bedacht wurde. Überraschend erhielt sie dann bei der Vergabe der Clowns im Anschluss an die Preisträgergala am Dienstag noch einen zusätzlichen Sonderpreis, eine „Mention Spéciale“ (spezielle Erwähnung) von Prinzessin Stephanie. Wie es zu dieser (spontanen?) zusätzlichen Auszeichnung kam, wurde leider nicht bekannt.

 
Merrylu und Jozsef Richter jun. 

Kommen wir zu den Gewinnern der begehrten „Clowns“, den Oscars der Circuswelt. Wenig überraschend und von vielen erwartet war die Auszeichnung von Merrylu und Jozsef Richter mit dem Goldenen Clown. Neben dem beeindruckenden großen Exotentableau zeigten die beiden noch ein trickreiches, mit viel Temperament präsentiertes Pas-de-deux und wirkten als tragende Säulen in der Jockey-Reiterei mit. Insbesondere wenn die beiden beim großen Exotenkarussell eine wahre Arche Noah mit fünf Elefanten, Kamelen, Pferden, Lamas und Zebras in der Manege präsentierten, ist das ein klares Statement für den Circus mit Tieren. Gleiches gilt für die Präsentation von zwei Giraffen, unter anderem in der "exotischen Post". Das fulminant aufspielende Orchester von Reto Parolari mit Begleitung durch Sängerin Lady Masallah stimmte dazu den John-Miles-Klassiker „Music“ an, der für diese Nummer umgetextet wurde in „Circus was my first love and it will be my last“ – Gänsehautmomente in Monte-Carlo! Auch der Publikumspreis für Merrylu und Jozsef Richter war ein klares Zeichen für den Tiercircus!


Troupe Acrobatique de Shanghai 

Der zweite Goldene Clown ging an die Troupe Acrobatique de Shanghai und ihre Gruppen-Equilibristik – bis zu zehn Akteure, darunter eine Artistin, bauten unterschiedlichste Pyramiden und erinnerten auch an die Schwanensee-Darbietung der Truppe aus Xianjiang im Jahre 2017. Die Artisten aus Shanghai zeigten, teilweise mit denselben Akteuren, noch eine Darbietung am Russischen Barren, wobei die Verletzung eines Truppenmitglieds im Vorfeld des Festivals für eine deutliche Umstellung der Nummer gesorgt hatte.


Duo Ballance, Familie Prosvirnin, Duo Stauberti

Das Duo Ballance hatte das Nachsehen gegenüber der personellen Übermacht aus China und erhielt für seine unglaubliche Hand-auf-Hand-Akrobatik leider nur Silber. Die beiden rumänischen Artisten, Constantin Ciabotaru und Dan Taziauanu, setzen die Grenzen des für möglich gehaltenen außer Kraft, wenn sie in ihrer kräftezehrenden Darbietung Trick an Trick präsentieren, nach sechseinhalb Minuten (!) das erste Mal kurz absetzen, um dann unmittelbar wieder zur nächsten Hebefigur anzusetzen. Ein unbeschreiblicher Kraftakt, der das Publikum begeisterte, die Jury unter dem Vorsitz von Prinzessin Stephanie aber nicht dazu bewog den verdienten Goldenen Clown zu verleihen. Ebenfalls für große Begeisterung sorgte Dimitri Stauberti, als er auf seiner Stirn eine lange Perche balancierte, an deren Ende und in schwindelerregender Höhe seine Nichte Nancy Tricks vollführte. Für diese waghalsige Nummer, die die beiden in einer Vorstellung teilweise auch ohne die sichernde Longe präsentierten, gab es ebenso Silber wie für Sergey Prosvirnin. Der russische Spaßmacher nutzte mit dem Schlagzeug ein für Musical-Clowns eher ungewöhnliches Requisit. Während sein Sohn ihm während seines Spiels nach und nach das komplette Instrument „abbaute“, entwickelte sich ein Stepptanz-Duell mit diesem und zu guter Letzt auch noch mit seinem Enkel. In ihrem zweiten Auftritt zeigten die Prosvirnins noch eine komische Ballett-Szene.


Truppe Vavilov, 2-Zen-O 

Die Jury vergab insgesamt fünf Bronzene Clowns. Die Truppe Vavilov zeigte gleich zwei Versionen ihrer Hand-Voltigen, zum einen als „Men in Black“ nur auf dem Manegenboden und zum anderen unter Einbindung einer schwingenden Plattform, die als Start- oder Landefläche für die zahlreichen Sprünge diente. Aus zwei mach eins dachte sich Jonathan Morin, als er zwei Cyr-Räder zu einem neuen Requisit zusammenfügte und diese sowohl am Boden (als Solo-Nummer) als auch in der Luft, zusammen mit Marie Eve Bissonals als Duo 2-Zen-O, präsentierte. Die innovative Luftdarbietung vereinte anspruchsvolle Tricks und eine ansprechende Präsentation. Sie wurde verdient mit Bronze ausgezeichnet.


Flying Heroes, Michael Ferreri, Truppe aus der Inneren Mongolei 

Aufgrund ihres Unfalls im Circusbau von Gomel mussten die Flying Aliev ihre Teilnahme am Festival absagen. Ersatz wurde mit der Truppe „Flying Heroes“ vom Moskauer Nikulin Circus gefunden. Drei Fänger in unterschiedlichen Ebenen, eine Reckstange und ein Trapez erlaubten die unterschiedlichsten Flugfiguren, Pirouetten und Salti. Als Ausnahmetalent darf Michael Ferreri bezeichnet werden. Mit unglaublicher Sicherheit ließ er bis zu neun Bälle durch die Luft fliegen. Neben dem Bronzenen Clown erhielt er auch den Sonderpreis der Gesellschaft der Circusfreunde e.V. Der fünfte Bronzene ging an die Einrad-Artistinnen der Truppe aus der Inneren Mongolei, die eine Vielzahl von kleinen Schalen mit den Füßen in die Luft katapultierten, um sie auf dem Kopf landen zu lassen.


Nikolai Kuntz, Bingo, Duo Markov

Für das „Rahmenprogramm“ der diesjährigen Vorstellung sorgte eine Abordnung des ukrainischen Circustheaters Bingo. Neben dem großen Eröffnungsbild zum Thema 250 Jahre Circus verkürzten die jungen Artisten auch die ein oder andere Umbaupause und leiteten wie bereits auch schon beim zurückliegenden Weltweihnachtscircus das Finale ein. Ebenfalls von der Truppe Bingo stammen Maryna Tkachenko und Esmira Kuliieva mit ihrer veritablen Kür an den Strapaten. Bingo konnte sich über den Sonderpreis „Mention Speciale du Jury" freuen. Eine überdreht wirkende Gruppe Pudel vom Nikulin Circus präsentierte Yevgeny Komisarenko, der den Sonderpreis der Kinderjury erhielt. Weitere Sonderpreise gingen an Diabolo-Jongleur Chu Chuan-Ho, an Trapezartist Nicolai Kuntz aus Deutschland und an das glücklicherweise Longe-gesicherte Duo Markov an der Hängeperche. Ohne die Sicherung hätte ein Fehlgriff in der Auswahlvorstellung böse Folgen gehabt.


Saulo Sarmiento, Scott und Muriel,  László-Simet-Trio

Sonderpreise gab es auch für László Simet und seine beiden Partnerinnen als The Astronauts auf der Semaphore, die Saly Brothers mit ihrer Bola-Show, Léo & Ursula und ihre Rollschuhnummer auf dem hohen Piedestal, Clown Andrej Jigalov (mit neuem Partner), die folkloristisch angehauchte Seilspringnummer der Truppe Nizhny Tagil, die Comedy-Magier Scott et Muriel, Saulo Sarmiento am fliegenden chinesischen Mast, die trickreiche Schlappseilläuferin Yang Huang und das elegante Akrobatik-Duo Miracle. Neben den artistischen Sonderpreisträgern durfte sich Dr. Alain Frère, dereinst zusammen mit Fürst Rainier Mitbegründer des bekanntesten Circusfestivals der Welt, heute artistischer Berater des Festivals und Circusfreund par excellence, über den Sonderpreis der European Circus Association freuen. Die Circus-, Varieté- und Artistenfreunde der Schweiz zeichneten Prinzessin Stephanie als Wertschätzung und Anerkennung für ihren unermüdlichen Einsatz für den traditionellen Circus mit dem CVA-Sonderpreis aus.

Wünschen wir dem Organisationskomitee auch für die kommenden Auflagen des Circusfestivals von Monte-Carlo bei der Auswahl der Teilnehmer ein solch glückliches Händchen, wie sie es für das diesjährige Festival bewiesen haben - und den zukünftigen Jurys weise Entscheidungen.

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Text und Fotos: Stefan Nolte