Es sei bei dieser Gelegenheit an die
mehr als umstrittene Auszeichnung von Musa John Selepe im
Jahr 2015 erinnert. Unbestritten spielt neben den gezeigten
Tricks auch die Präsentation der jeweiligen Nummern eine
große Rolle. Wobei diese auch immer vom persönlichen
Empfinden abhängig und nicht zuletzt eine Frage des
persönlichen Geschmacks ist.
Carmen Zander
Allerdings zeigte Carmen Zander mit
ihren fünf Tigern, darunter ein weißes Exemplar, eine große
Vielzahl stets sicherer Tricks, unter anderem mehrere
gewaltige Sprünge der Tiere. Umso größer die Verwunderung,
als bei der sonntäglichen Bekanntgabe der Preisträger die
deutsche Tierlehrerin lediglich mit zwei Sonderpreisen
bedacht wurde. Überraschend erhielt sie dann bei der Vergabe
der Clowns im Anschluss an die Preisträgergala am Dienstag
noch einen zusätzlichen Sonderpreis, eine „Mention Spéciale“
(spezielle Erwähnung) von Prinzessin Stephanie. Wie es zu
dieser (spontanen?) zusätzlichen Auszeichnung kam, wurde
leider nicht bekannt.
Merrylu und Jozsef Richter
jun.
Kommen wir zu den Gewinnern der
begehrten „Clowns“, den Oscars der Circuswelt. Wenig
überraschend und von vielen erwartet war die Auszeichnung
von Merrylu und Jozsef Richter mit dem Goldenen Clown. Neben
dem beeindruckenden großen Exotentableau zeigten die beiden
noch ein trickreiches, mit viel Temperament präsentiertes
Pas-de-deux und wirkten als tragende Säulen in der
Jockey-Reiterei mit. Insbesondere wenn die beiden beim
großen Exotenkarussell eine wahre Arche Noah mit fünf
Elefanten, Kamelen, Pferden, Lamas und Zebras in der Manege
präsentierten, ist das ein klares Statement für den Circus
mit Tieren. Gleiches gilt für die Präsentation von zwei
Giraffen, unter anderem in der "exotischen Post". Das fulminant aufspielende Orchester von Reto
Parolari mit Begleitung durch Sängerin Lady Masallah stimmte dazu den John-Miles-Klassiker „Music“ an,
der für diese Nummer umgetextet wurde in „Circus was my
first love and it will be my last“ – Gänsehautmomente in
Monte-Carlo! Auch der Publikumspreis für Merrylu und Jozsef
Richter war ein klares Zeichen für den Tiercircus!
Troupe Acrobatique de
Shanghai
Der zweite Goldene Clown ging an die
Troupe Acrobatique de Shanghai und ihre
Gruppen-Equilibristik – bis zu zehn Akteure, darunter eine
Artistin, bauten unterschiedlichste Pyramiden und erinnerten
auch an die Schwanensee-Darbietung der Truppe aus Xianjiang
im Jahre 2017. Die Artisten aus Shanghai zeigten, teilweise
mit denselben Akteuren, noch eine Darbietung am Russischen
Barren, wobei die Verletzung eines Truppenmitglieds im
Vorfeld des Festivals für eine deutliche Umstellung der
Nummer gesorgt hatte.
Duo Ballance, Familie Prosvirnin,
Duo Stauberti
Das Duo Ballance hatte das Nachsehen
gegenüber der personellen Übermacht aus China und erhielt
für seine unglaubliche Hand-auf-Hand-Akrobatik leider nur
Silber. Die beiden rumänischen Artisten, Constantin
Ciabotaru und Dan Taziauanu, setzen die Grenzen des für
möglich gehaltenen außer Kraft, wenn sie in ihrer
kräftezehrenden Darbietung Trick an Trick präsentieren, nach
sechseinhalb Minuten (!) das erste Mal kurz absetzen, um
dann unmittelbar wieder zur nächsten Hebefigur anzusetzen.
Ein unbeschreiblicher Kraftakt, der das Publikum
begeisterte, die Jury unter dem Vorsitz von Prinzessin
Stephanie aber nicht dazu bewog den verdienten
Goldenen Clown zu verleihen. Ebenfalls für große
Begeisterung sorgte Dimitri Stauberti, als er auf seiner
Stirn eine lange Perche balancierte, an deren Ende und in
schwindelerregender Höhe seine Nichte Nancy Tricks
vollführte. Für diese waghalsige Nummer, die die beiden in
einer Vorstellung teilweise auch ohne die sichernde Longe
präsentierten, gab es ebenso Silber wie für Sergey
Prosvirnin. Der russische Spaßmacher nutzte mit dem
Schlagzeug ein für Musical-Clowns eher ungewöhnliches
Requisit. Während sein Sohn ihm während seines Spiels nach
und nach das komplette Instrument „abbaute“, entwickelte
sich ein Stepptanz-Duell mit diesem und zu guter Letzt auch
noch mit seinem Enkel. In ihrem zweiten Auftritt zeigten die
Prosvirnins noch eine komische Ballett-Szene.
Truppe Vavilov, 2-Zen-O
Die Jury vergab insgesamt fünf Bronzene Clowns.
Die Truppe Vavilov zeigte gleich zwei Versionen ihrer
Hand-Voltigen, zum einen als „Men in Black“ nur auf dem
Manegenboden und zum anderen unter Einbindung einer
schwingenden Plattform, die als Start- oder Landefläche für
die zahlreichen Sprünge diente. Aus zwei mach eins dachte
sich Jonathan Morin, als er zwei Cyr-Räder zu einem neuen
Requisit zusammenfügte und diese sowohl am Boden (als
Solo-Nummer) als auch in der Luft, zusammen mit Marie Eve
Bissonals als Duo 2-Zen-O, präsentierte. Die innovative
Luftdarbietung vereinte anspruchsvolle Tricks und eine
ansprechende Präsentation. Sie wurde verdient mit Bronze
ausgezeichnet.
Flying Heroes, Michael
Ferreri, Truppe aus der Inneren Mongolei
Aufgrund ihres Unfalls im Circusbau
von Gomel mussten die Flying Aliev ihre Teilnahme am
Festival absagen. Ersatz wurde mit der Truppe „Flying Heroes“
vom Moskauer Nikulin Circus gefunden. Drei Fänger in
unterschiedlichen Ebenen, eine Reckstange und ein Trapez
erlaubten die unterschiedlichsten Flugfiguren, Pirouetten
und Salti. Als Ausnahmetalent darf Michael Ferreri
bezeichnet werden. Mit unglaublicher Sicherheit ließ er bis
zu neun Bälle durch die Luft fliegen. Neben dem
Bronzenen Clown erhielt er auch den Sonderpreis der
Gesellschaft der Circusfreunde e.V. Der fünfte Bronzene ging
an die Einrad-Artistinnen der Truppe aus der Inneren
Mongolei, die eine Vielzahl von kleinen Schalen mit den
Füßen in die Luft katapultierten, um sie auf dem Kopf landen
zu lassen.
Nikolai
Kuntz, Bingo, Duo Markov
Für das „Rahmenprogramm“ der
diesjährigen Vorstellung sorgte eine Abordnung des
ukrainischen Circustheaters Bingo. Neben dem großen
Eröffnungsbild zum Thema 250 Jahre Circus verkürzten die
jungen Artisten auch die ein oder andere Umbaupause und
leiteten wie bereits auch schon beim zurückliegenden
Weltweihnachtscircus das Finale ein. Ebenfalls von der
Truppe Bingo stammen Maryna Tkachenko und Esmira Kuliieva
mit ihrer veritablen Kür an den Strapaten.
Bingo konnte sich über den Sonderpreis „Mention Speciale du
Jury" freuen. Eine überdreht wirkende Gruppe Pudel vom
Nikulin Circus präsentierte Yevgeny Komisarenko, der den
Sonderpreis der Kinderjury erhielt. Weitere Sonderpreise
gingen an Diabolo-Jongleur Chu Chuan-Ho, an Trapezartist
Nicolai Kuntz aus Deutschland und an das glücklicherweise Longe-gesicherte Duo Markov an der Hängeperche. Ohne die
Sicherung hätte ein Fehlgriff in der Auswahlvorstellung böse
Folgen gehabt.
Saulo Sarmiento, Scott und
Muriel, László-Simet-Trio
Sonderpreise gab es auch für László
Simet und seine beiden Partnerinnen als The Astronauts auf
der Semaphore, die Saly Brothers mit ihrer Bola-Show, Léo &
Ursula und ihre Rollschuhnummer auf dem hohen Piedestal,
Clown Andrej Jigalov (mit neuem Partner), die folkloristisch
angehauchte Seilspringnummer der Truppe Nizhny Tagil, die
Comedy-Magier Scott et Muriel, Saulo Sarmiento am fliegenden
chinesischen Mast, die trickreiche Schlappseilläuferin Yang
Huang und das elegante Akrobatik-Duo Miracle. Neben den
artistischen Sonderpreisträgern durfte sich Dr. Alain Frère,
dereinst zusammen mit Fürst Rainier Mitbegründer des
bekanntesten Circusfestivals der Welt, heute artistischer
Berater des Festivals und Circusfreund par excellence, über
den Sonderpreis der European Circus Association freuen. Die
Circus-, Varieté- und Artistenfreunde der Schweiz zeichneten
Prinzessin Stephanie als Wertschätzung und
Anerkennung für ihren unermüdlichen Einsatz für den
traditionellen Circus mit dem CVA-Sonderpreis aus.