Spektakuläre Tricks wie der
„berittene“ Sprung eines Löwen sowie der Sprung eines weißen
Tigers über den auf einem Schlappseil liegenden Askold
wechseln sich mit ruhigen Momenten ab. Von größtem Vertrauen
zeugt es, wenn die beiden Tierlehrer den abliegenden Tieren
den Rücken zudrehen und beide ihre „Stöckchen“ ablegen.
Ungläubiges Staunen gar rufen sie hervor, wenn sie zum
Abschluss ihrer Darbietung mit einem angeleinten Tiger die
Manege zwischen Loge und Gradin umrunden.
Zapashny-Brüder
Für die musikalische Begleitung sorgt
die extra mit angereiste Band und verleiht der Nummer noch
das besondere „Tüpfelchen auf dem „i“. Ein Goldener Clown
wäre, nicht nur meiner Meinung nach, mehr als verdient
gewesen. Insbesondere wenn man sich auch die sonstigen
Verdienste der Zapashny-Brüder um den Circus ansieht,
ist diese Jury-Entscheidung unverständlich. Die
darüber hinaus erfolgte Verleihung eines Sonderpreises für
die Entwicklung der Circuskunst in Russland macht diese
Entscheidung umso weniger plausibel.
Erwin Frankello, Marek Jama
Neben den Zapashnys wurden auch die
beiden anderen am Festival vertretenen Tierlehrer mit Silber
ausgezeichnet. Marek Jama präsentierte die Pferde und Exoten
des Zirkus Charles Knie, unterstützt durch das eigene
Ballett und Live-Gesang von Pretty Shangase. Leider hatte
Marek gleich mehrmals Pech mit der Technik: Einmal passten
die Einsätze der Lichtregie nicht, ein anderes Mal dauerte
es eine gefühlte Ewigkeit, bis man das nicht funktionsfähige
Mikrofon von Pretty Shangase ausgetauscht hatte. Erwin
Frankello hatte sich mit seinen beiden Seelöwen Itchy und
Scratchy und den Elefanten Cita und Sandra auf den Weg an
die Cote d'Azur gemacht. Mit einer gehörigen Portion Humor
präsentierte der deutsche Tierlehrer sowohl seine Robben als
auch die Elefanten, letztere in zwei unterschiedlichen
Nummern: zum einen einen Soloelefanten in einer herrlichen
„Picknick-Szene“ zusammen mit Erwins jüngerem Bruder Marlon
und zum anderen die beiden Dickhäuter gemeinsam unter
anderem als Rechenkünster, Fußballer oder Mundharmonika
spielend. Der ihm ebenfalls verliehene Publikumspreis
spiegelt die Begeisterung der Zuschauer wider.
Truppe Acrobatique de
Xianjiang, Chilly & Fly
Neben den drei Tiernummern wurden noch
zwei artistische Darbietungen mit einem Silbernen Clown
ausgezeichnet. Chilly & Fly – Alexandre Lane und Emilie
Fournier –, konnten auch hier mit ihren Handvoltigen am
Fangstuhl mehr als überzeugen. Für ihre Teilnahme am
Festival unterbrachen sie ihr Engagement im aktuellen
Programm im Royal-Palace in Kirwiller und kehren nun als
Clown-Gewinner dorthin zurück. Für die Truppe Acrobatique de
Xianjiang ging es vom Weltweihnachtscircus direkt nach
Monte Carlo. Wie auch schon in Stuttgart zeigten die 19
chinesischen Akrobaten in einer Schwanensee-Inszenierung Gruppen-Equilibristik und in ihrem zweiten Auftritt
Lasso-Akrobatik. Auch wenn solche uniformen,
manegenfüllenden Nummern auf der einen Seite immer noch
beeindruckend sind, lässt sich doch nur schwer eine
Verbindung des Publikums zu den einzelnen Artisten aufbauen.
Truppe Gerling
Für nicht weniger als sechs
Bronze-Preisträger entschied sich die Jury in diesem Jahr.
Zu tragischen Helden des Festivals wurde die Mitglieder der
Truppe Gerling. Sie waren mit dem ehrgeizigen Ziel
angereist, erstmalig eine Neun-Mann-Pyramide in vier Ebenen
auf dem Hochseil zu zeigen, wozu es allerdings nicht kam.
Bei ihrem ersten Auftritt, am Donnerstagabend, präsentierten
sie eine Acht-Personen-Pyramide (untere Ebene vier Artisten,
in der nächsten Ebene zwei und darauf dann ein
Zwei-Mann-Hoch). Bei der am Sonntagmorgen stattfindenden
„Kurzvorstellung“ kam beim Aufbau der Achter-Pyramide einer
der Seilläufer ins Straucheln und brachte die Pyramide zum
Einsturz. Während sich einige Artisten am Hochseil
festhalten konnten, stürzten die anderen in die Tiefe. Wie
zu hören war, hatten sie es einer Entscheidung der
Festivalverantwortlichen zu verdanken, dass unter dem
Hochseil mehrere Matten platziert worden waren. So kam es
als Folge des Absturzes „nur“ zu einem Handgelenksbruch beim
Truppenchef Douglas David Gerling. Zwar mussten die
Kolumbianer auf ihren Auftritt am Sonntagnachmittag
verzichten, stiegen dann bei der Preisträgergala jedoch
wieder mit einem verkürzten Programm aufs Hochseil. Neben
der Hochseil-Darbietung zeigten die Gerlings auch noch ein
doppeltes Riesenrad, bei dem insbesondere die Passagen in
Erinnerung bleiben, bei denen acht Artisten gleichzeitig auf
bzw. in den Rädern laufen.
Sons Company, Mario Berousek, Truppe Skokov
Zu Stürzen, glücklicherweise nicht mit
solchen Folgen wie bei der Truppe Gerling, kam es auch bei
den Auftritten der Truppe Skokov. Sicherlich ist es
beeindruckend, den acht Artistinnen zuzusehen, wenn sie sich
bei der Doppelten Russischen Schaukel bis hin zum dreifachen
Salto hinauf katapultieren – missglückte Landungen dürften
jedoch ein eindeutiges Indiz dafür sein, dass einem Genre
irgendwann natürliche Grenzen gesetzt sind, die man
vernünftigerweise nicht überschreiten sollte. Aberwitzige
Sprünge von der Koreanischen Wippe zeigten die beiden
Schweden Anton Graff und Elnar Kling Odencrants als Sons
Company. "Altmeister" Mario Berousek, mehrfacher
Weltrekordhalter im Hochgeschwindigkeits-Jonglieren, zog
auch im Grand Chapiteau von Monte Carlo im Handumdrehen das
Publikum in seinen Bann und brachte es zu wahren
Begeisterungsstürmen.
Alexander Batuev, Holmikers, Truppe
Trushin
Für ungläubiges Staunen sorgte
Alexander Batuev, Schützling von Alexander Grimailo, bei dem
der Ausdruck Schlangenmensch mehr als zutrifft. Der junge
Russe verrenkt sich in ungeahnter Art und Weise und
„verschwindet“ zu guter Letzt noch in einer kleinen
Metallbox. Die Frage, ob eine Amateurgruppe wie die
Holmikers mit ihrem Comdey-Akrobatik-Act am Barren beim
bekanntesten Circusfestival auftreten sollte, erübrigt sich,
wenn man die Publikumsreaktionen sieht: selbst zu
nachtschlafender Zeit, nach Mitternacht, konnten die
Schweizer das Publikum mitreißen und für Stimmung im Zelt
sorgen, das sich ob der Uhrzeit schon merklich geleert
hatte. Meiner Meinung nach vollkommen zu recht
komplettierten sie die Gruppe der Bronze-Preisträger.
Genauso wie die Holmikers hatte sich auch die Truppe Trushin
vom Großen Moskauer Staatscircus (Direktion Gebrüder
Zapashny) das Horror-Thema für ihre Choreographie
ausgesucht. Umrahmt vom Ballett des Bolshoi Circus, das auch
für Opening und Finale der Vorstellungen verantwortlich war,
zeigten die Schleuderbrettartisten eine Vielzahl von
Sprüngen, unter anderem in den hohen Stuhl und zum
Vier-Mann-Hoch ohne Stange. Höhepunkt ist der vierfache
Salto auf der Monostelze, eine bislang einmalige Leistung.
Der Goldene Clown krönte diese Darbietung.
Otto Wessely, Duo Sky Angels
Das Prädikat „einmalig“ trifft auch
ohne Frage auf das Duo Sky Angels zu. Atemberaubend zu
sehen, wie Kristina Vorobeva und Rustem Osamanov aus
Usbekistan bei ihrer Strapatennummer in den
unterschiedlichsten Figuren im echten (!) Zahnhang gen
Circuskuppel fliegen – sie scheinen die Grenzen des
menschlich Möglichen spielerisch außer Kraft zu setzen.
Allein ihre Bandmusik von Queen mochte nicht so recht
passen; aber vollkommen zu Recht konnten die beiden sich
über den zweiten Goldenen Clown beim diesjährigen Festival
freuen. Neben den zahlreichen Sonderpreisen verlieh die Jury
auch zwei besondere Auszeichnungen (Mention speciale du
Jury). Für seine Karriere wurde Otto Wessely, das „enfant
terrible of magic“, ausgezeichnet – auch in Monte-Carlo
schieden sich die Geister an seiner „Chaos-Zauberei“. Alex
Michael war vor sieben Jahren als Flieger der Trapeznummer
Flying Michaels Gewinner des Silbernen Clowns. Nun zeigte er
die Nummer, mit der sein Vater vor 20 Jahren debütierte. Dem
Deckenlauf (einmal mit den Händen, einmal Kopf nach unten)
hoch unter der Circuskuppel folgt jeweils der Sprung von
einem zum anderen Trapez – beim zweiten Sprung fängt er sich
mit den Füßen. Hier sei aber auch die Frage erlaubt, ob es
der Nervenkitzel wirklich wert ist, diese Nummer ohne
jegliche Sicherung zu präsentieren. Ein Sicherheitsnetz
würde der artistischen Leistung keinerlei Abbruch tun. Der
Sonderpreis für die jüngsten Teilnehmer ging an die drei
kleinen Mädchen aus Izhevsk, die mit ihrer lustigen
Akrobatik alle Vorstellungen eröffneten.
Olimpos Brothers, David und Richard Wolf,
Hand 2 Stand
Seit vielen Jahren verleiht die
Gesellschaft der Circusfreunde e.V. auf dem bekanntesten
Circusfestival der Welt einen der begehrten Sonderpreise.
Die Wahl fiel heuer auf die Brüder David und Richard Wolf,
die sowohl bei ihrer Kaskadeurnummer als auch am Trapez
neben komödiantischem Talent viel artistisches Können
zeigen. Die Schweizer Circusfreunde CVA konnten ihren
Sonderpreis dem großartigen Kapellmeister Reto Parolari
verleihen, der auch dieses Jahr mit seinem fulminant
aufspielenden Orchester für den guten Tom sorgte – sofern
sich die Artisten nicht bedauerlicherweise „vom Band“
begleiten ließen. Zu den weiteren Sonderpreisträgern zählten
der Brasilianer Gustavo Sartori mit seiner Akrobatik an
Tüchern, das Duo „Hand 2 Stand“ mit schöner (doppelter)
Handstandequilibristik, die Schlangenfrau Rich Metiku, die
leider im Vergleich mit Alexander Batauev „den Kürzeren
zog“, die u.a. von Arlette Gruss bekannten Clowns Tom &
Pepe, die es im großen Chapiteau sichtlich schwer hatten,
das Publikum zu erreichen, das Duo Emotion am Trapez, die
Olimpos Brothers mit ihrer kraftraubenden Partnerakrobatik
mit ausgefallenen und neuen Figuren sowie die Bayramukov
Truppe auf dem Fasttrack. Dank der Vielzahl der
Clown-Trophäen und der zahlreichen Sonderpreise musste somit
keiner der Teilnehmer die Heimreise ohne (mindestens einen)
Preis antreten.