CHPITEAU.DE

41. Festival International du Cirque de
Monte Carlo 2017

www.montecarlofestivals.com ; 106 Fotos Show A ; 110 Fotos Show B

Monte Carlo, 19.-29. Januar 2017: Merklich leise wurde es, als Prinzessin Stéphanie während des Gala-Dinners im Fairmont-Hotel für die Zapashny-Brüder den Gewinn (nur) eines Silbernen Clowns bekannt gab. Nicht nur für Askold und Edgard war diese Entscheidung der Jury schwer nachzuvollziehen. Begeisterten sie doch in den vier Auswahlvorstellungen des 41. Internationalen Circusfestivals von Monte Carlo mit ihrer trickreichen und souverän vorgeführten Raubtiernummer das Publikum und konnten sich in jeder Show über Standing Ovations freuen.

Spektakuläre Tricks wie der „berittene“ Sprung eines Löwen sowie der Sprung eines weißen Tigers über den auf einem Schlappseil liegenden Askold wechseln sich mit ruhigen Momenten ab. Von größtem Vertrauen zeugt es, wenn die beiden Tierlehrer den abliegenden Tieren den Rücken zudrehen und beide ihre „Stöckchen“ ablegen. Ungläubiges Staunen gar rufen sie hervor, wenn sie zum Abschluss ihrer Darbietung mit einem angeleinten Tiger die Manege zwischen Loge und Gradin umrunden.


Zapashny-Brüder
 

Für die musikalische Begleitung sorgt die extra mit angereiste Band und verleiht der Nummer noch das besondere „Tüpfelchen auf dem „i“. Ein Goldener Clown wäre, nicht nur meiner Meinung nach, mehr als verdient gewesen. Insbesondere wenn man sich auch die sonstigen Verdienste der Zapashny-Brüder um den Circus ansieht, ist diese Jury-Entscheidung unverständlich. Die darüber hinaus erfolgte Verleihung eines Sonderpreises für die Entwicklung der Circuskunst in Russland macht diese Entscheidung umso weniger plausibel.

 
Erwin Frankello, Marek Jama 

Neben den Zapashnys wurden auch die beiden anderen am Festival vertretenen Tierlehrer mit Silber ausgezeichnet. Marek Jama präsentierte die Pferde und Exoten des Zirkus Charles Knie, unterstützt durch das eigene Ballett und Live-Gesang von Pretty Shangase. Leider hatte Marek gleich mehrmals Pech mit der Technik: Einmal passten die Einsätze der Lichtregie nicht, ein anderes Mal dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis man das nicht funktionsfähige Mikrofon von Pretty Shangase ausgetauscht hatte. Erwin Frankello hatte sich mit seinen beiden Seelöwen Itchy und Scratchy und den Elefanten Cita und Sandra auf den Weg an die Cote d'Azur gemacht. Mit einer gehörigen Portion Humor präsentierte der deutsche Tierlehrer sowohl seine Robben als auch die Elefanten, letztere in zwei unterschiedlichen Nummern: zum einen einen Soloelefanten in einer herrlichen „Picknick-Szene“ zusammen mit Erwins jüngerem Bruder Marlon und zum anderen die beiden Dickhäuter gemeinsam unter anderem als Rechenkünster, Fußballer oder Mundharmonika spielend. Der ihm ebenfalls verliehene Publikumspreis spiegelt die Begeisterung der Zuschauer wider.


Truppe Acrobatique de Xianjiang, Chilly & Fly 

Neben den drei Tiernummern wurden noch zwei artistische Darbietungen mit einem Silbernen Clown ausgezeichnet. Chilly & Fly – Alexandre Lane und Emilie Fournier –, konnten auch hier mit ihren Handvoltigen am Fangstuhl mehr als überzeugen. Für ihre Teilnahme am Festival unterbrachen sie ihr Engagement im aktuellen Programm im Royal-Palace in Kirwiller und kehren nun als Clown-Gewinner dorthin zurück. Für die Truppe Acrobatique de Xianjiang ging es vom Weltweihnachtscircus direkt nach Monte Carlo. Wie auch schon in Stuttgart zeigten die 19 chinesischen Akrobaten in einer Schwanensee-Inszenierung Gruppen-Equilibristik und in ihrem zweiten Auftritt Lasso-Akrobatik. Auch wenn solche uniformen, manegenfüllenden Nummern auf der einen Seite immer noch beeindruckend sind, lässt sich doch nur schwer eine Verbindung des Publikums zu den einzelnen Artisten aufbauen.


Truppe Gerling 

Für nicht weniger als sechs Bronze-Preisträger entschied sich die Jury in diesem Jahr. Zu tragischen Helden des Festivals wurde die Mitglieder der Truppe Gerling. Sie waren mit dem ehrgeizigen Ziel angereist, erstmalig eine Neun-Mann-Pyramide in vier Ebenen auf dem Hochseil zu zeigen, wozu es allerdings nicht kam. Bei ihrem ersten Auftritt, am Donnerstagabend, präsentierten sie eine Acht-Personen-Pyramide (untere Ebene vier Artisten, in der nächsten Ebene zwei und darauf dann ein Zwei-Mann-Hoch). Bei der am Sonntagmorgen stattfindenden „Kurzvorstellung“ kam beim Aufbau der Achter-Pyramide einer der Seilläufer ins Straucheln und brachte die Pyramide zum Einsturz. Während sich einige Artisten am Hochseil festhalten konnten, stürzten die anderen in die Tiefe. Wie zu hören war, hatten sie es einer Entscheidung der Festivalverantwortlichen zu verdanken, dass unter dem Hochseil mehrere Matten platziert worden waren. So kam es als Folge des Absturzes „nur“ zu einem Handgelenksbruch beim Truppenchef Douglas David Gerling. Zwar mussten die Kolumbianer auf ihren Auftritt am Sonntagnachmittag verzichten, stiegen dann bei der Preisträgergala jedoch wieder mit einem verkürzten Programm aufs Hochseil. Neben der Hochseil-Darbietung zeigten die Gerlings auch noch ein doppeltes Riesenrad, bei dem insbesondere die Passagen in Erinnerung bleiben, bei denen acht Artisten gleichzeitig auf bzw. in den Rädern laufen.


Sons Company, Mario Berousek, Truppe Skokov
 

Zu Stürzen, glücklicherweise nicht mit solchen Folgen wie bei der Truppe Gerling, kam es auch bei den Auftritten der Truppe Skokov. Sicherlich ist es beeindruckend, den acht Artistinnen zuzusehen, wenn sie sich bei der Doppelten Russischen Schaukel bis hin zum dreifachen Salto hinauf katapultieren – missglückte Landungen dürften jedoch ein eindeutiges Indiz dafür sein, dass einem Genre irgendwann natürliche Grenzen gesetzt sind, die man vernünftigerweise nicht überschreiten sollte. Aberwitzige Sprünge von der Koreanischen Wippe zeigten die beiden Schweden Anton Graff und Elnar Kling Odencrants als Sons Company. "Altmeister" Mario Berousek, mehrfacher Weltrekordhalter im Hochgeschwindigkeits-Jonglieren, zog auch im Grand Chapiteau von Monte Carlo im Handumdrehen das Publikum in seinen Bann und brachte es zu wahren Begeisterungsstürmen.


Alexander Batuev, Holmikers, Truppe Trushin
 

Für ungläubiges Staunen sorgte Alexander Batuev, Schützling von Alexander Grimailo, bei dem der Ausdruck Schlangenmensch mehr als zutrifft. Der junge Russe verrenkt sich in ungeahnter Art und Weise und „verschwindet“ zu guter Letzt noch in einer kleinen Metallbox. Die Frage, ob eine Amateurgruppe wie die Holmikers mit ihrem Comdey-Akrobatik-Act am Barren beim bekanntesten Circusfestival auftreten sollte, erübrigt sich, wenn man die Publikumsreaktionen sieht: selbst zu nachtschlafender Zeit, nach Mitternacht, konnten die Schweizer das Publikum mitreißen und für Stimmung im Zelt sorgen, das sich ob der Uhrzeit schon merklich geleert hatte. Meiner Meinung nach vollkommen zu recht komplettierten sie die Gruppe der Bronze-Preisträger. Genauso wie die Holmikers hatte sich auch die Truppe Trushin vom Großen Moskauer Staatscircus (Direktion Gebrüder Zapashny) das Horror-Thema für ihre Choreographie ausgesucht. Umrahmt vom Ballett des Bolshoi Circus, das auch für Opening und Finale der Vorstellungen verantwortlich war, zeigten die Schleuderbrettartisten eine Vielzahl von Sprüngen, unter anderem in den hohen Stuhl und zum Vier-Mann-Hoch ohne Stange. Höhepunkt ist der vierfache Salto auf der Monostelze, eine bislang einmalige Leistung. Der Goldene Clown krönte diese Darbietung.

 
Otto Wessely, Duo Sky Angels

Das Prädikat „einmalig“ trifft auch ohne Frage auf das Duo Sky Angels zu. Atemberaubend zu sehen, wie Kristina Vorobeva und Rustem Osamanov aus Usbekistan bei ihrer Strapatennummer in den unterschiedlichsten Figuren im echten (!) Zahnhang gen Circuskuppel fliegen – sie scheinen die Grenzen des menschlich Möglichen spielerisch außer Kraft zu setzen. Allein ihre Bandmusik von Queen mochte nicht so recht passen; aber vollkommen zu Recht konnten die beiden sich über den zweiten Goldenen Clown beim diesjährigen Festival freuen. Neben den zahlreichen Sonderpreisen verlieh die Jury auch zwei besondere Auszeichnungen (Mention speciale du Jury). Für seine Karriere wurde Otto Wessely, das „enfant terrible of magic“, ausgezeichnet – auch in Monte-Carlo schieden sich die Geister an seiner „Chaos-Zauberei“. Alex Michael war vor sieben Jahren als Flieger der Trapeznummer Flying Michaels Gewinner des Silbernen Clowns. Nun zeigte er die Nummer, mit der sein Vater vor 20 Jahren debütierte. Dem Deckenlauf (einmal mit den Händen, einmal Kopf nach unten) hoch unter der Circuskuppel folgt jeweils der Sprung von einem zum anderen Trapez – beim zweiten Sprung fängt er sich mit den Füßen. Hier sei aber auch die Frage erlaubt, ob es der Nervenkitzel wirklich wert ist, diese Nummer ohne jegliche Sicherung zu präsentieren. Ein Sicherheitsnetz würde der artistischen Leistung keinerlei Abbruch tun. Der Sonderpreis für die jüngsten Teilnehmer ging an die drei kleinen Mädchen aus Izhevsk, die mit ihrer lustigen Akrobatik alle Vorstellungen eröffneten.


Olimpos Brothers, David und Richard Wolf, Hand 2 Stand

Seit vielen Jahren verleiht die Gesellschaft der Circusfreunde e.V. auf dem bekanntesten Circusfestival der Welt einen der begehrten Sonderpreise. Die Wahl fiel heuer auf die Brüder David und Richard Wolf, die sowohl bei ihrer Kaskadeurnummer als auch am Trapez neben komödiantischem Talent viel artistisches Können zeigen. Die Schweizer Circusfreunde CVA konnten ihren Sonderpreis dem großartigen Kapellmeister Reto Parolari verleihen, der auch dieses Jahr mit seinem fulminant aufspielenden Orchester für den guten Tom sorgte – sofern sich die Artisten nicht bedauerlicherweise „vom Band“ begleiten ließen. Zu den weiteren Sonderpreisträgern zählten der Brasilianer Gustavo Sartori mit seiner Akrobatik an Tüchern, das Duo „Hand 2 Stand“ mit schöner (doppelter) Handstandequilibristik, die Schlangenfrau Rich Metiku, die leider im Vergleich mit Alexander Batauev „den Kürzeren zog“, die u.a. von Arlette Gruss bekannten Clowns Tom & Pepe, die es im großen Chapiteau sichtlich schwer hatten, das Publikum zu erreichen, das Duo Emotion am Trapez, die Olimpos Brothers mit ihrer kraftraubenden Partnerakrobatik mit ausgefallenen und neuen Figuren sowie die Bayramukov Truppe auf dem Fasttrack. Dank der Vielzahl der Clown-Trophäen und der zahlreichen Sonderpreise musste somit keiner der Teilnehmer die Heimreise ohne (mindestens einen) Preis antreten.

Was bleibt als Resümee? Noch immer ist das Festival International du Cirque de Monte Carlo das bekannteste Circusfestival der Welt, die Mutter aller Circusfestivals. Auch wenn es mittlerweile nicht mehr wie zu Zeiten von Rainier III Usus ist, dass der Fürst allen Vorstellungen beiwohnt, war Fürst Albert zumindest bei der Eröffnungsvorstellung und der Preisträgergala zugegen – anderweitige Termine standen weiteren Festivalbesuchen im Wege. Es stellt sich aber auch dieses Jahr wieder die Frage, ob eine inflationäre Vergabe der „Clowns“ (insgesamt 13 Stück) dem Sinn des Festivals gerecht wird. Vielleicht sollte hier ein Umdenken stattfinden – ebenso im Hinblick auf die „Risikofreude“ einiger Nummern – Nervenkitzel ja, aber nicht um jeden Preis.

________________________________________________________________________
Text und Fotos: Stefan Nolte