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39. Festival International du Cirque
de Monte Carlo 2015
www.montecarlofestivals.com ; 182 Showfotos

Monte Carlo, 15. bis 25. Januar 2015: Überschattet wurde das 39. Circusfestival von Monte Carlo vom Tod des 24-jährigen Kevin Ferrari. Der Motorradspringer der Truppe Flic Flac Moto X landete in der Probe nach einem Rückwärtssalto so unglücklich auf der Rampe, dass er stürzte und sich hierbei tödliche Verletzungen zuzog. Die Motorradspringer-Truppe sagte daraufhin ihre Teilnahme ab und trat die Heimreise an. Nach einer Gedenkminute zu Beginn der Premierenvorstellung nahm das Festival seinen geplanten Verlauf - the show must go on. Allerdings wurde während des Circusgottesdienstes noch einmal Kevin Ferrari gedacht.

Dabei wurde ihm ein letzter lang anhaltender Applaus gespendet, den er in Monte-Carlo nicht mehr erleben durfte – von der Fürstenfamilie nahm jedoch leider niemand am Gottesdienst teil. Die diesjährige Ausgabe wird als das Festival mit den meisten verliehenen Clowns in die Circusgeschichtsbücher eingehen; nicht weniger als 14 der begehrten Trophäen wurden vergeben.


Duo & Truppe aus Pyongyang

Den Reigen der Gold-Gewinner eröffnete die Truppe aus Pyongyang, die für zwei Nummern gleichzeitig mit der höchsten Auszeichnung des Festivals bedacht wurde. Die Sprünge der Fliegenden Menschen (bis hin zum vierfachen Salto über eine Distanz von 14 Metern) aus Pyongyang von bzw. zu insgesamt vier Fängern auf zwei Ebenen (zwei davon an Schaukeln) sind schier unglaublich. Es ist schön zu sehen, dass mittlerweile auch die nordkoreanischen Artisten Emotionen zeigen (dürfen). Leider werden aber die absolut unpassende Bandmusik, die während der Nummer dahinplätschert, und die bloße Aneinanderreihung der diversen Sprünge der Leistung der Artisten nicht gerecht. Hier wünscht man sich sehnlichst einen engagierten Choreografen, der aus der reinen Leistungsschau ein schönes Luftschauspiel werden lässt. Unvorstellbar ist wahrscheinlich das treffendste Adjektiv, um die Leistung der Artistin des Pas De Deux aus Pyongyang zu beschreiben: auf einem kurzen Mundstock balancierte sie während der kompletten Nummer einen Stab, an dessen Spitze sich ein Tablett mit einer Gläserpyramide befand. Nach einem Spitzentanz – auch auf den Schultern ihres Partners – geht es am Trapez hoch unter die Circuskuppel. Wenn Sie dann von ihrem Partner am weit schwingenden Trapez gehalten zusätzlich zu der Balance noch einen Reifen um das Bein rotieren lässt und gleichzeitig auch noch mit vier Bällen jongliert, sind die Grenzen des Vorstellbaren erreicht.


Fumagalli & Daris,
Concerto Black & White, Anastasia Fedotova-Stykan

Der zweite Goldene Clown ging an die Truppe Nationale Acrobatique de Chine für ihre faszinierende Equilibristik-Nummer „Concerto Black & White“. Einer Waldfee gleich in ihrer Erscheinung ritt Anastasia Fedotova-Stykan auf einem ungesattelten Friesenhengst, bei dem das Zaumzeug lediglich aus einer um den Hals des Pferdes gelegten Schlaufe besteht, zunächst Lektionen der Hohen Schule. Nachdem sich ein Schimmel dazugesellte, zeigte die junge Russin eine Freiheit mit den beiden Hengsten, bei der sie die Pferde mehr oder weniger nur mit Gesten lenkte. Last but not least ging Gold an Fumagalli. Wie zuvor schon David Larible und Bello Nock wurde auch hier das Comeback nach Monte-Carlo vergoldet – sicher auch eine Anerkennung für das Lebenswerk des italienischen Spaßmachers, der zusammen mit seinem Bruder Daris in unterschiedlichen Reprisen, zusammen mit Sohn Nino im Bienchen-Entree und alle drei gemeinsam mit Sven Jahn-Munoz und Luciano Butour als Fuma-Boys zu erleben war.


Troupe Acrobatique de Tianjin, Truppe Yakov Ekk, Truppe Pronin

Die Jury um Prinzessin Stephanie entschied sich dafür, auch bei den Silbernen Clowns vier Trophäen zu verleihen. Die ikarischen Spiele der Troupe Acrobatique de Tianjin vereinten nicht weniger als 18 Artisten in der Manege, die (mit entsprechenden Hilfestellungen) die verschiedensten Sprünge zeigten und Pyramiden bauten. Vom Bolshoi-Circus kam die Truppe Yakov Ekk nach Monte-Carlo, die wir mit zwei Reitereien erlebten: der preisgekrönten Dshigitennummer und einer Jockeyreiterei, der eine mitreißende Musikbegleitung durchaus nicht geschadet hätte. Auch wenn dem ein oder anderen bei der doppelten Russischen Schaukel der Truppe Pronin ein ganz spektakulärer Sprung gefehlt hat, wussten die Artisten nicht nur die Jury, sondern auch das Publikum zu begeistern. Neben dem Silbernen Clown durften sie sich auch über den Publikumspreis freuen. Weniger Begeisterung rief die Truppe Shatirov mit ihrem russischen Barren hervor. Ist die Aufmachung der Nummer (folkloristisch angehauchte Kostüme in knalligen Farben) noch eine Frage des persönlichen Geschmacks des Betrachters, so kann es hinsichtlich der (untauglichen) Versuche, in der Manege mit allen Mitteln Höchstleistungen zu zeigen, eigentlich keine zwei Meinungen geben. Nach einer soliden Nummer bis hin zum dreifachen Salto wollte man unbedingt auch einen vierfachen und dann sogar einen fünffachen Salto zeigen. Da die Fliegerin bereits beim Dreifachen von den vier (!) „Assistenten“ im Prinzip gefangen und dann auf den Barren „gestellt“ wurde, war eigentlich im Vornherein klar, dass die vier- und fünffachen Salti nicht unter regulären Bedingungen gesprungen bzw. gelandet werden können. Erfreulich, aber durchaus verwunderlich, dass die diversen misslungenen Versuche augenscheinlich nicht zu schweren Verletzungen bei den Artisten geführt haben. Wer an die fantastische Nummer von „The White Crow“ oder den doppelten russischen Barren aus Soleis Alegria zurückdenkt, kann den Silbernen Clown für die Truppe Shatirov erst Recht nicht nachvollziehen.


Duo Black & White, Truppe Kolykhalov, Meleshin Brothers

Ebenso nur schwer nachvollziehbar war der Bronzene Clown für Musa John Selepe, einen – bis dato zumindest mir unbekannten – Raubtiervorführer. Die Vorführung der leider nicht besonders trickreichen Löwennummer von Marcel Peters, der sich seit mehreren Monaten auch um die beiden Elefanten von Prinzessin Stephanie kümmert, wirkte nicht sonderlich souverän. Von den angekündigten zehn Löwen führte er zunächst neun und im Verlauf des Festivals dann nur noch acht Tiere vor. Pech hatte Elvis Errani, der sich kurz vor dem Festival am Arm verletzte, bei seiner Elefanten-Nummer folglich auf den Part mit dem Schleuderbrett verzichten musste und somit noch einmal genau die Nummer zeigte, mit der er bereits 2009 mit einem Bronzenen Clown ausgezeichnet worden war. Unverständlich ist, warum es für die gleiche Nummer jetzt noch einmal Bronze gab, während Alessio Fochesato mit seinen Papageien (und neu gestalteter Darbietung) erneut bei der Clownvergabe leer ausging. Die weiteren Bronzenen Clowns gingen an die Truppe Kolykhalov mit ihrer herrlich inszenierten Recknummer als Piraten, an das Duo Silver Stone an den Strapaten, an das Duo Black & White an Vertikaltüchern und an die Meleshin Brothers, die den Großteil ihrer schönen Nummer gemeinsam auf einer Rola-Rola zeigten.


Pranay Werner, Truppe Empress, Priscilla Errani 

Über den Sonderpreis der Gesellschaft der Circusfreunde e. V. durfte sich Pranay Werner aus Deutschland freuen, der nach seiner erfolgreichen Teilnahme beim letztjährigen „New Generation“-Festival die Einladung zum „großen“ Festival erhielt. Pranay wusste nicht nur mit seiner trickreichen Nummer zu überzeugen, sondern konnte auch mit seiner Ausstrahlung das Publikum in seinen Bann ziehen. Der in diesem Jahr erstmalig vergebene Sonderpreis der Schweizer Circusfreunde ging an Costin mit seiner Trampolinnummer. Komplettiert wurde das artistische Tableau des diesjährigen Festivals mit Priscilla Errani und ihrer u.a. vom Zirkus Charles Knie bekannten Hula-Hoop-Nummer, der Truppe Empress und ihrer Partner-Jonglage (teilweise unter Einsatz sehr hoher Piedestale oder gar eines Trapezes), dem Trio Balgan auf dem Schleuderbrett und Eriek Niemen auf dem Drahtseil. Dank des russischen Clowns Boris Nikishkin wissen wir nun auch, dass selbst die Popcorn-Reprise Monte-Carlo-tauglich ist....

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Text und Fotos: Stefan Nolte