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33. Festival International du Cirque
de Monte Carlo 2009 - Shows
www.montecarlofestivals.com ; Eindrücke von Stefan Nolte

Monte Carlo, 15. - 25. Januar 2009: Die Reaktionen in den Pausengesprächen waren eher verhalten. Die Erwartungen an das Festival der Festivals seien nur bedingt erfüllt worden, hieß es da des Öfteren. Auch der Gradmesser im Chapiteau – standing ovations direkt nach der Nummer – spiegelte in den ersten Hälften der beiden gut vierstündigen Auswahlvorstellungen diese Reaktion wider. Darbietungen, die die Zuschauer von den Sitzen rissen, waren nur vereinzelt zu erleben. Natürlich sind die Ansprüche des Publikums an das Internationale Circusfestival von Monte Carlo besonders hoch. Das zu Recht. Schließlich sind die „Clowns“ nach wie vor eine harte Währung in der Branche und beim breiten Publikum die einzig wirklich bekannte Auszeichnung der Circuswelt. Die zweiten Hälften waren durchweg stärker, sodass unterm Strich auch der 33. Auflage der „Weltspiele des Circuskunst“ ein durchaus erfreuliches Niveau bescheinigt werden kann.


Gold: Flight of Passion, Flugtrapez aus Nordkorea

Trefflich streiten lässt sich natürlich über die Vergabe der goldenen, silbernen und bronzenen Clowns. Wobei es in diesem Jahr keine wirklichen Überraschungen gab. Alle Preisträger wurden bereits in der Vorstellung mit außergewöhnlich starken Publikumsreaktionen gefeiert. Erwartungsgemäß erhielt somit die Truppe aus Pyong Yang mit ihrer Luftnummer „Gold“. Dabei flogen drei junge Damen und ein Herr zwischen drei statischen und einem Fänger am schwingenden Fangstuhl durch den Raum unter der Circuskuppel. Von der Präsentation her eine typische Nordkorea-Nummer, die unter anderem mit einem präzise gesprungenen vierfachen Salto überzeugen konnte. Eher unerwartet, aber nicht unverdient, ging der zweite goldene Clown an das Duo „Flight of Passion“ an den Strapaten. Eine vergleichsweise „kleine“, aber sehr leistungsstarke, riskante und perfekt präsentierte Luftnummer. Besonders faszinierend dabei jene Tricks, die vom männlichen Part des Duos im Zahnhang gehalten wurden.


Silber: Truppe Fujian, Russische Schaukel aus Nordkorea

Versilbert wurde die Kombination aus Russischer Schaukel und Reck, welche ebenfalls aus Pyong Yang stammt und im letzten Stuttgarter Weltweihnachtsircus zu erleben war. Sicherlich leistungsstark hinsichtlich der gezeigten Sprünge, was die Präsentation anging, allerdings wieder koreanisch bieder. Immerhin strahlten die Akteure eine gewisse Fröhlichkeit aus. Durch und durch gestylt die Lassojonglage der Truppe aus Fujian. Der Stil konnte mich nach wie vor nicht begeistern, zumal die Artistinnen – im Gegensatz zum letztjährigen Gastspiel bei Knie - wieder Glatze trugen. Bei den Tricks fühlte ich mich des Öfteren an die Westernshows hiesiger Familiencircusse erinnert, wenngleich hier natürlich deutlich mehr geboten wurde. Etwa das Lassodrehen im 3-Personen-hoch. Offensichtlich haben derartige Darbietungen aktuell Konjunktur. Siehe erstes Winterprogramm im Kronebau, siehe Saisonprogramm Arlette Gruss.


Silber: Truppe Tsisov

Die einzige wirklich neuartige Darbietung bei diesem Festival war für mich die Hochseilnummer der Truppe Tsisov, die am ehesten noch mit jener der Volshansky vergleichbar ist. Die Tsisovi arbeiten aber auf einem vergleichsweise schlaff gespannten Seil und sichern ihre Darbietung mit einem Fangnetz ab. Im Zwei-Mann-hoch liefen sie über das Schrägseil, zu dritt übereinander über das horizontal geführte Seil. Spektakulär ihre Arbeit auf zwei dicht übereinander gespannten Seilen, wobei das obere Tau, nachdem es an beiden Enden befestigt wurde, in der Mitte von einem Artisten mit der Schulter abgestützt wurde. Nun bewegte sich auf jedem der Seile ein Zwei-Personen-hoch in Richtung Mitte, wo sich die vier Artisten kreuzten, um anschließend den Weg auf die entgegengesetzte Plattform fortzusetzen.

Der vierte silberne Clown ging an die Gebrüder Giona, die mit einem umfangreichen Marstall angereist waren. Die Ungarische Post kam bereits fertig zusammengestellt (auf zwei Pferden stehender Reiter samt sechs Vorauspferden) in die Manege, um sich nach einigen Runden wieder zu verabschieden. Deutlich spektakulärer die Freiheitsdressur einer der Brüder, wenngleich diese streng genommen nur aus einem Trick bestand. Auf einem ungesattelten Schimmel reitend versammelte er nach und nach sechs weitere Pferde, die er in einen ständig laufenden Fächer integrierte. Das alles geschah in einer selten gesehenen Ruhe und Harmonie. Als Hilfsmittel für diese Dressurleistung diente, neben der Stimme des Vorführers, eine weiße Pfauenfeder.


Bronze: Husch-Ma-Husch, Elvis Errani, Roger Falck

Zwei circustypische Tierdressuren befanden sich unter den Gewinnern der bronzenen Trophäen. Beide vorgeführt von jungen, talentierten Tierlehrern. Zum Einen Elvis Errani, der mit seinen drei Elefantendamen nahezu alle Tricks dieses Genres zeigte. Aufgewertet wurde die ganz in der Farbe rot gehaltene Vorführung durch die Mitwirkung dreier Showgirls, die zum Abschluss von einer der Elefantendamen überschritten wurden, während Errani vom Gradin aus per Mikrofon dirigierte. Zum Anderen Roger Falck, der mit seinen drei weißen und drei normalfarbenen Tigern ein leistungsstarkes Repertoire zeigte. Viele Hochsitzer, tolle Sprünge und ein doppelter Steigerlauf sind besonders zu erwähnen. Sehenswert auch der nostalgisch gestaltete Zentralkäfig und die im gleichen Stil gehaltenen Requisiten. Mit einer optimierten Musik- und Kostümauswahl kann die Wirkung der Nummer ohne Probleme noch weiter gesteigert werden. Wie schon bei Roncalli, im Tigerpalast und anderen Engagements überzeugten die Sorellas auch in Monte Carlo mit ihrer riskanten Arbeit am Trapez, die sie flott und höchst sympathisch rüberbringen. Jubelstürme des Publikums und ein bronzener Clown waren der Lohn. Bronze erhielt ebenfalls die Truppe aus Zhengzhu für ihre Mastenakrobatik, wobei die Masten hier nicht statisch befestigt waren, sondern wie Schaukeln hin und her schwangen. Last not least gab es den Clown für einen Clown. Der auch hierzulande bestens bekannte Husch-Ma-Husch hatte das Publikum von Anfang an auf seiner Seite. Die Sympathien für den Komiker mit der markanten Frisur wurden von Auftritt zu Auftritt stärker und entluden sich zu standing ovations nach seinem Stepptanz mit Publikumsbeteiligung. Alle Preise waren, wie bereist gesagt, verdient. Allerdings halte ich die seit einigen Jahres steigende Anzahl an vergebenen Clowns für höchst fragwürdig. Der Wert jeder einzelnen Trophäe wird dadurch nicht gerade gesteigert.


Maria Erekima

Ebenfalls hauptpreisverdächtig waren für mich noch die Jongleure um Elena Drogaleva und Luftartistin Maria Eremkina. Die Jonglagen der vier Akteure in höchst originellen Konstellationen wurden stilvoll im Business Look dargeboten und in immenser Geschwindigkeit gearbeitet. Maria Erekima zeigte an der Lyra schwierigste Figuren wie den einfachen Fersenhang in großer Höhe, wobei sie durch eine Longe gesichert wurde. Immer wieder überzeugen kann Konstantin Mouraviev, der seine bekannte Blitz-Gewichtsreduktion mittels Rhönrad aufführte. Originell und leistungsstark präsentierten sich die Darbietungen der beiden deutschen Tierlehrer Wolfgang Lauenburger und Karl-Ferdinand Trunk. Für einen der Clowns waren ihre Darbietungen mit Hunden bzw. Ponies und Bauernhoftieren aber wohl zu „klein“. Insbesondere Trunks Ponydressur überzeugte durch anspruchsvolle Tricks, die perfekt liefen. Seine Popularität beim heimischen Publikum verdankte Dominic Lacasse der Teilnahme an der französischen Version der Fernsehshow „Supertalent“. Er arbeitete am vertikalen Masten im Stil eines Dima Shine, ohne aber ganz an dessen Klasse heranzukommen. Zu den weiteren Soloartisten des Festivals gehörten Gipsy Gomez, Dany Daniel und Romain Carbon.


Vivabco, Mayorovm, Romain Carbon

Gomez zelebrierte ihre Hula Hoop-Kür auf einer Glitzerkugel zu wilden Diskorhythmen, Daniels stapelte Bretter und Walzen bei seiner Rola-Rola-Darbietung, während Carbon insbesondere mit seinem Schlusstrick, dem Abrollen an den Tüchern aus großer Höhe überzeugte. Allesamt gute Darbietungen. Bei der Vergabe der Clowns spielten sie aber keine Rolle, ebenso wie die beiden weiteren Duos im Wettbewerb. Das Duo Spiral begann seine Partnerequilibristik stark, konnte diesen Auftakt aber im weiteren Verlauf nicht mehr steigern. Das Duo Tr'espace bot tolle Tricks mit Diabolos, fiel aber aufgrund der theatralischen Aufmachung aus dem Rahmen dieses Festivals. Komiker Val de Fun hatte eine Vorstellung lang Gelegenheit, in mehreren Reprisen Publikum und Jury zu überzeugen. Dies gelang leider nicht – Lacher und Applaus gab es für seine Einlagen nur in geringem Umfang. Auf komische Wirkung setzten auch die Mayorov bei ihrem Auftritt als Matrosen am Trampolin mit Sprüngen durch und über überdimensionale Rettungsringe. Ihre andere Nummer fand auf einer Trampolinbahn statt, litt aber darunter, dass man sich nicht zwischen traditionellem und modernem Verkauf entscheiden konnte. Der zu dieser Darbietung eingespielte „Ostblock-Techno“ sorgte für eine deutliche Abwertung der an sich guten artistischen Leistung. Der Vollständigkeit halber seien hier noch die Los Vivancos genannt. Die sieben Herren traten in beiden Auswahlvorstellungen mit Tap Dance auf. Dies zur Freude der Damenwelt an der Piste teilweise mit freiem Oberkörper. Den Zusammenhang mit dem Anlass des Festivals, Circus nämlich, werden wohl nur die Veranstalter kennen.

Soweit die Beschreibung der Nummern und Preisträger. Natürlich ist das Festival in Monte Carlo mehr als deren Summe. Atmosphäre und Flair sind schon einzigartig. Eine solch große Anzahl an Artisten sieht man selten. Bei Opening und Finale ist die Manege jedes Mal gefüllt mit unzähligen Künstlern in prächtigen Kostümen. Das Licht ist geradezu feudal und mit den Musikern um Reto Parolari gibt es ein großes Orchester, das in diesem Jahr wieder öfter zum Einsatz kam. Aber nicht nur in der Manege, auch im Publikum finden sich unzählige bekannte Gesichter der Circuswelt. Kurzum: Das Fürstentum an der Cote d'azur wird Anfang des Jahres in der Tat für ein paar Tage zum Nabel der Circuswelt.

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Text: Stefan Gierisch; Fotos: Stefan Gierisch, Stefan Nolte