Warum diese
unterschiedliche Behandlung? Werfen wie einen Blick in die
Circuszeitung 3/90. Der ist zu entnehmen, dass die Vasquez 1990
u. a. noch den Zweifachen, den zweifachen Pleßsalto, den
Dreifachen, den Dreifachen mit einer Schraube, den
Dreieinhalbfachen und eine Passage zeigten. Bei den Flying
Fuentes Gasca sah dies dagegen ein wenig anders aus. Nach einem
Einmarsch in weißen Anzügen a la Pellegrinis und anschließendem
„Strip“ folgte ein längeres „Einschwingen“ – die Fliegerin und
jeder Flieger durfte ein- (oder mehrmals) am Trapez hin und her
schwingen ohne den Fänger dabei in Anspruch zu nehmen. Nach
wiederholtem „Anheizen“ des Publikums“ bekommt dieses dann einen
Zweifachen, eine doppelte Pirouette und den Wechsel der
„Fliegerin“ vom Trapez zum Fänger und zurück zu sehen. Dann
bereits die Versuche des Vierfachen. Ob es daran lag, dass man
sich voll und ganz auf den Vierfachen konzentrieren wollte, oder
ob der neue Fänger (wie in Monte-Carlo zu hören war, wechselte
der ursprüngliche Fänger vor kurzer Zeit zum Cirque du Soleil)
der Grund für das überschaubare gezeigte Repertoire, vermag ich
nicht zu beurteilen. Ich denke jedoch, dass bei einer soliden,
trickreichen Flugtrapeznummer und einem „Vierfachen-Versuch“
(der ja immerhin in einer Auswahlvorstellung gelang) mit
Sicherheit ein Clown, wenn auch vielleicht kein goldener, drin
gewesen wäre.
Ironie des Schicksals: In der Gala gelang der
Vierfache im zweiten Versuch. Und die Show, die die Gascas
danach boten war schon oscarreif. Zuerst wurde dem Fürsten die
mexikanische Fahne überreicht und dann der Umhang von Gino
Maravilla Fuentas Gasca – nachdem dieser in der Manege
ausgebreitet worden war und von jedem Gasca-Truppenmitglied
geküsst wurde.
Florian
Richter-Truppe |
Beim diesjährigen
Festival gab es aber auch eine Vielzahl (zu viele?)
Clown-Gewinner.
In der Jury, die für die
Preisvergabe verantwortlich ist, saßen Susan Lacey, Li
Yaping, Aurélia Cats, Anatoly Zalewski, Miguel Vasquez und
Victor Kee. Den Vorsitz hatte Prinzessin Stephanie von
Monaco.
Nach einem Sonderpreis
beim Festival 1993 erhielten die Pellegrinis nun einen
goldenen Clown. Verdienter Lohn für eine Weltklasse-Nummer
und eine erfolgreiche Karriere. Florian Richter und seine
u. a. vom Circus-Krone-Bau und Weltweihnachtscircus
Stuttgart bekannte Jockey-Reitertruppe wurde ebenfalls ein
goldener Clown überreicht. |
Pellegrini |
Li Wie
Der dritte Clown d’ or ging
an den Schlappseil-Artisten Li Wie von der Truppe Municipale
Canton. Seine Nummer ließ keinerlei Wünsche offen: Lauf im
Handstand, einarmiger Handstand und die Fahrt mit dem Einrad
über das Seil (wobei er kopfüber mit den Schultern auf dem
Einrad steht und die Pedal mit den Händen bedient) waren nur
einige seiner Tricks. Gekrönt wurde seine Nummer noch dadurch,
dass das Schlappseil während der Nummer (teilweise auch während
der Tricks) mehrere Meter nach oben gezogen wurde – quasi ein
Hoch-Schlapp-Seil. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass Li
Wie während seiner kompletten Nummer (acht Minuten!) auf dem
Schlappseil verbleibt und sich keine Verschnaufpause auf einer
Plattform gönnt.
Troupe
de Shenyang, Crazy Wilson, Familie Casselly
Gleich zwei
Nummern aus dem aktuellen Circus Krone Sommerprogramm wurden
verdienter Maßen mit einem Silbernen Clown ausgezeichnet: die
Truppe Catana für ihre vielseitige und sichere
Schleuderbrett-Nummer und Crazy Wilson für sein waghalsiges
Todesrad. Als Höhepunkt seiner Nummer zeigte Crazy Wilson nicht
nur den Salto mit verbundenen Augen auf der Außenseite des
rotierenden Rades, sondern direkt im Anschluß daran noch zwei
(Auswahlvorstellung am 19.01.2008) bzw. drei (Gala) Salti ohne
Augenbinde. Die drei weiteren Silbernen Clowns gingen an die u.
a. vom Heilbronner Weihnachtscircus 2006 bekannte Troupe de
Shenyang mit ihrer Balancenummer an Tüchern, den vom Circus
Gebrüder Knie (2006) bekannten Vertical Tango und an die Familie
Casselly.
Sergey Akimov, Marina und Svetlana, Elayne Kramer
Bronze gab’s für Sergey Akimov an den Strapeten, die junge
Elayne Kramer mit ihrer Kontorsion und Marina und Svetlana, die
aus dem aktuellen Roncalli-Programm bekannten Antipodistinnen.
Equilibrissimo |
Das ebenfalls von
Roncalli bekannte Trio Belissimo trat zusammen mit einer
weiteren Artistin und einem Artisten sowie mit
musikalischer Unterstützung (vier Musiker) und dem Ballet
Freedom de Kiev als Equilibrissimo auf. Nicht zuletzt dank
der modernen Folk-Pop-Musik war es eine Nummer, die
richtig Spaß machte. Das fröhliche Treiben in der Manege
lenkte aber mit Sicherheit von der Qualität der
Belissimo-Artistinnen ab. Nur auf diese eine Nummer
konzentriert, hätte es vielleicht auch einen Clown
gegeben. Ebenso ging die dritte Roncalli-Nummer, die
Quick-Change des Duo Minasov ohne Clown nach Hause –
schade! |
Barry Lubin,
Donimo, Alessio
Immerhin durften wir
bei der Gala die Minasov’s
als vorletzte Nummer noch einmal sehen – zuvor die beiden
Goldenen-Clown-Preisträger Pellegrini’s und Li Wie und
danach als Schlussnummer Florian Richter.
Für die Komik sorgten Grandma Barry Lubin und Donimo mit
Reprisen, Scott & Muriel mit ihrer komischen Illusionsnummer und
die Martini Clowns. Den tierischen Part des Festivals
komplettierten John Burke und seine Blues Brothers Seelöwen, Kid
Bauer und seine vom ihm selbst kommentierte Raubtiernummer und
Alessio mit seiner schönen Papageien-Nummer (u. a. Circus Krone
Februar 2007). Letzterer hätte meiner Meinung nach durchaus auch
einen „Clown“ verdient gehabt.
Ein Rahmenprogramm
(Open-Air-Circus im Hafen, Circusfilm-Plakat-Ausstellung und
Vorführungen von Circusspielfilmen im Theater Princesse Grace,
ECA-Symposium inklusive Circusequipment-Messe im Auditorium
Rainier III, Gottesdienst im Chapiteau und Fußballmatch im
Stadion Cap d’ Ail) rundete das 32. Internationale
Circusfestival von Monte-Carlo ab, das wieder unter der
musikalischen Leitung von Reto Parolari und seinem großen
Orchester stand. Alles in allem wieder ein sehr schönes Erlebnis
mit zwei sehr starken Auswahlvorstellungen und einer tollen,
über fünf Stunden (!) dauernden Gala. |