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32. Festival International du Cirque
de Monte Carlo 2008
www.montecarlofestivals.com ; www.festivaldemontecarlo.info

Monte-Carlo, 18.Januar 2008, 22.20 Uhr: Jubel brandet auf im Grand Chapiteau des 32. Internationalen Circusfestival. Gino Maravilla Fuentas Gasca gelingt im dritten Versuch der vierfache Salto am Fliegenden Trapez. Bei der „Wiederholung“ dieser Auswahlvorstellung am 20. Januar 2008 gehen dagegen alle fünf Versuche des Vierfachen ins Netz. Ähnliches ereignete sich in Monte-Carlo am 04. Februar 1990: Miguel Vasquez gelingt in der zweiten Auswahlvorstellung, im zweiten Versuch, der vierfache Salto am Fliegenden Trapez – in der ersten Auswahlvorstellung ging der Versuch des „Vierfachen“ zweimal ins Netz. Bei der Gala des 15. Festivals überreicht Fürst Rainier III den Flying Vasquez trotzdem den Goldenen Clown. Bei der Gala des 32. Circusfestivals überreicht Prinzessin Stephanie den Flying Fuentes Gasca dagegen nur den „Prix Speziale de la Princesse Stephanie“ für den vierfachen Salto - und keinen der begehrten Clowns.


Flying Fuentes Gasca

Warum diese unterschiedliche Behandlung? Werfen wie einen Blick in die Circuszeitung 3/90. Der ist zu entnehmen, dass die Vasquez 1990 u. a. noch den Zweifachen, den zweifachen Pleßsalto, den Dreifachen, den Dreifachen mit einer Schraube, den Dreieinhalbfachen und eine Passage zeigten. Bei den Flying Fuentes Gasca sah dies dagegen ein wenig anders aus. Nach einem Einmarsch in weißen Anzügen a la Pellegrinis und anschließendem „Strip“ folgte ein längeres „Einschwingen“ – die Fliegerin und jeder Flieger durfte ein- (oder mehrmals) am Trapez hin und her schwingen ohne den Fänger dabei in Anspruch zu nehmen. Nach wiederholtem „Anheizen“ des Publikums“ bekommt dieses dann einen Zweifachen, eine doppelte Pirouette und den Wechsel der „Fliegerin“ vom Trapez zum Fänger und zurück zu sehen. Dann bereits die Versuche des Vierfachen. Ob es daran lag, dass man sich voll und ganz auf den Vierfachen konzentrieren wollte, oder ob der neue Fänger (wie in Monte-Carlo zu hören war, wechselte der ursprüngliche Fänger vor kurzer Zeit zum Cirque du Soleil) der Grund für das überschaubare gezeigte Repertoire, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich denke jedoch, dass bei einer soliden, trickreichen Flugtrapeznummer und einem „Vierfachen-Versuch“ (der ja immerhin in einer Auswahlvorstellung gelang) mit Sicherheit ein Clown, wenn auch vielleicht kein goldener, drin gewesen wäre. Ironie des Schicksals: In der Gala gelang der Vierfache im zweiten Versuch. Und die Show, die die Gascas danach boten war schon oscarreif. Zuerst wurde dem Fürsten die mexikanische Fahne überreicht und dann der Umhang von Gino Maravilla Fuentas Gasca – nachdem dieser in der Manege ausgebreitet worden war und von jedem Gasca-Truppenmitglied geküsst wurde.
 


Florian Richter-Truppe

Beim diesjährigen Festival gab es aber auch eine Vielzahl (zu viele?) Clown-Gewinner. In der Jury, die für die Preisvergabe verantwortlich ist, saßen Susan Lacey, Li Yaping, Aurélia Cats, Anatoly Zalewski, Miguel Vasquez und Victor Kee. Den Vorsitz hatte Prinzessin Stephanie von Monaco. Nach einem Sonderpreis beim Festival 1993 erhielten die Pellegrinis nun einen goldenen Clown. Verdienter Lohn für eine Weltklasse-Nummer und eine erfolgreiche Karriere. Florian Richter und seine u. a. vom Circus-Krone-Bau und Weltweihnachtscircus Stuttgart bekannte Jockey-Reitertruppe wurde ebenfalls ein goldener Clown überreicht.


Pellegrini


Li Wie

Der dritte Clown d’ or ging an den Schlappseil-Artisten Li Wie von der Truppe Municipale Canton. Seine Nummer ließ keinerlei Wünsche offen: Lauf im Handstand, einarmiger Handstand und die Fahrt mit dem Einrad über das Seil (wobei er kopfüber mit den Schultern auf dem Einrad steht und die Pedal mit den Händen bedient) waren nur einige seiner Tricks. Gekrönt wurde seine Nummer noch dadurch, dass das Schlappseil während der Nummer (teilweise auch während der Tricks) mehrere Meter nach oben gezogen wurde – quasi ein Hoch-Schlapp-Seil. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass Li Wie während seiner kompletten Nummer (acht Minuten!) auf dem Schlappseil verbleibt und sich keine Verschnaufpause auf einer Plattform gönnt.


Troupe de Shenyang, Crazy Wilson, Familie Casselly

Gleich zwei Nummern aus dem aktuellen Circus Krone Sommerprogramm wurden verdienter Maßen mit einem Silbernen Clown ausgezeichnet: die Truppe Catana für ihre vielseitige und sichere Schleuderbrett-Nummer und Crazy Wilson für sein waghalsiges Todesrad. Als Höhepunkt seiner Nummer zeigte Crazy Wilson nicht nur den Salto mit verbundenen Augen auf der Außenseite des rotierenden Rades, sondern direkt im Anschluß daran noch zwei (Auswahlvorstellung am 19.01.2008) bzw. drei (Gala) Salti ohne Augenbinde. Die drei weiteren Silbernen Clowns gingen an die u. a. vom Heilbronner Weihnachtscircus 2006 bekannte Troupe de Shenyang mit ihrer Balancenummer an Tüchern, den vom Circus Gebrüder Knie (2006) bekannten Vertical Tango und an die Familie Casselly.


Sergey Akimov, Marina und Svetlana, Elayne Kramer

Bronze gab’s für Sergey Akimov an den Strapeten, die junge Elayne Kramer mit ihrer Kontorsion und Marina und Svetlana, die aus dem aktuellen Roncalli-Programm bekannten Antipodistinnen.


Equilibrissimo

Das ebenfalls von Roncalli bekannte Trio Belissimo trat zusammen mit einer weiteren Artistin und einem Artisten sowie mit musikalischer Unterstützung (vier Musiker) und dem Ballet Freedom de Kiev als Equilibrissimo auf. Nicht zuletzt dank der modernen Folk-Pop-Musik war es eine Nummer, die richtig Spaß machte. Das fröhliche Treiben in der Manege lenkte aber mit Sicherheit von der Qualität der Belissimo-Artistinnen ab. Nur auf diese eine Nummer konzentriert, hätte es vielleicht auch einen Clown gegeben. Ebenso ging die dritte Roncalli-Nummer, die Quick-Change des Duo Minasov ohne Clown nach Hause – schade!


Barry Lubin, Donimo, Alessio

Immerhin durften wir bei der Gala die Minasov’s als vorletzte Nummer noch einmal sehen – zuvor die beiden Goldenen-Clown-Preisträger Pellegrini’s und Li Wie und danach als Schlussnummer Florian Richter. Für die Komik sorgten Grandma Barry Lubin und Donimo mit Reprisen, Scott & Muriel mit ihrer komischen Illusionsnummer und die Martini Clowns. Den tierischen Part des Festivals komplettierten John Burke und seine Blues Brothers Seelöwen, Kid Bauer und seine vom ihm selbst kommentierte Raubtiernummer und Alessio mit seiner schönen Papageien-Nummer (u. a. Circus Krone Februar 2007). Letzterer hätte meiner Meinung nach durchaus auch einen „Clown“ verdient gehabt.

Ein Rahmenprogramm (Open-Air-Circus im Hafen, Circusfilm-Plakat-Ausstellung und Vorführungen von Circusspielfilmen im Theater Princesse Grace, ECA-Symposium inklusive Circusequipment-Messe im  Auditorium Rainier III, Gottesdienst im Chapiteau und Fußballmatch im Stadion Cap d’ Ail) rundete das 32. Internationale Circusfestival von Monte-Carlo ab, das wieder unter der musikalischen Leitung von Reto Parolari und seinem großen Orchester stand. Alles in allem wieder ein sehr schönes Erlebnis mit zwei sehr starken Auswahlvorstellungen und einer tollen, über fünf Stunden (!) dauernden Gala.

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Text und Fotos: Stefan Nolte