Für die diesjährige
Newcomershow haben Urs Jäckle, künstlerischer Leiter des
Varietés, und sein engagiertes Team zwölf Darbietungen aus der
Rekordsumme von 321 Bewerbern aus 41 Nationen ausgesucht. Dies
spricht für das mit der Zeit gewonnene Renommee des im Jahre
2000 gegründeten Festivals.
Die Gewinner
Die Geschichte des
Krystallpalastes selbst ist indes eine viel längere. Bereits
1882 eröffnete das damals erste, später größte und berühmteste
Varietétheater der Stadt mit einem Theatersaal für 800
Besucher; fünf Jahre später kam eine gigantische Zirkushalle
mit 3000 Plätzen und 36 Metern Höhe hinzu. Im Zweiten
Weltkrieg wurde der Komplex zerstört. Eine neue Spielstätte
entsteht erst wieder Jahrzehnte später: in der Magazingasse
wird eine neue Heimat gefunden, in der am 17. November 1997
Premiere gefeiert wird. Somit feiert das Krystallpalast
Varieté Leipzig im kommenden Winter sein 20-jähriges Bestehen.
Der Theatersaal mit ungefähr 180 Sitzplätzen, die kleine Bühne
von sieben mal vier Metern, aber auch das angrenzende
Restaurant mit 80 Plätzen vermitteln eine intime, sehr
stimmige Atmosphäre, die sich auch auf das Festival an sich
überträgt. Mit Martin Quilitz hat man zudem einen charmanten
Plauderer gefunden, der durch die Veranstaltung führt.
Impact Brothers, Duo
HoopDuality, Dan Marques
Die deutsche Varieté-Szene ist
nahezu geschlossen vertreten und vergibt zahlreiche
Engagements. Dagegen üben sich die Vertreter der
Zirkus-Branche offenbar in Desinteresse und Abwesenheit.
Möglicherweise besteht hier wenig Neugier auf neue Köpfe.
Begreifbar ist das nicht. Denn – mit Ausnahme des
brasilianischen Magiers Dan Marques vielleicht, der Knöpfe in
unterschiedlichen Farben und Größen an sein Kostüm zaubert –
sind im Grunde alle Darbietungen sowohl auf Bühnen als auch in
einer Manege, in modernen wie in traditionellen Produktionen
denkbar. Extravagante Stile und Ästhetiken gibt es heuer kaum,
vielmehr wirken die Darbietungen recht universell und
kompatibel. So wie das amerikanische Duo HoopDuality, das für
den Auftritt am ständig rotierenden Luftring den Preis von
Roncallis Apollo-Varieté Düsseldorf erhält. Auch die Impact
Brothers aus Spanien hätten in einer Manege ihren Platz. Für
ihre Kombination aus einigen Partnertricks mit vorwiegend
synchronen Tanzpassagen und Sprüngen zeichnet sie das Varieté
Pegasus Bensheim aus.
Dmitry Ikin, Mantega,
Thibault Theyssens
Besonders zahlreich, ja über
Gebühr vertreten ist bei dieser Newcomershow das Feld der
Jonglage oder Objektmanipulation. Zufall, Ergebnis einer zu
begrenzten Ausbildung an Artistenschulen, schlichte
Orientierung an den Erfordernissen des lukrativen Gala-Marktes
oder einfach fehlendes Interesse der jungen Künstler an
anderen Genres? Darüber kann man wohl trefflich diskutieren;
und auch dafür ist so ein Festival ja bestens geeignet. Die
beiden Artisten White Asparagus aus Japan jedenfalls lassen
einen kleinen roten Ball um ihre Körper wandern. Der Belgier
Bavo Freestyles jongliert hingegen mit großen Basketbällen.
Edgar Falzar tut es ihm mitunter gleich. Der Franzose
scheitert jedoch beim Versuch, dem Ganzen eine komische Note
zu geben. Eine verlorene Hose macht noch keine Lacher.
Überzeugender ist da Landsmann Etienne, der für seinen
Auftritt mit bis zu vier Diabolos den Preis des
Wintergarten-Varietés Berlin bekommt. Dmitry Ikin hätte
aufgrund der technischen Klasse seiner Balljonglage einen
Preis verdient. Für die in der Jury sitzenden
Varieté-Vertreter gelten aber offenbar andere Kriterien. Etwa
Originalität, wie bei der Whiskeyglas-Jonglage des
Deutsch-Brasilianers Mantega. Das Varieté Palais Hopp Kassel
zeichnet ihn aus. Während dieser Preis dennoch seine
Berechtigung findet, ist die Wahl des Festungsvarieté Koblenz
und des Varieté et cetera Bochum für den Belgier Thibault
Theyssens nur schwer nachzuvollziehen. Ein Künstler in
Unterhose, der schwer atmend ohne Musik in seinem Cyr
herumkreiselnd und dabei auf die Probleme der Welt aufmerksam
machen möchte, ist doch inzwischen weit weg von innovativ.
Guillaume & Marie,
Lea Prinz
Viel eindringlicher ist da
schon die Aura, mit der Lea Prinz die Bühne und den
Theatersaal für sich einnimmt. Das Spiel der Deutschen mit
einem Reifen hat mal leichte, mal melancholische und
insbesondere intensive Momente, die kongenial verschmelzen.
Buchstäblich den Raum füllen auch Guillaume & Marie aus. Das
kanadisch-französische Paar zeigt seine gewagten Voltigen am
Trapez inmitten der Zuschauer. Da verwundert der
Publikumspreis nicht. Auch der Hauptpreis der Jury – verbunden
mit einem Engagement im Krystallpalast – geht an die beiden. |