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Lauda-Königshofen, 3. Juni 2006: So klein und doch so fein: Wir betreten das weiße Viermastzelt und entdecken einen Juwel. Auf den Polsterstühlen in der Loge mit ihrer rot-goldenen Brüstung liegen nochmal rote Sitzkissen. Dahinter erstreckt sich ein Gradin mit blauen Schalensitzen. Die Rundleinwand ist mit rotem Tuch abgehängt – es ist der Stoff, aus dem auch der Artisteneingang ist. An der Manege stehen zwei Metallständer mit Blumengestecken. Was für eine Atmosphäre. Fragen an Andreas Sperlich, der mit seiner Frau Stefanie den Circus Fantasia führt.

 

Chapiteau.de: Herr Sperlich, wer ist Ihr Vorbild?

Andreas Sperlich: Roncalli ist der schönste Zirkus für mich. Das ist aber Geschmackssache. Viele halten das für Schnickschnack, was der macht, aber mir gefällt dieser Stil am besten.

Chapiteau.de: Ihre Zelteinrichtung erinnert an Roncalli im Kleinformat.

Sperlich: Ja und Nein. Das Vorbild ist schon Roncalli, klar. Aber eigentlich sah schon der Zirkus von meinen Eltern, der Circus Bonanza, so aus wie heute – und den gab es schon vor Roncalli.

Chapiteau.de: Vielleicht hat sich Bernhard Paul ja dort etwas abgeschaut...

Sperlich: Nein, aber er hat diese Art Zirkus ja auch nicht erfunden. Er hat in den Büchern gelesen, wie es früher war. Und so macht er es heute mit Roncalli.

Die Ränge des Zirkuszeltes füllen sich. Dann beginnt die Vorstellung – mit der berühmten Titelmusik der Fernsehserie „Salto Mortale“. Dazu regnen Seifenblasen in die Manege. Stefanie Sperlich begrüßt das Publikum und moderiert angenehm zurückhaltend, ihr Mann Andreas führt vier Friesen mit prächtigem Federschmuck durch die Manege, später tritt er mit vier Ponys auf. Der italienische Artist Micele glänzt als Feuerschlucker- und spucker, und die Clowns Banane und Peppino alias David Sperlich und Henry Brumbach beziehen in ihre Version von „Musizieren ist hier verboten“ Kinder aus dem Publikum ein. Dabei wechseln sie immer mit dem ganzen Kinderpulk die Manegenseite, wenn sie einen Ort zu suchen, an dem das Musizieren erlaubt ist. Eine hinreißend lustige Nummer, die vor Spielfreude sprüht. Den Großteil des Programms tragen jedoch die drei ältesten Kinder der Sperlichs: Die 17-jährige Scarlett lässt bis zu 20 Reifen um ihren Körper kreisen, tanzt über Schwaden von Theaternebel auf dem Drahtseil, schwebt an den Vertikaltüchern. Sie eröffnet die poetische Tuchnummer mit Reiterei zwischen den herabhängenden Stoffbahnen, schwingt sich dann von dem Pferd aus hinauf in die Lüfte – und als sie im Spagat zwischen den zwei Tüchern hoch unter der Kuppel hängt, reitet ihr Vater um die Tücher herum, greift eines und dreht damit die Tochter. Ein wunderschönes Bild. Sohn Billy (15) jongliert auf der Rola Rola, lässt Teller tanzen, präsentiert Ziegen und Hunde gemeinsam in der Manege. Und Sarah, ein Mädchen von zehn Jahren, zeigt sich ungeheuer biegsam bei ihrer Kautschukakrobatik und voller Mut am Luftring. Eines haben alle Nummern gemeinsam: ganz erstaunliche Leistungen für einen kleinen Zirkus, schöne, geschmackssicher ausgesuchte Kostüme, stimmungsvolle, gut gewählte Musik vom Band.

Chapiteau.de: Herr Sperlich, bemerken die Zuschauer, dass in Ihrem Zirkus alles ein bisschen anders ist?

Sperlich: Auf jeden Fall, das kommt sehr gut an. Nach der Vorstellung sagen uns die Leute immer, dass es schön war. Die Atmosphäre gefällt ihnen.

Chapiteau.de: Und das spricht sich dann herum? Kommen in den Tagen nach der Premiere mehr Leute?

Sperlich: Ja, so ist das. Hier in Lauda wurde es auch Tag für Tag besser.

Chapiteau.de: Bonanza, Relax, Romanza – der Name Sperlich ist mit vielen schönen Zirkussen verbunden. Warum hatten wir aber von „Fantasia“ bis jetzt noch nichts gehört?

Sperlich: Diesen Zirkus habe ich schon vor 13 Jahren gegründet. Aber wir haben neun Jahre lang Pause gemacht und waren in dieser Zeit im Engagement – in Hannover, Köln, Bielefeld, einfach überall. Wir haben für Möbelhäuser Shows gemacht und waren von diesen fest engagiert. Wir reisen erst seit letztes Jahr Oktober wieder als normaler Circus durch Baden-Württemberg. Irgendwie zieht es einen doch wieder hinaus.

Mit dem kleinen Zirkus reisen „Los Alamos“, weltbekannt für ihre Messerwerfershow, nun vertreten durch die jüngste Generation: Patrick und Sonja Brumbach. Sonja sei die Nichte seiner Frau, erzählt Andreas Sperlich. Und Stefanie Sperlich selbst arbeitet in der Messerwerfer-Nummer mit, steht vor einer Seite des Brettes, Sonja Brumbach vor der anderen. Das Brett dreht sich um die eigene Achse, Patrick Brumbach wirft die Messer auf das rotierende Brett. Und Äxte mit verbundenen Augen – der artistische Höhepunkt der Show. Andreas Sperlich berichtet, dass er die Brumbachs im letzten Winter für seinen ersten Weihnachtscircus in Ansbach engagiert habe. „Wir kamen sehr gut miteinander aus und haben ihnen deshalb vorgeschlagen, die ganze Saison mit uns zu reisen“.

Sie sollen nach Sperlichs Worten auch beim zweiten Fantasia-Weihnachtscircus wieder dabei sein, außerdem zwei bis drei weitere Artistenfamilien. Fest stünden bereits die Disziplinen Trampolin, russischer Barren und Trapez. Den Rest der kalten Jahrszeit verbringen die Sperlichs im „Winterquartier mit 7000 Quadratmeter Grund – mit Wohnhaus, Hallen, Koppeln, einfach allem drum und dran“ in Schnelldorf bei Crailsheim.

Chapiteau.de:
Herr Sperlich, über die Saison und Weihnachten hinaus: Welche Pläne haben Sie noch für Ihren Zirkus?

Sperlich: Wir wollen am Gastspielort zusätzlich einen Familienpark anbieten, mit Karussells, Hüpfburg, Kaspertheater und so weiter. Dort können die Besucher sich den ganzen Tag aufhalten, für einen Preis. Das ist das letzte Ziel. Das gesamte Material habe ich schon, zum Beispiel auch zwei Kilometer Zaun, das wird alles umzäunt. Und es werden vier Zelte dafür aufgebaut, es gibt eine große Gastronomie...

Chapiteau.de: Wenn Sie das Material schon haben, was fehlt noch zur Umsetzung?

Sperlich: Wir reisen ja erst seit ein paar Monaten wieder. Hopplahopp bringt nichts, und es müssen auch die richtigen Städte sein. Wir bleiben dann ja auch sechs bis sieben Wochen an einem Fleck.

Chapiteau.de: Und wann soll es soweit sein?

Sperlich: Nächstes Jahr auf jeden Fall, aber eigentlich sollte ich es bis dieses Jahr Oktober schon schaffen.

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Text und Fotos: Markus Moll