Mit seinem
nostalgischen Material passt Roncalli natürlich perfekt in diese
Kulisse. Wagen, Zelte, Zäune und die weiteren Bestandteile der
rollenden Stadt sind in einem hervorragend gepflegten Zustand und
strahlen mit der Sonne um die Wette. Nur für einen Teil der Wagen
ist Platz in unmittelbarer Nähe des gestreiften Viermasters und der
gesamte Aufbau muss den begrenzten Gegebenheiten angepasst werden.
So führt der Weg die Zuschauer vom Haupteingang in Richtung
Chapiteau in L-Form durch das große Vorzelt. Dort ist neben den
Verkaufswagen und -ständen ebenfalls der Restaurantwagen „Cafe des
artistes“ untergebracht.

Kasse und
Chapiteau
Wie gewohnt
wird der Einlass ausführlich zelebriert. Das Orchester unter der
Leitung von Georg Pommer spielt, Mitglieder des Ensembles begrüßen
die Gäste, es wird jongliert und Akrobatik gezeigt. Die Kostüme sind
schon hier fantastisch. Es duftet nach Zuckerwatte, gebrannten
Mandeln, Popcorn und anderen Leckereien, die natürlich erworben
sowie genossen werden können. Herren in rot-goldenen Uniformen
kontrollieren die Tickets und gewähren den Eintritt in den nächstem
Bereich der Traumwelt.

Beginn des
Finales
Auch im
märchenhaft ausgestatteten Chapiteau schafft es Roncalli wie kaum
ein anderer, bereits vor Vorstellungsbeginn für Atmosphäre zu
sorgen. Schon der Artisteneingang ist prächtig, Insbesondere dann,
wenn man ihn von der Balkonloge über den Haupteingang aus bestaunen
darf. Auch der Rest des Innenraums ist aufwendig dekoriert. Am
Beginn der Vorstellung stehen wiederum die Hologramme, die auf einen
dünnen Vorhang rund um die Manege projiziert werden. Die
Medienberichterstattung dazu ist in der Tat beeindruckend, die
tatsächliche Wirkung hingegen eher überschaubar. Mit dem Einzug des
Orchesters, auf dem Gradin bewundert von Weißclown Gensi und
Konstantin Muraviev als komischem Requisiteur, geht es dann richtig
los.

Opening
Das Programm
steht wiederum unter dem Titel „All for art for all“. Es geht um die
Verbindung von Circus und Kunst. Ein Motto, das so viele kreative
Möglichkeiten eröffnet. Leider schöpft Roncalli diese wiederum nur
in einem sehr geringen Maße aus. Gerade bei Roncalli, der vollkommen
zu Recht als Erneuerer der Circuskunst gilt, sind die Erwartungen in
diesem Bereich sehr hoch. Diesem Circus verdanken wir viele geniale
Manegenstücke. Oder Darbietungen, die aufgrund der Neugestaltung
durch Bernhard Paul eine ganz andere, viel stärkere Faszination
entfalteten. Davon hätte die aktuelle Produktion mehr vertragen.
Nichtsdestotrotz erleben wir auch in diesem Jahr eine wirkungsvoll
und professionell in Szene gesetzte Vorstellung. Dies ist
insbesondere das Werk von Patrick Philadelphia. Das Licht ist nach
wie vor ein Traum. Ebenso die Musik des Orchesters unter der Leitung
von Georg Pommer. Immer eine blendende Figur machen die Damen des
Balletts. Selbstredend tragen sie wieder wunderbare Kostüme. Bei
Artisten und Clowns gibt es Änderungen auf einzelnen Positionen.
 
Maria
Sarach, Danil Lysenko
Im Opening
wird der Programmtitel grandios aufgegriffen. Die Artisten tragen
Bilder verschiedener Künstler herein oder verkörpern selbst bekannte
Werke. Dafür stecken sie ihren kunstvoll verzierten Oberkörper in
einen Bilderrahmen. Damit sind wir hervorragend in das Thema des
Nachmittags hereingezogen worden. Perfekt in den Rahmen passt die
Handstandakrobatik im Stil von Mondrian, die Maria Sarach
zelebriert. Ein Sessel als Requisit und das Kostüm der Artistin sind
im Stil des niederländischen Malers gestaltet. Während sie ihren
Körper virtuos auf einem oder zwei Händen im Gleichgewicht hält und
ihn dabei verbiegt, hält sie Sprechblasen aus einem Comic in die
Höhe. Anzumerken ist allerdings, dass Maria Sarach ihre Nummer
bereits vor dem Engagement bei Roncalli in dieser Aufmachung
gearbeitet hat. „Der Mann mit der Melone“ von René Margritte dient
als Vorbild für die nächste Szene. Figuranten, die Tänzerinnen und
Sängerin Sash sorgen für stimmige Szenen. Mit Anzug und Aktenkoffer
übernimmt Danil Lysenko. Als smarter Businessman in Nadelstreifen
jongliert er mit Reifen, die akurat aufgereiht auf einer Wippe
platziert sind, bevor Lysenko sie variantenreich in der Luft hält.
Immer mehr der weißen Requisiten jongliert er äußerst gekonnt.
  
Pastelito
junior, Duo Turkeev, Paolo Carillon
Pastelito
junior ist der Neuzugang in der Riege der Roncalli-Clowns. Krissie
Illing und Johnny Rico sind hingegen nicht mehr dabei. Der
Spaßmacher aus Chile war bereits beim vergangenen Weihnachtscircus
im Berliner Tempodrom zu erleben. Er steht für ausgelassene
Heiterkeit und trifft damit auf den strengen Gensi, der ihm all das
verbieten will. Sein fröhliches Tanzen, sein Musizieren und seine
akrobatischen Einlagen. Das Grundprinzip entspricht der Szene, die
Gensi hier vor einigen Jahren mit Chisterrin zeigte. Am Ende setzt
sich Pastelito junior aber durch und darf mit seinem Gesang
erfreuen. Sogar ein spanisches Ballett gibt es dazu. Auch die
folgende Luftnummer ist neu dabei. Statt am Luftring gibt es nun
Akrobatik an den Strapaten. Auf die Luna Girls folgt das Duo Turkeev.
Julia und Dmytro zelebrieren eine wunderschöne Kür, in der sie
ausdrucksstark agieren und in die sie kraftvolle Tricks integriert
haben. Bislang hatte ich die beiden nur bei Flic Flac gesehen. Schön
also, das Duo endlich einmal in klassischer Aufmachung zu genießen.
Nachdem Anatoli Akerman einen Zuschauer in bewährter Weise dazu
verdonnert hat, einen Scheinwerfer am Leuchten zu halten, erleben
wir den poetischsten Auftritt der Show. Er gehört Paolo Carillon und
seiner Tochter Nox. In nostalgischer Aufmachung verzaubert uns der
Clown mit seinen Seifenblasen in den unglaublichsten Varianten. Das
Licht unterstützt das filigrane Spiel von Carillon ungemein. Für die
musikalische Unterstützung ist neben dem Orchester Nox mit ihrem
Gesang verantwortlich. Sie lassen uns träumen und zugleich staunen.
 
Gensi,
Konstantin Muraviev, Duo Minasov
Voller Schwung
endet der erste Teil. Das Trio Jump'n'Roll sorgt mit gewagten
Sprüngen auf federnden Stelzen für Action. Immer wieder geht es hoch
hinaus. Ihre Salti lassen das Publikum hörbar mitgehen. Gemeinsam
mit dem Ballett und Konstantin Muraviev sowie Anatoli Akerman
kündigen sie die Pause an. Beim Opening der zweiten Hälfte sind
Jump'n'Roll schon wieder mit von der Partie. Diesmal als Springer
auf dem Fast Track. Pastelito junior beweist, dass er ebenfalls
akrobatisch versiert ist. Komplettiert wird das Bild von den
Tänzerinnen sowie vier Artistinnen an Luftringen. Mit dem
Glocken-Konzert von Gensi und Gastmusikern aus dem Publikum werden
daraufhin wieder ruhige Töne angeschlagen. Ein Roncalli-Klassiker
ist die Comedy-Akrobatik von Konstantin Muraviev. Nun ist Muraviev
zurückgekehrt, um einmal mehr die Geschichte vom korpulenten Mann zu
erzählen, der dank Akrobatik am Rhönrad in Windeseile seine Wampe
loswird. Nun in der Rolle des komischen Requisiteurs, der uns an
verschiedenen Stellen im Programm begegnet. Ebenfalls „alte
Bekannte“ sind Elena und Victor Minasov. Seit einiger Zeit
präsentieren sie ihre Quick Change-Illusionen in einem neuen Stil
mit Motorrad und originellen Einfällen. So verhüllt etwa Victor
seine Gattin in einer Wolke aus Kunstnebel, in welcher sie
blitzartig das Kleid wechselt. Auch sonst geht bei ihnen das
Umziehen so schnell vonstatten, dass das Auge kaum mitkommt.
Natürlich erleben wir zum Finale das Anlegen eines neuen Outfits im
Glitterregen. Wie gewohnt ist das Duo Minasov mit vollem Einsatz bei
der Sache.
  
Vanessa &
Sven, Anatoli Akerman, Hermanos Acero
Vom
Zuschauereingang aus ziehen Gensi, Anatoli Akerman und Paolo
Carillon musizierend ein. Daraufhin bewundern sie den nächsten
Auftritt des Balletts, der in kreativen bunten Kostümen eine
Reminiszenz an das Bauhaus darstellt. Mit Fingerpfeifen unterhält
Gensi auf dem Gradin, während ein weißer Flügel in die Manege
gebracht wird. Begleitet von Georg Pommer und Sängerin Sash
zelebrieren Vanessa und Sven darauf ihre Partnerakrobatik im Schein
von Kronleuchtern. Die Absolventen der Staatlichen Artistenschule in
Berlin tauschen dabei die Rollen. Die Frau, sprich Vanessa,
übernimmt zumeist den tragenden Part. Sven ist der gelenkige
Obermann. Zusammen erfreuen sie und mit einer ungemein harmonischen
Darbietung und starken Figuren. Daraufhin bekommt Anatoli Akerman
sein großes Solo. Als „Bühne“ dient ihm ein Koffer. Darauf steppt
und jongliert er mit Zigarrenkistchen. Zuvor hat er sich eines
Großteils seiner Garderobe entledigt. Auch ein Zuschauer muss
unfreiwillig Bauch zeigen, was ihm sichtbar wenig behagt. Der
Auftritt ist schon irgendwie skurril und mit seinem „Viu viu“ werden
vermutlich etliche Kinder in den kommenden Tagen ihre Eltern nerven.
Die Tänzerinnen in Pettycoats machen den Auftakt für die Artistik am
Schleuderbrett von Jump'n'Roll. In quietschgelben Anzügen
katapultieren sich die Mitglieder des Trios gegenseitig in die Luft.
Schlag auf Schlag erleben wir atemberaubende Sprünge, die mit Witz
und Charme präsentiert werden. Das Publikum feiert die Akteure
gebührend lebhaft. Ruhig und gebannt folgen die Zuschauer hingegen
der Partnerakrobatik der Hermanos Acero. Faszinierend, wenn die
Brüder aus Kolumbien im Kopf-auf-Kopf eine Treppe herunter und
wieder hinauf balancieren. Da kennt der Applaus kaum Grenzen. Schon
vor diesem Spitzentrick haben die smarten Jungs mit einem
umfangreichen Repertoire hervorragender Kunststücke fasziniert und
dabei kaum eine Variante ausgelassen. Hand-auf-Hand, Kopf-auf-Hand,
Hand-auf-Kopf, Kopf-auf Fuß, Schulter-auf-Schulter - alles ist
dabei. Das Finale wird gewohnt ausschweifend zelebriert. Ein Fest
für Augen und Ohren. Im liebevollen Epilog machen sich die Clowns
„bettfertig“.
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