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Circus Rudolf Renz - Tour 2022
www.circus-rudolf-renz.de ; 101 Showfotos

Nördlingen, 24. April 2022: Der Circus Rudolf Renz ist ungewöhnlich aufgestellt für ein kleineres Unternehmen. Denn hier ist es mitnichten so, dass der Großteil des Programms von Familienmitgliedern bestritten würde, mit einem typischen Repertoire von Drahtseillauf bis Stuhlpyramide und von Westernshow bis Vertikalseil. Nein, bei Rudolf Renz stehen außer dem gleichnamigen Direktor und seiner Frau Jacqueline Traber keine Familienmitglieder in der Manege. Die Mehrzahl der Darbietungen steuern vielmehr zwei engagierte Artistenduos bei. So präsentiert das Sextett ein ansprechendes Programm. Gespielt wird in aller Regel auf offiziellen Festplätzen, die sonst von weitaus größeren Unternehmen genutzt werden.

So wie bei unserem Besuch auf der Nördlinger Kaiserwiese, wo wir zuletzt Krone und Charles Knie besuchten. Zwei wunderschön gestaltete Frontwagen mit farbenfrohen Airbrush-Motiven schaffen ein einladendes Bild. Dazwischen befindet sich der schmucke Kassencontainer, der eine Leuchtschrift auf dem Dach trägt. Gespielt wird in einem weißen Viermaster, das durch pinkfarbene Absetzungen verziert ist. Um die Manege gruppieren sich zwei Reihen Logenstühle und ein einfaches Bankreihengradin; auch der Restaurationsstand findet seinen Platz im Zelt. An diesem Sonntagvormittag erfreut sich die Vorstellung allerbesten Besuchs, trotz oder gerade wegen des Regenwetters. Die Logenbrüstungen tragen wie auch der Frontzaun einheitlich die Initialen CR. Eine geschmackvolle rote Gardine sorgt für den Abschluss nach hinten. Die Lichtanlage ist komplett mit LED-Scheinwerfern ausgerüstet. Leider gibt es keinen Verfolger, der das Geschehen akzentuieren würde – ein Umstand, den der 38-jährige Direktor Rudolf „Rocky“ Renz baldmöglichst ändern möchte, wie er in seiner äußerst sympathischen und kommunikativen Art beim Gespräch am Rande der Vorstellung erzählt. Er ist im Circus Barnum seiner Eltern Kerstin Renz und Peter Köllner aufgewachsen und lernte dort das Circus-Handwerk.


Janika de Vries, Rudolf Renz, Alexander Tsurcanuins

Mit einer professionell aufgenommenen Ansage, die aus dem Off eingespielt wird, beginnt die Vorstellung. Dann gehört die Mange dem Direktor. Rudolf Renz präsentiert im mit Pailletten besetzten, roten Livree und zu flotter Musik seinen Sechserzug weißer Araber. Bis zum Gegenlauf reicht das Repertoire dieser schönen Tiergruppe. Mehr an Flic Flac denn einen typischen Familiencircus erinnern Alexander Tsurcanuins und seine Partnerin Anastasia mit ihren Luftdarbietungen. Zunächst arbeitet Alexander solo an den Strapaten, in Blue Jeans und mit freiem Oberkörper. Zu mystischer Musik präsentiert er einen Wirbel, wechselt dynamisch zwischen den Posen, wickelt sich auf und ab, beherrscht den Genickhang und wagt Abfaller. Im klassischen Circus-Stil dagegen führt Janika de Vries ihre Vierbeiner vor, unterstützt von ihrem Mann Marius Stoica. „Who let the dogs out?“, fragt zunächst die Begleitmusik, und später kommen zu den Hunden auch noch Katzen dazu. Es ist durchaus eine Rarität, beide Tierarten gemeinsam in der Manege zu erleben. Die Hunde unterhalten uns beispielsweise mit dem Vorderpfotenlauf und Sprüngen unter anderem durch zwei Reifen. Die Katzen dagegen beweisen ihr Balancevermögen, etwa beim Lauf über zwei gespannte Seile, und zeigen ihr Vertrauen zur Tierlehrerin bei Sprüngen vom Requisit in deren Arme.


Marius Stoica, Jacqueline Traber

Direktorin Jacqueline Traber lässt in charmanter Weise und zu südamerikanischen Rhythmen drei Hula-Hoop-Reifen um Arme, Rumpf und Beine kreisen; zum Abschluss bewegt sie eine Vielzahl davon um ihren Körper. Nachdem die Rolle des Clowns vakant war im Circus Rudolf Renz, hat Marius Stoica diese spontan übernommen. Grüne Hose, gelbes Shirt, rotweiß karierte Weste und ein roter Mini-Hut mit Blume sowie ein traditionelles Makeup sorgen für das Bild einer klassischen Clownsfigur. Der erste Auftritt des Spaßmachers ist zugleich die Pausennummer. Zwei Wörter genügen, um den bestens bekannten Ablauf zu beschreiben: vier Stühle. Auch zum Beginn des zweiten Programmteils sehen wir Marius Stoica, nun in seiner eigentlichen Rolle als Akrobat. Auf der Rola Rola jongliert er mit drei Bällen, zwängt sich durch zwei Reifen und dreht sich auf einem Medizinball um sich selbst. Höher hinaus geht es bei Balancen auf jeweils drei Zylindern oder aufeinander gestapelten Bänken.


Rudolf Renz, Anastasia

Ein schönes Bild gibt auch die zweite Tiernummer ab, ein Groß und Klein mit einem mächtigen Irish Tinker mit langer Mähne und einem Minipony. Beide Tiere sind schwarz-weiß gescheckt, tragen grüne Federpuschel und werden von Rudolf Renz persönlich präsentiert. Gemeinsam drehen die Vierbeiner ihre Runden. Anastasia überzeugt am Luftring mit blitzschnellen Wirbeln zu aufpeitschender Musik. Auch im zweiten Programmteil hat Clown Marius nur einen einzigen Auftritt, wiederum mit Publikumsbeteiligung. Anstelle von vier Herren ist es nun eine Dame, die zur Mitspielerin wird. Sie hat ihr Talent als „Ballerina“ bei Jonglagen mit bunten Tüchern zu beweisen.


Marius Stoica, Rudolf Renz, Alexander und Anastasia

Jacqueline Traber leitet als hübsche orientalische Tänzerin die Exotendressur ein. Wiederum in einem hochwertigen Livree, diesmal in Weiß, dirigiert Rudolf Renz drei Lamas und zwei Kamele. Nach ihren jeweiligen Soloauftritten erleben wir Alexander und Anastasia bei der Schlussnummer nochmals in einem gemeinsamen Auftritt, nunmehr an Strapatenschlaufen. Dabei schwebt Alexander im Zahnhang oder hält mit den Zähnen einen Luftring, an dem seine Partnerin ihre Figuren zelebriert. Mit Anastasias Zahnhangwirbel, bei dem er das Requisit wiederum mit den Zähnen hält, findet die starke Darbietung ihren Abschluss. Insgesamt unterhält das Programm gut, ist aber mit nur wenig mehr als 60 Minuten reiner Spieldauer – plus Pause – auch ein wenig kurz. So ist es überaus schade, dass Monika Varga mit ihren Seifenblasen nicht zur Verfügung steht, entgegen der Ankündigung auf der Website des Circus Rudolf Renz. Vor drei Jahren war ihre schöne Darbietung das Highlight der Vorstellung. Nach dem tragischen Tod ihres Mannes Hoctales Marcos de Oliveira hat sie sich zunächst aus dem Circusgeschäft zurückgezogen. Dieser wiederum hatte 2019 mit seiner Kaskadeurnummer und als Clown mit der großen Orchesterszene die Vorstellung geprägt, ihr seinen Stempel aufgedrückt. Mit weiteren, kreativeren Clownsszenen und der laut Website zusätzlich vorgesehenen Bodenakrobatik von Alexander und Anastasia wäre es gut möglich, die Vorstellung auf eine üblichere Länge zu bringen, ohne sie ins Langatmige zu strecken.

Insgesamt jedoch bietet der Circus Rudolf Renz auch 2022 wiederum ein durchweg unterhaltsames, vergnügliches Programm im angenehmen Rahmen und startet damit nach langer Corona-Zwangspause endlich wieder durch.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll