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Circus Pikard - Tour 2022
www.circus-pikard.at ; 144 Showfotos

Korneuburg, 7. Oktober 2022: Wie führt man erfolgreich einen Circus in dieser Zeit? Die Familie Schneller hat ihren eigenen Weg zu diesem Ziel gefunden. Mit einem Unternehmen, das weiterhin bewusst überschaubar bleibt, auch wenn 2022 das wohl bisher größte Ensemble zur Verfügung steht. Mit der Entscheidung, den Tourneebetrieb auf das Bundesland Niederösterreich zu beschränken und in jeder Saison die gleichen Städte rund um Wien anzufahren, zumeist auch zur jeweils gleichen Jahreszeit. So hat man sich ein Stammpublikum aufgebaut, das stetig wächst wird.

Und mit dem Anspruch, für jede Saison eine vollkommen neu gestaltete Show unter einem bestimmten Motto anzubieten. „Uund Äktschn“ heißt die Produktion 2022, wie beispielsweise das liebevoll und professionell gestaltete Programmheft verrät. Es enthält auch eine Doppelseite mit Platz für Künstler-Autogramme, die nach jeder Vorstellung im Vorzelt gegeben werden. Der hintere Teil des Hefts lässt sich als schöner Foto-Wandkalender verwenden, wenn man ein Loch hineinstanzt und es zu Hause aufhängt.


Front mit Kassenwagen und zusätzlichem Vorzelt

Im dritten Jahr reist Seniorchefin Elisabeth Schneller nicht mehr mit dem Unternehmen, unterstützt den Betrieb aber weiterhin organisatorisch von zu Hause aus. Ihre Tochter Romana hat mit ihren drei Kindern ein neues Leben im Privaten begonnen. So liegt die Verantwortung vor Ort nun beim 35-jährigen Direktor Alexander Schneller und seiner älteren Schwester Ilona, die unter anderem das Circusbüffet betreut. Sprichwörtlich schon zum Inventar gehören Jongleur Eddy Carello und seine Lebensgefährtin Josy Casselly, die nunmehr in der sechsten Saison in Folge bei Pikard engagiert sind. Und auf dem besten Weg zu diesem Status ist die deutsche Familie Lutzny („Circus Montana“) mit den Eltern René und Sabrina, den Töchtern Samanta (20) und Chantal (18) sowie den Söhnen Joel (16) und John (14), ebenso wie Artistin Nathalie Enoch-Fröchte. Die schneeweißen Zeltanlagen bieten auch beim Gastspiel in Korneuburg einen einladenden Anblick, hier ergänzt um einen zusätzlichen Zweimaster als zweites Vorzelt.


Samanta Lutzny, Rumba, René Lutzny

Zu Beginn der Vorstellung stellt Eddy Carello sich zunächst als „Feuerwehrmann“ vor und gibt einige Sicherheitsanweisungen, ehe René Lutzny sein Solopferd präsentiert. Es springt über Hürden, dreht sich, geht rückwärts und läuft Achten. Dann erst folgt das große Opening, in dem das Ensemble in der Manege paradiert und Direktor Alexander Schneller – auf einem Podium im Zuschauereingang – das hochverehrte Publikum begrüßt. Samanta Lutzny demonstriert ihr akrobatisches Können longengesichert in einer klassischen Darbietung am Luftring, begleitet von Daniella an der Violine. So erhält die Musik bei Pikard, die ansonsten vom Band eingespielt wird, auch eine Live-Komponente. Clown Rumba in seinem bunten Kostüm und mit der roten Nase ist ein traditioneller und freundlich-fröhlicher Spaßmacher fürs Familienpublikum. Zunächst dürfen Zuschauer von den Rängen aus ihre Basketball-Fähigkeiten beweisen. Später versucht er sich an einem Wettspiel mit Alexander Schneller und Joel Lutzny, als komischer Magier und als mexikanischer Peitschenkünstler.


Nathalie Enoch-Fröchte, Alexander Schneller, Cristina Moia

Ein erster Höhepunkt im Programm sind die dreifachen Antipodenspiele, die Alexander Schneller, Chantal Lutzny und Cristina Moia gemeinsam einstudiert haben. Damit wagt sich der Direktor erstmals in dieses weitgehend von Frauen dominierte Genre, mit dem seine Schwester Romana viele Jahre lang erfolgreich war. Zum Beginn lassen die drei Akteure jeweils bis zu vier Teppiche auf ihren Händen und Füßen drehen – es ist ein tolles Bild, wie insgesamt ein Dutzend Tücher durch die Luft wirbelt. Dann machen die beiden Damen alleine weiter, jonglieren jeweils eine Walze und drei Bälle. Nathalie Enoch-Fröchte beherrscht gar das Spiel mit vier Bällen bzw. mit fünf, von denen zwei auf den Füßen ruhen und drei mit den Händen bewegt werden. Für einen originellen Abschluss ist gesorgt, wenn die Artistinnen jeweils eine u-förmige Metallschiene an ihren Füßen befestigen und damit einen Ball durch die Luft springen lassen.


René und Sabrina Lutzny, Eddy Carello, Chantal Lutzny

In einer romantischen Szenerie mit Kerzenleuchtern und illuminierten Herzen zeigen René und Sabrina Lutzny ihre Partnerakrobatik, die wiederum mit Geigenklängen unterstützt wird. Am Ende erhält die Partnerin eine Rose aus den Händen ihres Mannes und abschließend einen Kuss. Einen weiteren Beweis seiner enormen Vielseitigkeit erbringt heuer Eddy Carello, der nunmehr als „Ninja Turtle“ mit Messern jongliert sowie einen Kreisel auf einem extra langen Mundstab sowie der Schneide eines Säbels tanzen lässt. Wie eine Blüte mit vier langen Blättern öffnet sich das Requisit, auf dem Chantal Lutzny bei ihren Kontorsionen freudestrahlend ihre enorme Beweglichkeit beweist.


Josy Casselly, Alessandro Gillert

Seitdem Romana Schneller sich vom Circus Pikard verabschiedet hat, sind die Schaubilder nicht mehr ganz so aufwendig als wahre Kostüm- und Requisitenschlachten gestaltet. Dennoch ist auch diesmal wieder die Pausennummer als große Ensembleszene choreographiert. In Leopardenoutfits mit federgeschmückten Kopfputzen wird in der Manege ein „Stammestanz“ entfacht, zu dem der Euro-Dance-Knaller „Tribal Dance“ die passende Untermalung liefert. Auf ihrem goldenen Thron wird „Stammeschefin“ Josy Casselly in die Manege gerollt und schwingt sich bald in die Luft zu ihrer bestens bekannten Schwungseilnummer – wagemutig, raumgreifend und temporeich. Hälfte zwei eröffnet ein Grandseigneur der Manege, Alessandro Gillert auf dem Schlappseil. Hier präsentiert er hervorragende Leistungen wie das Zwei-Personen-Hoch mit Partnerin Cristina Moia, die Einradfahrt in Kombination mit Ring-Jonglagen sowie Balancen auf der freistehenden Leiter. Für die zweite Tiernummer im Programm sorgt Josy Casselly mit einem Viererzug Miniponys. Zu „Smoke on the Water“ setzt eines der Tiere seine Mähne wie ein echter Hardrocker zum „Headbangen“ ein, ein anderes schüttelt nur mit dem Kopf und „verweigert“ sonst jeden Schritt – zu „Nein, heute nicht“ von den Höhnern. Hinzu kommen natürlich diverse Lauffiguren und Steiger.


Chantal Lutzny, Michal, Joel Lutzny, Alexander Schneller, Eddy Carello

Spaß und Fröhlichkeit zu verbreiten ist sicher eines der Hauptanliegen von Alexander Schneller. Und so wird in der Manege des Circus Pikard seit dem Saisonstart am 1. April täglich Weihnachten gefeiert. Mit passenden Ohrwürmern wie „Last Christmas“, vier keck tanzenden Weihnachtsfrauen, dem Direktor als „Weihnachtsmann“ und eben der Luftakrobatik von Chantal Lutzny, die an einem Holzschlitten ihre Kraft und Beweglichkeit demonstriert. Alexander Schneller hatte die ursprünglich für einen Weihnachtscircus gestaltete Darbietung so gut gefallen, dass er sie kurzerhand ins Saisonprogramm nahm. Ein artistisches Ausrufezeichen setzt Michal bei seinen kraftvollen Handständen auf zwei massiven Stangen. Beeindruckend, wie er sich in einer Flaggenposition mehrfach an die Stäbe heranzieht und wegzieht. Der Klötzchen-Abfaller mit vier Etagen markiert den Höhepunkt der Trickfolge. Das „cineastische“ Programm-Motto „Uund Äktschn“ wird in Schlussnummer und Finale aufgegriffen, die von zwei sehr bekannten Tanzfilmen inspiriert sind. Zunächst entführen uns Eddy Carello – mit John-Travolta-Perücke –, Alexander Schneller und Joel Lutzny in die Welt von „Grease“. Stilecht in Jeans und weißen T-Shirts wird hier mit Keulen jongliert, mit vielen temporeichen Passings und überraschenden Aktionen. Dazu wirbeln die Damen des Ensembles in koketten Petticoats herum. Dann ertönen aus dem Off zunächst bekannte Zitate aus dem Welterfolg „Dirty Dancing“, ehe Alexander Schneller und Chantal Lutzny gemeinsam tanzen, als wären sie Patrick Swayze und Jennifer Grey persönlich. Dieser Prolog leitet über in ein ausgiebig zelebriertes Finale mit dem gesamten Ensemble.

Standing Ovations sind der Lohn des Publikums für diese begeisternde Vorstellung - und stetig steigende Zuschauerzahlen zeigen deutlich, dass das wohldurchdachte Konzept des Circus Pikard einfach aufgeht. Im kommenden Frühjahr sollen Circusfreunde aus dem ganzen deutschsprachigen Raum sich davon überzeugen können, wenn der Besuch im Unternehmen der Familie Schneller einer der Höhepunkte der nächsten GCD-Jahrestagung werden wird.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll