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Circus Paul Busch - Tour 2022
www.circus-paul-busch.de ; 98 Showfotos

Fulda, 5. Juni 2022: Die Zeiten in der Circusbranche haben sich massiv gewandelt, und so ist der Circus Paul Busch nach neuen Maßstäben fast schon kein Familiencircus mehr. Er sticht unter den noch reisenden Betrieben eher als „Großcircus neuen Typs“ hervor. Als Großcircus in Dimensionen, wie sie 2022 noch möglich sind. Dafür spricht erstens das hervorragende Material. So erfreuen wir uns am rot lackierten, mit Airbrush-Motiven verzierten Kassenwagen. Sie zeigen Seniorchef Georg Frank und seinen Enkel Karlito. Das Dach trägt zudem eine attraktive Leuchtschrift “Kasse“ in blauen Buchstaben, ergänzt um rote Sterne.

Motive aus der Show finden sich auf den runden Tafeln im metallenen, mit Beleuchtung versehenen Frontzaun sowie in den ebenfalls in der Front flatternden Fahnen. Imposant ist das moderne, rot-weiße Viermast-Chapiteau mit blauen Verzierungen. Es wird durch ein passendes Vorzelt ergänzt. Darin findet sich ein Restaurationswagen mit breitem Angebot, direkt neben dem Vorzelt steht der Toilettenwagen. Im Chapiteau selbst gruppieren sich Logen und ein Schalensitzgradin um die Manege. Die Rundleinwand ist mit rotem Stoff abgehängt, blaue Planenbögen und indirekte Beleuchtung schaffen hier zusätzlich Assoziationen von Galerielogen. Der hohe Artisteneingang aus rotem Sand sorgt für ein edles Bild. Er wird in der „ersten Etage“, über dem eigentlichen Vorhang, mit nostalgischen Straßenlaternen ergänzt. Zweitens spricht für den Großcircus-Charakter, dass bei Paul Busch Profis im Hintergrund für Tourneeplanung (Peter Tully) und Pressearbeit (Klaus Kaulis) sorgen sowie in der Administration unterstützen (Tim Thomsen). So kann überregional gereist und können attraktive Plätze in größeren Städten genutzt werden. Wir besuchten das Unternehmen auf einem Privatplatz in Fulda, der durch seine Lage an einer Einfallstraße den Circus auf den Präsentierteller stellt. Diese Sichtbarkeit trägt wohl ihren Teil zu dem an diesem Sonntag sehr gut gefüllten Zelt bei. Und drittens wird die Großcircus-Anmutung dadurch unterstrichen, dass das Programm nicht durchweg von der Familie bestritten wird. Stattdessen sind immerhin zwei Artisten mit ihren Darbietungen engagiert, um das Programm zu verstärken.


Antonio Fernandez, Frontzaun, Nikita Frank

Die Engagements sind letztlich auch darauf zurückzuführen, dass der frühere Circus Paul Busch sich seit meinem letzten Besuch vor fünf Jahren aufgeteilt hat. Markus Frank reist mit seiner Familie unter dem ursprünglichen Namen „Circus Arena“, bei Paul Busch verblieben ist sein Bruder Henry Frank als Direktor mit Ehefrau Natascha (geb. Wuch), den drei erwachsenen, leiblichen Söhnen Benito (29), Karlito (26) und Jeffry (23) samt deren Partnerinnen Nikita Frank, Deborah Lauenburger und Jamie Köllner sowie Pflegesohn Nick. Auch Henrys Vater Georg „Ehe“ Frank ist weiterhin dabei. Doch den Auftakt ins Programm übernimmt Antonio Fernandez. Der kubanische Artist ist uns aus seinem langjährigen Engagement im Circus Probst bekannt. Zunächst zu einem romantischen Popsong, dann zu dramatischer Musik und zwischen Nebelschwaden überzeugt er an einer halbhohen Polestange mit kleiner Plattform an der Spitze. An der Stange lassen sich beispielsweise kraftvolle Flaggen drücken, oben auf dem Requisit zeigt Antonio Hand- und Kopfstände. Mit einer Verlängerung des Requisits durch dünne Stäbe wagt er sich im Handstand hoch hinaus. In noch größerer Höhe bewegt sich Nikita Frank am Luftring. Sie füllt bei ihren Flügen den Luftraum des Chapiteaus aus oder gefällt bei schnellen Wirbeln.


Karlito Frank, Roberto Sullacorda, Deborah Lauenburger

Karlito Frank gibt den versierten und sympathischen Clown Hansi mit markanter Hochstehfrisur. Nach einem Klatschspiel zu Beginn spielt er seine eigene, recht kompakte Variante der Kunstschützen-Reprise mit einer Mitspielerin aus dem Publikum und vielen scheinbar unabsichtlich platzenden Ballons. Später gibt es als Belohnung für Reifen, die Logengäste ihm zuwerfen, einen Lolli. Roberto Sullacorda beeindruckt mit einer starken Kür auf dem Schlappseil. Zum Repertoire gehören beispielsweise Handstände auf einer Hand und auf beiden, Balancen auf einem Fuß und die Einradfahrt. Viel Temperament beweist Deborah Lauenburger bei ihrer Hula-Hoop-Kür zum Burlesque-Thema. Die beiden anderen Damen im Ensemble tragen mit einem feurigen Tanz zur Eröffnung zum wirkungsvollen Verkauf bei.


Henry Frank, Benito Frank

Quasi en bloc werden die hauseigenen Freiheitsdressuren vorgestellt. Den Beginn macht Direktor Henry Frank mit vier Ponys, die er zu Lauffiguren anleitet oder sich aufreihen lässt, jeweils mit den Vorderhufen auf dem Rücken des Tieres vornedran. Seniorchef Georg Frank begleitet die Vorführung mit seinem engagierten Kommentar. Drei Tänzerinnen kündigen an, dass es nun in den Orient geht. Benito Frank präsentiert als Pausennummer vier mächtige Kamele, die zu Stings „Desert Rose“ stimmungsvoll in rotes Licht getaucht werden. Sparsame Gesten genügen, um die Tiere abliegen zu lassen.


Henry Frank, Roberto Sullacorda, Deborah Lauenburger

Henry Frank beweist seine Wortgewandtheit nicht nur bei den stilvollen Moderationen während der ganzen Show, sondern auch bei der ausführlichen Ankündigung der Pausentierschau mit wohlgesetzten Formulierungen. Zum Beginn des zweiten Teils ist der Chinesische Mast bereits aufgebaut, den Roberto Sullacorda scheinbar mühelos erklimmt, den er für Kräfte zehrende Übungen nutzt und an dem er letztlich kopfüber wieder hinuntersaust. Von zwei Flamencotänzerinnen begleitet, beginnt Deborah Lauenburger ihre gekonnte Hohe Schule, die später in eine Einzelfreiheit übergeht. Dabei dreht das Pferd eine Pirouette oder steckt den Kopf zwischen den Vorderbeinen durch.


Antonio Fernandez, Nikita Frank, Benito und Jeffry Frank

Deutlich den Charakter einer Zweitnummer hat die nachfolgende Kubusjonglage von Antonio Fernandez. Gleichermaßen wie in ihrem ersten Auftritt am Luftring überzeugt hingegen Nikita Frank bei ihrer gefühlvoll-gewagten Luftnummer am und im Netz. Für seinen letzten Auftritt als Clown animiert Karlito Frank einen Besucher zum Striptease unter der Discokugel. Der Mitspieler nimmt es mit Humor und ist mit Feuereifer dabei. Für den mitreißenden Abschluss sorgen Benito und Jeffry Frank mit Sprüngen und mehr auf dem sich rasant drehenden Todesrad.

Die Begeisterung des Schlussapplauses wird direkt in das sich nahtlos anschließende Finale übernommen. Überhaupt ist der sehr flüssige Ablauf dieser Show, mit gutem Sound und ebensolchem Licht unter der Verantwortung von Pflegesohn Nick, das vierte Kennzeichen eines großen Circus heutiger Zeit. Und wie heißt es so schön: Vier gewinnt!

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll (Show), Markus Moll (Außenansichten)