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Höhner Rock and Roll Circus - Tour 2022
www.hoehner.com ; 170 Showfotos

Mönchengladbach, 8. Oktober 2022: 20 Jahre lang begeisterte die „Höhner Rockin' Roncalli Show“ mit ihrer einzigartigen Mischung aus Musik und Circuskunst das Publikum. Die Band aus Köln und der ebenfalls dort beheimatete Circus gingen eine Symbiose ein, aus der fantastische Produktionen hervorgingen. Die Hits der Höhner und die Artisten von Roncalli wuchsen für mehrere Wochen im Jahr zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Nach Ende der Partnerschaft entschlossen sich die Höhner, die Produktion - gemeinsam mit ihrer Konzertagentur – selbständig weiterzuführen.

„Höhner Rock and Roll Circus“ lautet nun das Motto. Aber auch jetzt sind wieder echte Circusprofis involviert. Die Grandezza Entertainment um Thomas Schütte ist für Material, Technik und Artisten verantwortlich. Dies unterstützt von der Sandor Donnert Agency.


Blick auf Kassenwagen und Chapiteau

So steht auf dem Messeplatz in Mönchengladbach ein großes blaues Chapiteau des zumeist in den Niederlanden reisenden Circus Maximum, welches beim letzten Aachener Weihnachtscircus zum Einsatz kam. Das neue Vorzelt und der Kassenwagen gehören ebenfalls zum Bestand des Unternehmens der Familie Zinnecker. Fehlende Sturmstangen und Schalensitze sorgen im Chapiteau für einen größeren Komfort als bisher. Andererseits erzeugten die Holzbänke auf dem Gradin und die zusätzlichen Masten im Zelt von Roncalli mehr Atmosphäre. Das Innere wirkt nun etwas nüchtern. Zudem gibt es jetzt einen modernen Artisteneingang, der verschiedene Einblendungen und Lichteffekte ermöglicht. Durchaus geschmackvoll und passend, aber eben nicht ganz so stimmungsvoll wie das nostalgische Roncalli-Entree.


Die Höhner im Finale

Auch bei den Höhnern selbst gab es seit der letzten „Höhner Rockin' Roncalli Show“ 2019 Veränderungen. Die Verjüngung der Band ist vorangeschritten. So ist etwa Patrick Lück neuer Leadsänger der Formation. Allerdings müssen wir in diesem Jahr noch nicht auf den bisherigen Frontmann verzichten. Der charismatische Henning Krautmacher ist wiederum mit von der Partie. Sei noch zu vermerken, dass die Höhner in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum feiern.


Szene aus dem Finale

Viel Neues also, aber in Summe dann eben doch Kontinuität. Denn die diesjährige Show „Vivace“ entfaltet den kompletten Zauber ihrer Vorgänger. Diese wunderbare Mischung aus Höhner-Songs und Circus-Acts gelingt auch unter den neuen Rahmenbedingungen ganz famos. Einen erheblichen Anteil daran hat ganz sicher Thomas Bruchhäuser. Der Regisseur hat bereits mehrere Auflagen der „Höhner Rockin' Roncalli Show“ in Szene gesetzt und ist auch jetzt wieder für das Gesamtwerk verantwortlich. Vivace, die pure Lebenslust, steht im Mittelpunkt. Des Weiteren geht es um die Werte, die im Leben wichtig sind. Diese verkörpern die Artisten in ihren Auftritten. Der jeweilige Begriff erscheint derweil als Schriftzug am Artisteneingang.


Opening, Mr. Lo

Bevor es die ersten kölschen Töne gibt, muss sich Benedikt Ricken von der Produktion mit einem besonders auffälligen Zuschauer beschäftigen. Der besitzt zwar eine Eintrittskarte, allerdings für die falsche Vorstellung. Kurzerhand wird der Gast zur Mitarbeit verdonnert. Es handelt sich um Georg Leiste, der für die Clownerie in der Show verantwortlich ist. Doch dann geben die Höhner volle Power und lassen in den folgenden fast drei Stunden (inklusive Pause) nicht nach. Die Smartwatch meldet sich gefühlt alle 15 Minuten, um vor „lauten Umgebungsgeräuschen“ zu warnen. Doch echte Rockmusik geht einfach nur in entsprechender Lautstärke. Natürlich hat die Band auch den Showtitel „Vivace“ vertont. Zum Opening kommen alle Artisten auf die Rundbühne und feiern ausgelassen den Auftakt. Die meisten der Mitwirkenden konnten wir bereits für eine oder mehrere Saisons in der „Höhner Rockin' Roncalli Show“ sehen. Zum Jubiläum gibt es also ein „Best of“. Mr. Lo war zuletzt 2012 dort zu erleben. Nun zerreißt er einmal mehr Papier. Doch das Ergebnis seiner Arbeit gehört nicht in den Papierkorb, sondern in eine Galerie. Mr. Lo zaubert wunderbare Kunstwerke. Und das auf sehr originelle Weise. Seinen Auftritt beendet der ehemalige Ballett-Tänzer aus den USA mit einer Autofahrt. Natürlich besteht sein Gefährt ebenfalls aus Papier. Wunderbar die folgende Einlage, bei der erst ein Bandmitglied und dann alle ein Knie in eine Figur verwandeln. So wird gemeinsam musiziert.


Svyat Rasshivkin, Mila Roujilo, Leosvel & Diosmani

Svyat Rasshivkin war 2013 erstmalig bei der „Höhner Rockin' Roncalli Show“ zu erleben. Aus dem Kind von damals ist ein gestandener junger Mann geworden. Nach wie vor begeistert der 19-jährige mit kraftvoller, ausdrucksstark vorgetragener Akrobatik an den Strapaten. Er hängt etwa im Spagat frei mit den Füßen in den Schlaufen der Bänder. Faszinierend ebenfalls wie er sich an den Bändern Richtung Kuppel aufrollt. Den Genuss perfekt macht der Begleitsong „Die schönste Stroß'“. Es geht darum, dass die schönste Straße auf einer Reise die ist, die nach Hause führt. Welcome home, Svyat. Dass sie “echte Fründe“ sind, bezeugen die Höhner in ihrem nächsten Titel. Als Luciano Pavarotti beweist Georg Leiste sowohl komisches als auch artistisches Talent. Auf den beleibten Startenor folgt die hübsche Mila Roujilo. Virtuos lässt sie Hula-Hoop-Reifen um die verschiedensten Körperteile kreisen. Immer mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen sorgt die Artistin für ordentlich Schwung. Sein knallbuntes Outfit und eine Lauchstange verleihen Henning Krautmacher hellseherische Fähigkeiten. Er ist „Paranormal“, wie der zugehörige Song verkündet. Die komisch angelegte Darbietung verblüfft am Ende mit tatsächlicher „Magie“. Bei der Pausennummer gibt es ein Wiedersehen mit Leosvel und Diosmani. Die Kubaner mit den Traumkörpern beweisen, dass ihre Muskeln keine Dekoration sind. Kraftvoll arbeiten sie ihre Kür am Masten. Beeindruckend immer wieder der einarmige Handstand von Diosmani auf dem Oberkörper von Lesovel, welchen dieser im rechten Winkel von der Stange abdrückt.


Mitglied der Gerlings, Alex & Liza, Olivier Taquin und Patrick Lück

Zu Beginn von Teil zwei ist das Todesrad aufgebaut. Ein Duo aus dem Gerling-Team zeigt darauf halsbrecherische Stunts bis hin zum Salto auf der Außenseite des rotierenden Rades. Doch damit nicht genug, denn die Artisten bekommen Unterstützung. Jens Streifling, Saxophonist der Band, wagt sich ebenfalls in einen der Kessel. Das Instrument ist mit dabei und oben angekommen spielt er sogar darauf. Alle Achtung. Überhaupt bringen sich die Höhner-Mitglieder wieder stärker in das Geschehen in der Manege ein als das in den letzten Jahren der Fall war. Insbesondere die eingefleischten Fans – zu erkennen an den T-Shirts – honorieren das lautstark. Danach bereitet Henning Krautmacher alles für eine „gute Freundin aus Paris“ vor. Mehrere kräftige Männer aus dm Publikum dürfen rechts und links der Bühne ein langes Seil schultern. Der mittlere Teil dient Georgette als Auftrittsfläche für ihren Seiltanz. Und tatsächlich balanciert der Gast aus Frankreich auf dem Tau. Bei der korpulenten Französin handelt es sich um Georg Leiste im gut gepolsterten Kostüm. Er schafft es wirklich, sich auf dieser wackligen Konstruktion im Gleichgewicht zu halten. Deutlich eleganter ist da die anspruchsvolle Partner-Akrobatik von Alex und Liza. Das hübsche jugendliche Duo harmoniert perfekt. Alex trägt seine Partnerin gar auf den Händen. Mit Liza im Handstand selbstverständlich. Sie zeigen für das Genre innovative Figuren in einer traumhaften, gleichwohl leistungsstarken Kür. Hinzu kommen Flugsequenzen von Liza. In Patrick Lück hat Automatenmensch Olivier Taquin einen neuen Manegenpartner gefunden. Und der macht seine Sache richtig gut, ist mit sichtbar viel Spaß bei der Sache. So wird das Spiel um eine aufziehbare Puppe, die ein Eigenleben entwickelt, ein großer Genuss. Nicht zuletzt dank des filigranen Spiels von Olivier Taquin.


Duo Rokashkov, Georg Leiste, Gerlings

Den Namen Rokashkov verbinden Circusliebhaber sofort mit dem Quadratreck. Aus dem Quartett ist mittlerweile ein Duo geworden, das Requisit ist geblieben. Olga und Sergey werben in Straßenkleidung umeinander. Sie, im langen, bunten Kleid, er in Hose und T-Shirt. Dabei erleben wir kraftvolle Umschwünge und Sprünge, die trotz aller Anstrengungen ganz elegant aussehen. Natürlich gibt es ein Happy End. Nach einem Solo von Gitarrist Edin Colic wird es anrührend. Ein einsamer Mann sitzt traurig auf einer Bank. Patrick Lück empfiehlt ihm im Song „Clown Antonio“ den gleichnamigen Künstler im Circus zu besuchen, um sich aufzuheitern. Sodann schminkt sich der von Georg Leiste dargestellte Herr das Gesicht – er ist besagter Clown Antonio. Das beweist er mit Proben seiner Kunst. Den Wert „Mut“ verkörpern die Gerlings auf dem Hochseil, arbeiten sie ihre wagemutigen Stunts doch ohne jegliche Sicherung. Eine Dame und drei Herren überspringen sich gegenseitig, tragen einander auf den Schultern, fahren Fahrrad und wagen eine Drei-Personen-Pyramide mit der Frau in der oberen Etage im Kopfstand. Auch bei dieser Darbietung ist ein Höhner-Musiker mit von der Partie. Drummer Heiko Braun überquert das Seil mit den Händen auf den Schultern eines vorauslaufenden Gerling-Artisten. Dankenswerterweise trägt er für alle Fälle eine Longe. Doch auch so ist es eine bemerkenswerte Leistung. Ein wahres Fest ist das Finale mit ausgelassener Stimmung, kleinen Zugaben und natürlich viel mitreißender Musik. Hier wird noch einmal Lebensfreude pur zelebriert.

Und genau diese nimmt man mit nach Hause. Der alte Zauber funktioniert nach wie vor. Höhner und Artisten beweisen wie eh und je, dass sie gemeinsam deutlich mehr als die Summe ihrer Teile sind. Der „Höhner Rock and Roll Circus“ fasziniert, begeistert auch in der neuen Konstellation wie eh und je. Nur ein gutes Stück moderner ist die Show geworden.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch