Improvisation
ist im Circus immer gefragt, in Krisenzeiten ganz besonders. So startet
die Familie Donnert recht spontan in die aktuelle Sommersaison, als
sich eine entsprechende Gelegenheit ergibt. Die Tournee durch
Ferienparks bleibt auf die Niederlande begrenzt. Hinsichtlich der
Gastspielorte fährt man „auf Sicht“. Sprich, die einzelnen Spielstätten
werden eher kurzfristig festgelegt, Verlängerungswoche inklusive.

Magical World of Circus in Asten
Natürlich
musste ein Hygienekonzept her. Es gibt klar definierte Ein- und
Ausgänge für das Chapiteau sowie markierte Wege herein und heraus. Beim
Einlass wird Desinfektionsmittel bereitgehalten. Im eigenen
Zwei-Mast-Chapiteau stehen ausschließlich Stühle auf dem Boden. Dies in
kleineren Gruppen mit viel Abstand dazwischen. Das Gradin kommt nicht
zum Einsatz. Die Kapazität ist so auf 200 Plätze je Vorstellung
limitiert. In einem der Parks wird der Auftritt im Zelt kurzfristig
untersagt. Da das Publikum bereits da ist, wird an jenem Tag spontan unter freiem
Himmel gespielt.

Das Ensemble 2020 vor dem Artisteneingang
Improvisation
ist auch bei der Zusammenstellung des Programms angesagt. Kreative
Ideen hat Sandor Donnert zur Genüge. Doch der Clown, den er für
bestimmte Szenen im Auge hat, ist inzwischen tageweise für Galas
gebucht. Andere vorgesehene Artisten dürfen aufgrund behördlicher
Beschränkungen nicht von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort her anreisen.
So stammt der Großteil des Ensembles aus den Niederlanden. Hinzu kommt
ein Akrobat aus Belgien, zwei weitere hatten zuvor ihr Quartier bei
Flic Flac in Deutschland bezogen, wo sie bis zum Lockdown engagiert
waren. Die Technikcrew kommt aus Deutschland, wo Donnert mit den
Experten für Licht und Ton bereits beim Aachener Weihnachtscircus
zusammengearbeitet hat. Tiere gib es in der aktuellen Produktion nicht.
Auch das wäre in diesen Zeiten zu kompliziert geworden. So ist Mutter
Beverly Donnert bei den eigenen Pferden in Großbritannien geblieben,
während Vater Gabi und Schwester Latoya wichtige Stützen vor Ort
sind.
  
Scott Bovelander, Benjamin Flame, Kateryna Fedorovych
Den
Auftakt der Show übernimmt Scott Bovelander. Der jugendliche
Blondschopf war schon 2019 mit von der Partie. Mit seinen Bouncing
Jonglagen sorgt er gleich für ordentlich Schwung. Bis zu acht weiße
Bälle jongliert er gleichzeitig zu Boden. Auf ein Wiedersehen mit Scott
müssen wir nicht bis zum Finale warten. Denn er ist unser Begleiter
durch den Abend, der mit kurzen Ansagen seine Kolleginnen und Kollegen
vorstellt. Wie den Belgier Benjamin Flame, der hier ebenfalls im
Re-Engagement zu erleben ist. Seine Domäne ist die Hula Hoop-Artistik.
Und die beherrscht er ganz virtuos. Immer mehr Reifen lässt er
variantenreich um verschiedene Körperteile kreisen. Sogar im Spagat
lässt Benjamin seine goldenen Requisiten rotieren und hat dabei die
Sympathien auf seiner Seite. Nach so viel Manpower gehört die Manege
Kateryna Fedorovych. Doch sie verlässt den sicheren Untergrund
sogleich, denn ihr Auftritt findet unter der Kuppel an den
Gymnastikringen statt. Diese sind etwas größer im Durchmesser als die
Ringe beim Turnen, so dass sich die blonde Artistin etwa mit dem unteren
Teil des Beins – kurz hinter den Fersen – einhängen und in der
Senkrechten die Balance halten kann. Phänomenal. Auch das übrige
Repertoire der Ukrainerin mit dem trainierten Körper ist stark und
selten zu sehen. Etwa die Umschwünge oder der doppelte Zehenhang an
einem der Ringe. Ein echtes Erlebnis.
  
Alain Alegria, Ezra Veldman, Duo Kira
Ebenfalls
in die Höhe geht es für Ehemann Alain Alegria. Sein Thriller auf dem
Washingtontrapez wirkt natürlich ganz besonders bei großem Abstand zum
Boden. Etwa bei Flic Flac, wo er zuvor engagiert war. Doch auch im eher
intimen Rahmen entfalten seine Balancen auf der Trapezstange eine ganz
besondere Wirkung. Vollkommen zu Recht bilden sie den Schlusspunkt des
Programms. Ein Wirbelwind ist Ezra Veldman. Gerade mal zwanzig Jahre
jung und schon ein respektabler Showman, der vor allen Dingen die
Herzen der jungen Zuschauerinnen stiehlt. Das gesamte Publikum gewinnt
er mit seinen versierten Diabolospielen. Dies sind schon sehr trick-
und abwechslungsreich. Den Schlussakkord setzt er mit der Jonglage von
vier Diabolos auf kleinem Raum. Sprich, sie fliegen nicht über
Kopfhöhe. Frauenpower bringt das Duo Kira in die Manege. Kim Dekker und
Tara de Jong haben sich an der Circusschule de Hoogte kennengelernt und
dort ihre gemeinsame Artistenkarriere gestartet. Im diesjährigen
Programm der Magical World of Circus überzeugen sie mit ihrer
Hand-auf-Hand-Darbietung. Groß ist das Staunen, wenn Kim auf dem Kopf
von Tara steht, während sich diese vom Stand in den Spagat und zurück
bewegt. Kim stellt zudem die Frage „Mensch oder Puppe?“. In einem
Clownskostüm spielt sie eine quicklebendige und sehr bewegliche Puppe.
Ihre Mitspieler sind Scott Bovelander und Mr. Bill. Letzterer begleitet
uns als Clown durch den Abend. Für einen Lutscher als Gage findet sich
zumeist schnell ein Mitspieler im Kinderalter aus dem Publikum. So
verhilft er zwei Jungs aus dem Publikum mit Ballons zu Helmen und
Schwertern, mit welchen sie die beiden duellieren dürfen. Einen anderen
lässt er zu einem Tellerjongleur werden.
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