Dazu gehört ebenfalls das
Setzen auf spektakuläre Artistik in spektakulärer Aufmachung. PUNXXX
folgt diesem Stil, gibt sich aber bunter und eben punkiger als die
bisherigen Shows. Wie immer geht es Schlag auf Schlag, Zeit für ein
Schlusskompliment nach der Nummer gibt es nicht. Auf den letzten Trick
folgt schon der nächste Act. Erst im Finale bekommt jeder Mitwirkende
die Gelegenheit, sich kurz vom Publikum feiern zu lassen. So entsteht
ein immenses Tempo. Der erste Teil ist bei der Premiere in Frankfurt am
Main bereits nach 50 Minuten zu Ende. Anderswo hätte man mit den
gezeigten Darbietungen vermutlich 90 Minuten Programm gemacht. Doch
Längen gibt es hier nicht, es bleibt kaum Zeit zum Luftholen. Im Kern
ist das Ensemble von PUNXXX fest. Doch aufgrund anderweitiger Verträge,
Festivalteilnahmen oder Verletzungen kommt es immer wieder zu
Veränderungen. So auch während des Frankfurt-Gastspiels. Diese Wechsel
sind aber nicht spürbar. Die Show kommt aus einem Guss daher, wirkt
eingespielt.
  
Opening, Zdenek Polach, David Eriksson
Grandios
gemacht ist das Opening. Die Artisten laufen mit Schildern über die
Bühne, auf denen die Titel bisheriger Flic Flac-Produktionen stehen. Im
Hintergrund ist das Logo von PUNXXX groß auf der Landeplattform für die
Motocross-Freestyler zu sehen. Darauf sitzt zunächst Romain Vincente
und trommelt. Mit seinem Schlagzeug begleitet der Drummer die weitere
Show, unterstreicht die Flic Flac-eigenen Kompositionen perfekt.
Nachdem Vincente diesen Platz verlassen hat, gehört auch die erhöhte
Plattform den Artisten des Openings. Kurz darauf landen hier die Mad
Flying Bikes. Spektakulärer kann der Auftakt kaum sein. Die beiden
Motocross Biker starten vom mittleren Zuschauereingang aus zu ihren
gewagten Sprüngen. Gerade vom Festival Next Generation in Monte Carlo
zurückgekehrt ist Zdenek Polach. Der junge Tscheche überzeugt mit
seinen Jonglagen von weißen Bällen am Mittelmeer genauso wie am Main.
Das Publikum geht hörbar begeistert mit, wenn er in rasantem Tempo bis
zu sieben Bälle gleichzeitig in der Luft hält. Dann begegnen wir
erstmals David Eriksson. Als Bühnenoutfit reichen dem Schweden mit der
Glatze enge pinke Shorts und eine Weste. Eriksson kommt uns schrill,
gleichzeitig aber ungeheuer liebenswürdig. Das Beste aber ist, dass er
wirklich witzig ist und uns mit vielen neuen Ideen zum Lachen bringt.
So jongliert er etwa Tischtennisbälle mit dem Mund. Da er dies auch im
Handstand tut, werden daraus quasi „orale Bouncing Jonglagen“. Oder er
saugt einen Pümpel auf seinem Kopf fest und lässt einen Reifen an
dessen Griff rotieren. Ein Zuschauer darf sein skurriles Spiel mit
Äpfeln begleiten. Den Plan, jenem Herrn einen Apfel mit einem Beil vom
Kopf zu schießen, verwirft Eriksson zum Glück schnell. Stattdessen
fliegt das Obst vom Zuschauerraum Richtung Bühne. Der Gast wirft, der
Künstler fängt. Zum Fangen hat er zwei halbe Metallkugeln, die mit
spitzen Stiften versehen sind. Eine trägt der Comedian auf dem Kopf,
die andere schnallt er sich vor den Intimbereich. Es folgen weitere
Auftritte dieser Art, die bestens ankommen.
  
Three G, Alex Michael, Romy Meggiolaro
Aus
einer Straßenszene entwickelt sich die Partnerequilibristik von Three G.
Die ohnehin extrem starke Akrobatik des Trios aus der Ukraine wird so
optimal in Szene gesetzt. Die jungen Artistinnen beweisen eine perfekte
Körperbeherrschung. Zusätzlich ergänzen sie ihre Gleichgewichtskünste
um Handvoltigen. Ein roter Irokesenschnitt ziert den Kopf von Alex
Michael. Als abgedrehter Punk strapaziert er die Nerven des Publikums.
Völlig ungesichert wagt er unter der Kuppel nicht nur den Deckenlauf,
sondern auch den Sprung von Trapez zu Trapez. Bei letzterem fängt er
sich sogar mit den Füßen. Direkt nach Michael arbeitet seine Partnerin
Romy Meggiolaro. Die Bühne wird ihr in Form eines Abenteuerspielplatzes
für Antipodistinnen bereitet. Ein Spielplatz freilich, auf dem sich
düstere Jungs rumtreiben. Hinterhofatmosphäre inklusive. Die erste
Trinka wird aus Paletten gebildet. Darauf jongliert Meggiolaro mit
Walzen. Für das Spiel mit Ringen platziert sie ihren Rücken auf einem
Stapel aus Autoreifen verschiedener Größen. Auf dem Sattel eines
Motorrads lässt sie Tücher auf Händen und Füßen kreisen. Mit diesen
Requisiten wird sie zudem an einem Seil hängend Richtung Kuppel
gezogen. Der für mich eindrucksvollste Act des Abends gehört Olha
Peresada. „Purple Rain“ von Prince bildet die musikalische Begleitung
für ihre starke Kür am Chinese Pole. Dazu regnet es aus der Kuppel,
violettes Licht macht die Inszenierung perfekt. Es entstehen grandiose
Bilder. Die Technik drängt sich nicht in der Vordergrund, sondern geht
eine geniale Symbiose mit der eigentlichen Nummer ein. Überhaupt
begeistert das Lichtdesign, ergänzt um Feuer- und Nebeleffekte, auf
ganzer Linie. Zudem bietet das im Inneren mastenfreie Chapiteau
optimale Sicht. Anders als bei der letzten Produktion wird diese nicht
durch Aufbauten für ein Hochseil gestört.
  
Globe of Speed, Alain Alegria, Alina und Alisa
Die
perfekte Rundumsicht gibt auch der Motorradkugel eine uneingeschränkte
Wirkung. David Eriksson zieht sie am Seil herein, nachdem Drummer
Romain Vincente auf einer runden Plattform sein Solo hatte. Am Ende donnern
acht Biker gleichzeitig durch den Globe of Speed. Sie tun das im
perfekten Zusammenspiel, bei dem sie mit gewagten Formationen
begeistern. Groß ist die Überraschung, wenn nach den verrückten Touren
die Helme abgenommen werden. Denn unter den Helldrivers befindet sich
eine Frau. „Über den Wolken“ zeigt Alain Alegria seine riskanten
Balancen auf dem Washington-Trapez. Diese Interpretation lässt
jedenfalls das Ballett zu Beginn zu. Sechs Frauen in langen weißen
Oberteilen tanzen durch Bühnennebel. Von dort schwebt Alegria Richtung
Kuppel, wo er in dunklem T-Shirt und Jeans seine bekannte Darbietung
zelebriert. Nonnen haben bei Flic Flac eine längere Geschichte. Auch
bei PUNXXX sind zwei Klosterfrauen dabei. Ihre Ordenskleidung legen
Alina und Alisa allerdings schnell ab. Bei ihrer Partnerakrobatik
tragen die Schönheiten deutlich weniger Stoff. Was Sinn macht, denn
immer wieder tauchen sie in eine mit Wasser gefüllte Halbkugel aus
Plexiglas ein. So werden ihre Handstände und Figuren der Kontorsion
durch wunderschöne, tropfende Effekten aufgewertet. Das Hinschauen
lohnt sich also gleich aus mehreren Gründen.
 
Naked Lunch,
Holy Warriors
Zu
einem „Naked Lunch“ laden Colm O'Grady und Simon Marc Llewellyn. Damit
ist eigentlich fast alles gesagt. Denn die britisch-irische Küchencrew
begibt sich nackt in die Küche. Nicht ganz, denn die edelsten Teile
ihrer Körper bleiben vor den Augen des Publikums verborgen. Erst
trennen sie sich von ihren Kochjacken, dann von den Hosen und zuletzt
fallen die schon arg in Mitleidenschaft gezogenen Schürzen. Doch
gänzlich nackte Tatsachen gibt es nicht zu sehen. Vier, am Ende gar nur
eine Bratpfanne sorgen dafür, dass die britisch-irischen Kronjuwelen
stets verdeckt sind. Am Beginn ihrer Darbietung peitschen sie sich mit
Lauch aus und lassen auf Töpfen sowie Pfannen Ravels Bolero erklingen.
Als Schlägel dienen dabei Karotten. Insgesamt ein herrlich frivoler
Spaß, der sich allerdings etwas in die Länge zieht. Das fällt gerade in
dieser Show mit hohem Tempo und rasanten Übergängen auf. Auch die
Schlussnummer bekommt vergleichsweise viel Raum. Darin faszinieren die
Holy Warriors als Reifenspringer. Zehn junge Artisten der China
National Akrobatik Truppe hechten mit ihren trainierten Körpern durch
Reifen mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern. Mal bewegen sich die
Requisiten ferngesteuert über die Bühne, mal ruhen sie in großer Höhe.
Beim letzten Sprung geht es auf fast vier Meter Höhe. Im anschließenden
Finale verabschieden sich alle Mitwirkenden gemeinsam auf der Bühne.
Das begeisterte Frankfurter Premierenpublikum applaudiert frenetisch im
Stehen. Dann folgen die Gäste dem Ensemble ins Vorzelt. Hier ist dann
Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, Autogramme zu
ergattern und gemeinsame Fotos zu machen. Das umfangreiche Angebot in
der großzügig aufgebauten Restauration bietet eine weiteren Grund zum
Verweilen.
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