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Circusbau Budapest - Feentanz 2020
www.fnc.hu

Budapest, 4. August 2020: Während in Deutschland noch kein großer Circus spielt, sind in Ungarn alle Reiseunternehmen Anfang Juli wieder auf Tournee gegangen. Mit seinem Neustart am 18. Juli war der Budapester Circusbau der letzte Circus, der in Ungarn wieder zu spielen begonnen hat. Während in anderen ungarischen Circussen nichts auf Corona hinweist, geschweige denn irgendwelche Beschränkungen existieren, gibt es im „Fövarosi Nagycirkusz – Großer Hauptstadtcircus“ Desinfektionsmittelspender, und bei schwächer besuchten Vorstellungen werden die Zuschauer mit Abständen platziert. Das diesjährige Sommerprogramm steht unter dem Motto „Feentanz – Magie der Frauen“, und so stehen hier natürlich vor allem viele Artistinnen in der Manege.

Neben dem weiblichen Geschlecht spielt aber vor allem die Kunst eine große Rolle. Sprechstallmeister Maka Gyula entführt uns daher auch in ein Museum.


Opening

Hier verkörpern acht Frauen verschiedene, real existierende Marmorstatuen, die im Laufe der Show immer wieder in kleinen Zwischenspielen mit Gyula in Erscheinung treten. Ebenfalls stehen im Opening verschiedene Gemälde in der Manege. Diese sind jeweils einer Nummer zugeordnet und werden anschließend für den ersten Programmteil (im zweiten Teil aufgrund des Flugtrapezes nicht) unter die Kuppel gezogen.


Duo Fossett, Plantske Theater

Dort oben spielt sich auch die erste Darbietung ab, nämlich die Hängeperche-Nummer des britisch-ungarischen Duos Fossett. John Fossett hält seine Partnerin in verschiedenen Haltefiguren in der Luft, ehe als Abschluss ein doppelter Zahnhangwirbel inklusive Konfettiregen folgt. Plantske Theater nennen sich fünf Ukrainerinnen, die für den komischen Part in der Show zuständig sind. Die Gruppe hatte sich 2017 an der Kiewer Circusschule gegründet und ist eher dem Fach Pantomime als der Komik zuzuordnen. In ihrem ersten Auftritt spielen sie pantomimisch einen Sommertag nach, zur Unterstützung des Gezeigten werden entsprechende Symbole auf der LED-Wand über dem Artisteneingang eingeblendet. Fünf Freiwillige aus dem Publikum werden schließlich bei ihrem zweiten Auftritt zu Kunstschützen ausgebildet, während sie die Ziele verkörpern. Nach der Pause stellen die fünf Frauen dann noch ihr musikalisches Talent unter Beweis, wenn sie singen und das Publikum mit Klatschspielen und Geräuschen einbeziehen. Die Ideen sind gut, doch lassen sich die Nummern sicherlich noch ausbauen und straffen, vor allem um mehr Lacher zu erzeugen. Auch Tiere gibt es in „Fary Dance“. Svetlana Krachinova, Mutter der erfolgreichen Jongleure Semen und Victor Krachinov, lässt im ersten Teil ihre Hauskatzen in verschiedenen Rassen allerhand Tricks vorführen. Nach der Pause kommt sie in ihrer Rolle als russische Babuschka erneut in die Manege, dieses Mal mit einer Horde Frettchen.


Kolev Sister, Flying Wulber

Ein artistisches Ausrufezeichen setzen im ersten Teil Michelle und Nicole Kolev, die als Kolev Sisters die wohl beste weibliche Hand-auf-Hand-Nummer unserer Tage präsentieren. Tricks, die wir sonst von legendären Duos wie den Alexis Brothers kennen, werden hier mühelos gemeistert. Schade nur, dass die beiden Italienerinnen in der Mitte des ersten Programmteils etwas unterplatziert sind. Klassisch und gut gesetzt nach der Pause ist das Flugtrapez ihrer Familie. Hier wirken aus der Familie selbst zur Zeit nur Tochter Nicole und Vater Mitch mit, während Mutter Gilda und ihre älteste Tochter Michelle eine Pause einlegen. Neu dabei ist die erst 16-jährige Greti Molnar. Die junge Ungarin kommt von der Budapester Circusschule und zeigt hier einen Spagatsprung. Gleich geblieben ist insgesamt die Qualität der Darbietung, natürlich inklusive Dreifachem, Passage und „Todessturz“ aus der Circuskuppel.


Odyss Quartett, Rocksisters

Als Pausennummer erleben wir endlich wieder die rein weibliche Truppe Skokov an der russischen Schaukel in einer europäischen Manege. Die Nummer kommt in neuer Besetzung daher, und aufgrund einer verletzten Fliegerin müssen wir leider auf manche Tricks wie die Passage verzichten. Dennoch ist es immer wieder ein Genuss, den Frauen in ihren langen blauen Kleidern zuzusehen, wie sie elegant von Schaukel zu Schaukel springen und dabei Saltos schlagen. Dazu spielt das siebenköpfige Orchester live ihre bekannte Begleitmusik. Wer denkt, mit diesen zwei Truppen ist dieser Part im Programm abgeschlossen, der irrt sich. Den Schlusspunkt setzen die zehn Artistinnen und Artisten der Truppe Zola. Die Tricks sind hier nicht so spektakulär wie in Monte Carlo oder im Februar bei Krone, so gibt es beispielsweise ein Fünf-Mann-Hoch statt dem Sieben-Mann-Hoch, doch dafür werden die Sprünge alle sicher ausgeführt, es folgen Trick auf Trick und zwischendrin zusätzliche Handvoltige-Einlagen. Insgesamt kommt die Darbietung daher viel temporeicher und schwungvoller rüber als bei ihren Auftritten im Winter. Man muss also nicht immer bis an die Grenzen des Möglichen gehen. Manchmal ist weniger eben doch mehr. Die Truppe Zola fuhr schon im März, direkt nach ihrem Krone-Engagement, nach Budapest und war so schon vor dem Corona-Ausbruch in Ungarn. Selbige Umstände sorgten dafür, dass ihre Landsleute, die Damen des Odyss Quartetts, nun ebenfalls auftreten können. Wenn sich die vier Mongolinnen auf ihrem Podest in alle erdenkliche Positionen verbiegen, ergeben sich wunderbare Bilder. Vor allem am Ende beim vierfachen Marinellistand bleiben den Besuchern die Münder offen stehen. Komplettiert wird das Programm durch die drei Rocksisters mit Großillusionen. Die Tricks sind hier alle bekannt, doch durch ihre rockige Aufmache mit zwei E-Gitarre-Spielern, viel Licht und engen Lederoutfits wird aus der Nummer ein großes Spektakel, was die Zuschauer auch dementsprechend zu honorieren wissen.

Es ist ein Programm mit vielen Mitwirkenden, starken Darbietungen und interessanten Neuentdeckungen, mit dem uns der Budapester Circusbau diesen Sommer verwöhnt. Gewiss kann nicht jedermann etwas mit der Inszenierung der Show anfangen, doch da diese nie überhandnimmt und die menschlichen Leistungen nicht überdeckt, kann man sich auch entspannt zurücklehnen und einfach nur die vielen großartigen Artisten genießen. Nicht zu vergessen das wirklich fantastische Orchester, welches einen großen Teil der Show live begleitet.

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Text: Simon Preißing; Fotos: Circusbau Budapest