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Circo Smile (Alex Zavatta) - Tour 2019
www.circosmile.com ; 85 Showfotos

Santa Coloma de Gramenet, 17. Februar 2019: In Leucht-Lettern prangt der Schriftzug „Smile“ vom Kassenwagen. Es ist beileibe nicht nur der Name, den Alex Zavatta und seine Familie ihrem Unternehmen gegeben haben; es ist vielmehr ein Versprechen. Tatsächlich verlässt man als Zuschauer zwei Stunden später gut gelaunt und mit einem einem breiten Lächeln diesen Ort, absolut hingerissen von einem bunten, dynamischen, witzigen Programm. Das Ensemble liefert den Beweis, das einem um die Zukunft des Kulturgutes Circus nicht Bange sein muss.

Vor gut zwanzig Jahren haben Allessandro (Alex) Zavatta und seine Frau Patrizia Bogino ihren eigenen Betrieb in Spanien gegründet. Die Wurzeln beider, ursprünglich aus Italien stammenden Familienzweige lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Seit einigen Jahren reist man ausschließlich in Katalonien. Die dortigen Bestimmungen erzwingen ein rein akrobatisches Programm, welches deshalb auf einer erhöhten Bühne stattfinden kann. Für eine schnelle Installation ist die Plattform auf einem Hänger montiert, zusammen mit den beiden Hauptmasten des mit einem Schalensitz-Gradin ausgestatteten Chapiteaus. Die weiße, schon ältere Plane wird zudem von vier Quaderpoles gestützt. Der Gastronomie-Container ist auf einem offenen Auflieger angebracht; davor sind einige Stühle und Tische zum Verweilen unter einem weiteren Zeltdach aufgebaut. Die Zweckmäßigkeit ist unverkennbar, und doch hat das alles seinen eigenen Flair.


Smile: ein junges, talentiertes Ensemble

Gestaltet wird die Vorstellung dann vom eigenen, höchst talentierten Familiennachwuchs sowie einigen weiteren jungen und vielversprechenden Künstlern. Speziell in punkto Ausstrahlung besticht das siebenköpfige Ensemble. Nahezu alle agieren mit einer unglaublichen Leichtigkeit und Spiellust, dass es eine echte Freude ist, ihnen zuzuschauen. Hinzu kommen zum Teil wirklich hervorragende technische Leistungen. Zur Eröffnung des Programms, dessen Lichtgestaltung insbesondere durch zwei starke Verfolger profitiert, stellt sich die junge Truppe mit den unterschiedlichsten akrobatischen Genres gemeinsam vor: Kontorsion, Jonglage, Hand- und Luftakrobatik sowie tänzerische Abläufe. Dazu erklingt – wie vielerorts aktuell – die Musik aus dem Kinoerfolg „Greatest Showman“. Mit vielen Koffern bepackt, ist es anschließend an Clown Michael Cadima, erstmals die Bühne zu entern. Mit dem kleinsten seiner Gepäckstücke fängt er den Applaus des Publikums ein. Es sind – wie hier – meist bekannte Stücke, die der portugiesische Spaßmacher aus der Torralvo-Familie zeigt. Aber er macht dies bereits mit feiner Mimik und Gestik sowie auf eine wirklich liebenswerte, positiv einnehmende Art. Zwischenzeitlich ist Cadima vertragsgemäß zum dänischen Cirkus Trapez gewechselt.


Maxi Diaz, Alessia & Glenn Magacci, Kimberly Zavatta

Die Luftdarbietungen sind – zumindest noch in der besuchten Vorstellung – hausgemacht. Kimberly Zavatta ist für diese verantwortlich. Zunächst beweist sie ihr profundes technisches Können beispielsweise mit dem freihändigen Damen- und Herrenspagat an Tüchern. Dabei trägt sie ein Kostüm samt Perücke im Comic-Stil. Inzwischen ist diese Nummer gegen einen Auftritt an den Strapaten ausgetauscht. Ein versierter Jongleur ist der Argentinier Maxi Diaz, der jeweils bis zu fünf Bälle, Ringe und Keulen bzw. vier Fackeln in der Luft hält. Auch die Wurfmuster sind ansprechend, insgesamt aber gerät der Ablauf aufgrund der Vielzahl der Requisiten etwas langatmig. Mit einem männlichen Zuschauer liefert sich Michael Cadima daraufhin ein imaginäres Pistolen-Duell. Für die Geräusche sorgt der Clown selbst. Für ein recht klassisches Bild sorgen die Geschwister Magacci. Glenn übernimmt, noch etwas introvertiert wirkend, den Hauptpart in der Einrad-Nummer. Seine Schwester Alessia ist die attraktive Assistentin, die er zuweilen bei den Touren auf seinen Schultern trägt. Zudem hüpft er unter anderem mit seinem Gefährt eine Treppe hinauf.


Alessia & Glenn Magacci, Trixie Zavatta

Nach einem kurzen Intermezzo ist das Podest für die Jüngste bereitet. Nesthäkchen Trixie Zavatta demonstriert darauf ihre schon beachtlichen kontorsionistischen Fähigkeiten. Kindgerecht begleitet sie ein großer Stoffhase beim Auftritt. Ihre Schwester Kimberly übernimmt mit einer weiteren Luftdarbietung am Netz. In der Inszenierung dient erneut die Comic-Welt als Vorbild: sie agiert als Catwoman. Mittlerweile hat Jenny Nemeth diesen Part übernommen. Die an der Circusschule von Verona ausgebildete Ungarin steuert zudem neu eine Handstand-Darbietung bei. Dem Eiffelturm nachempfunden ist das Requisit von Maxi Diaz. In seinem zweiten Auftritt windet er sich um eine drehbare Pole-Stange, an der er bei mancher Wiederholung auch mehrere menschliche Flaggen zeigt. Danach geht es zunächst in die Pause. Der zweite Programmteil beginnt gleich mit einem echten Höhepunkt. Dafür sorgen die eigentlich im Circo Wonderland beheimateten Alessia und Glenn Magacci am hohen chinesischen Mast. Unglücklich, dass einige herausragende Tricks gleich zu Beginn der Darbietung gesetzt sind; so Alessias Spagat auf den Füßen ihres Bruders, während sich Glenn mit den Armen vom Mast abdrückt. Ebenso eindrücklich: Alessias freier Stand auf Glenns Händen, wenn dieser sich kopfüber lediglich mit den Beinen an der Stange festhält. Oder wenn sich Glenn in der Waage hält, während seine Schwester auf ihm akrobatische Figuren zeigt. Weitere Tricks, mal alleine, mal zusammen, folgen. Auch Abfaller sind dabei. Den Schluss der Nummer bildet dann Alessia freier Stand auf ihrem die Flagge drückenden Bruder Glenn.


Kimberly & Holler Zavatta, Michael Cadima

Mit einem spontanen Date überrascht Michael Cadima eine weibliche Zuschauerin. Dumm nur, dass die imaginäre Autofahrt recht wild ausfällt, die Dame auch nach dem Sekt noch abgeneigt ist und er selber allergisch auf die Rosen reagiert – ganz zum Amüsement des Publikums. Gegenüber den anderen Darbietungen sticht die gemeinsame Rollschuh-Darbietung der Geschwister Kimberly und Holler Zavatta heraus; steht die äußerst stilvolle Inszenierung doch in einem gewissen Kontrast zum ansonsten sehr bunten Programm. Das hervorragende technische Können, mit vielen risikoreichen Passagen und dem Genickwirbel zum Schluss, hat der gut aussehende Direktionsnachwuchs ebenfalls an der Circusschule von Verona erlernt. Vor zwei Jahren gab es dafür einen „Bronze Junior“ in Monte Carlo. Im Februar 2020 werden sie dann im Krone-Bau zu sehen sein. Zum Schluss stimmt Clown Michael Cadimas dann noch Sinatras „My Way“ an, verliert dabei seine Hose, verheddert sich auf amüsanteste Weise in Mikrofon und Barhocker und bereitet so den Weg zum Finale. Dies ist ganz in weiß gehalten. Trixie Zavatta sammelt den letzten großen Applaus des Publikums nun in ihrer Dose. Dann nimmt das Ensemble Abschied von den Zuschauern: zunächst gemeinsam auf der Bühne, dann auch draußen im Spalier - nicht ohne noch zahlreiche Selfie-Wünsche zu erfüllen.

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Text und Fotos: Benedikt Ricken