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Circus Royal - Tour 2019
www.circusroyal.ch ; 80 Showfotos

Solothurn, 22. März 2019: „Wir sind Circus!“ ist das diesjährige Programm des Circus Royal betitelt. Gewidmet ist es dem 2018 verstorbenen Peter Gasser. Der ehemalige Direktor hat lange Zeit gemeinsam mit seinem Partner Oliver Skreinig das Unternehmen geleitet. Immer ganz dem klassischen Circus mit Tieren, Clowns und Akrobaten verpflichtet. So soll es auch bleiben. „Wir haben versucht, alles was er am Circus liebte, zu vereinen“, schreibt Skreinig im Programmheft über die neue Show. So sind auch wieder Raubtiere dabei. Damit schafft sich Royal ein Alleinstellungsmerkmal in der Schweiz.

Und jede Menge Aufmerksamkeit der Medien. Als „die wohl berühmtesten Löwen der Schweiz“ moderiert Skreinig denn auch die Nummer im Zentralkäfig an. Als weiteres Highlight der Tournee wurde ein Orchester angekündigt. Zum letzten Mal reiste Royal 2012 mit Livemusikern. Die zu Saisonbeginn spielende Band ist bei unserem Besuch in Solothurn schon nicht mehr dabei. Ersatz sei aber unterwegs, teilt die Direktion mit. Ebenso für die bereits ausgeschiedene marokkanische Truppe. Des Weiteren ist das im Programmheft angekündigte Ballett nicht zu erleben. Stattdessen gibt es eine Solotänzerin.


Circus Royal in Solothurn

Für die Regie der Show verantwortlich ist Alexander Lichner. Mit seiner Akrobatik am Trapez war er bereits 2015 bei Royal engagiert. Nun ist er zurückgekehrt. Neben der Gestaltung des Programmablaufs obliegt ihm die Verantwortung für den technischen Bereich des Unternehmens. Diese Rolle füllt er als stellvertretender Direktor aus. Lichner hat weitere Mitglieder der Familie mit in die Schweiz gebracht. Seine Frau Nuria ist für die Restauration verantwortlich. Bruder Adam Lichner fungiert als Zeltmeister. Schwager Maike Torralvo Quiros gibt den wunderschönen Weißclown. Auf der Trompete spielend eröffnet er stilvoll das Programm. Auch die einleitenden Worte gehören ihm. In einem bunten Charivari mit großen Fahnen stellen sich alle Mitwirkenden dem Publikum vor.


Brandon Popov, Alan Rossi, Carole Pinder

Gleich für ordentlich Tempo sorgt Brandon Popov. Der Jongleur wurde aus dem Vorjahr prolongiert. Bei seinen Touren mit Keulen und Bällen unterstützt ihn eine charmante Assistentin. Seine weißen Bälle jongliert er sowohl in die Luft als auch zu Boden. Ebenfalls bereits im Programm 2018 des Circus Royal zu erleben war Alan Rossi. Der sympathische Clown aus Italien hat neue Nummern im Gepäck. Seine witzigen orientalischen Zaubereien leiten die Kamelfreiheit ein. Carole Pinder präsentiert sechs stattliche Tiere aus dem Royal-Exotenstall. Charmant dirigiert sie eine bestens eingespielte Laufarbeit. Effektvoll aufgewertet wird diese durch schönen Livegesang. Vom Orchesterpodium über der Gardine aus kommt die Vokalistin an verschiedenen Stellen des Programms zum Einsatz. Als Ballerina erfreut uns danach Alan Rossi. Doch damit stört er Maike Torralvo Quiros, der mit Glocken musizieren möchte. Kurzerhand bindet der Weißclown Rossi in sein kleines Konzert ein.


Klara Jay, Alexander Lichner, Thomas Lacey

Im Dunkeln beginnt der Auftritt von Klara Jay. Sie jongliert brennende Kugeln mit Händen und Füßen. Im weiteren Verlauf ihrer Antipodenspiele dienen weiße Fußbälle und Tücher als Requisiten. Immer wieder publikumswirksam ist das Bugsieren eines Balls über mehrere Etagen in einen Korb am oberen Ende einer Stange. Diese Leiter steuert Klara Kathriner-Janecek, so ihr kompletter Name, natürlich mit den Füßen. Die Pausennummer gehört völlig zu Recht Alexander Lichner. Mit seiner gewagten Kür am Trapez war er schon bei vielen großen Circusshows engagiert. An diesem Nachmittag brilliert Lichner unter anderem mit Zehen- und Fersenhang. Sprünge sind noch nicht dabei. Ebenso nicht gezeigt wird derzeit das Balancieren auf dem hinauf- und herunterfahrenden Trapez im Zahnstand. Zu Beginn des zweiten Teils ist der Zentralkäfig aufgebaut. Wir erleben zwar nur drei Löwen. Doch diese kleine Anzahl ermöglicht ein umso intensiveres Miteinander von Mensch und Tier. Und dieses zeigt uns Thomas Lacey. So etwa bei Sprüngen, dem Hochsitzen des gesamten Trios und dem Abliegen einer Raubkatze auf seinen Beinen. Eine gefällige Dressur, die die Schönheit der Tiere in den Vordergrund stellt und ihnen spielerisch ermöglicht, ihr Können zu beweisen. Thomas Lacey zeigt dabei einen souveränen und freundschaftlichen Umgang mit seinen Schützlingen. Natürlich ist auch die Unterbringung der Löwen vorbildlich.


Ethiopian Brothers, Oliver Skreinig, Hermanos Acero

Den Käfigabbau überbrückt Oliver Skreinig mit einem gesprochenen Text, der sich mit einem Lied der Sängerin abwechselt. Außerdem lassen zwei Figurantinnen Bälle durch das Publikum wandern. Anschließend entführt uns Alan Rossi in ein italienisches Restaurant. Carole Pinder gibt den Gast. Sie muss sich vom offensichtlich ungelernten Kellner einiges bieten lassen. Zum Essen kommt sie bei diesem herrlichen Spaß nicht, denn die Spaghetti landen auf dem Boden und im Publikum. Noch einmal wird mit den Füßen jongliert Die Ethiopian Brothers haben sich den Ikarischen Spielen verschrieben. Unbeschwert wirbelt der ältere den jüngeren durch die Luft, wo dieser seine Salti und Schrauben dreht. Für ein Intermezzo spielt Maike Torralvo Quiros auf dem Gradin Trompete. Die Tänzerin erscheint im Tutu. Doch das Outfit täuscht. Statt zu klassischer Musik tanzt sie zu modernen Rhythmen. Je zwei Kamele und Haflinger vereint Oliver Skreinig zu einer Freiheitsdressur. Quasi als Zugabe springt ein Pony über die abliegenden Kamele. In seinem letzten Auftritt versucht Alan Rossi mit der Pistole auf einen Luftballon zu zielen. Dank des Eingreifens von Weißclown Maike Torralvo Quiros kommt das Publikum heil davon. Mit der Schlussnummer sorgt der Circus Royal für eine große Überraschung. Die Heramons Acero sind eine wirkliche Attraktion. Die beiden Brüder aus Kolumbien begeistern mit grandioser Partner-Equilibristik. Diese ist nicht nur trickstark, sondern wird auch äußerst professionell verkauft. Als Höhepunkt laufen die sympathischen Südamerikaner im Kopf-auf-Kopf eine Treppe hinunter und rückwärts wieder hinauf. Dies ohne Hilfsmittel. Bravo. Im lebhaften Finale verabschieden sich alle Mitwirkenden vom Publikum. Oliver Skreinig spricht in seiner gewinnenden Art die abschließenden Worte.

Auch ohne die derzeit fehlenden marokkanischen Artisten und ohne Orchester bietet der Circus Royal ein wunderbar stimmiges, unterhaltsames Programm. Das Lichtdesign ist sehr ansprechend, die Musik wird in guter Qualität eingespielt. Die Sängerin ist ein zusätzlicher Pluspunkt. Der Gesamteindruck wird leider nach wie vor durch den nicht gerade optimalen Zustand des Materials getrübt. Keiner erwartet ein Ambiente a la Roncalli. Aber mit einem einladenderen Erscheinungsbild lässt sich der Wohlfühlfaktor deutlich steigern.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch