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Ungarischer Nationalcircus - Tour 2019
www.magyarnemzeticirkusz.hu ; 116 Showfotos

Pápa, 13. Oktober 2019: Vier Jahre lang begeisterte der Ungarische Nationalcircus der Familie Richter mit großen Exotenbildern. 2015 überraschte und faszinierte die Exotische Post, 2016 das unfassbare Exotentableau mit 33 Tieren, 2017 gar die Kombination von beidem. Auch 2018 gab es eine Mischung aus Post und Karussell zu sehen. Schließlich galt es, den Goldenen Clown zu feiern, den man völlig zurecht aus Monte Carlo mitbrachte. 2019 nun hat man die Tiere wieder auf einzelne Darbietungen aufgeteilt und bietet so eine faszinierende Vielfalt an hochklassigen Dressurdarbietungen.

Die großen Bilder liefern in diesem Jahr Themenblöcke: The Greatest Showman und eine Gypsy-Fantasy, dazu eine Neuauflage der Akrobatik auf Elefanten der Familie Casselly und zum Schluss eine Kombination von Motorrad-Disziplinen. Begleitet wird das 25. Programm des Unternehmens wieder vom Acht-Mann-Orchester unter der Leitung von Várszegi János und von Sängerin Lady Masallah. Dieses mitreißende, hochklassige Jubiläumsprogramm zementiert die herausragende Stellung des Ungarischen Nationalcircus als eines der wenigen Unternehmen Europas, für dessen Programm sich jedes Jahr auch die weiteste Anreise lohnt. Aber der Reihe nach.


Merrylu und Jozsef Richter jun.

Von den aus Monte Carlo bekannten Marschklängen leitet die Musik direkt zum Schaubild "Greatest Showman" über. Hohe Schule um Kerzenständer, vier Tänzerinnen mit Leuchtkostümen, ein Pegasuspferd am Zügel, nach fünf Jahren endlich wieder einmal Merrylus wunderbar flüssige Kontorsions-Kür inklusive abschließendem Bogenschuss mit den Füßen sind erste Bestandteile davon. Dazu singt Lady Masallah „Never Enough“ aus de, Soundtrack des Circusfilms. Joszef Richter jun. begrüßt nun als eben jener Greatest Showman und gibt ein formvollendetes Bild des klassischen Circusdirektors. Das Schaubild zum Kinohit wird von Lady Masallah auf einem Elefanten, der fast alleine einige Tricks arbeitet und auch das Podest mitnimmt, und zwei Mitgliedern der Flying Weiss mit einigen Tricks an den Strapaten abgerundet.


Ovidiu Tell, Truppe Cadselly & Richter

Den romantischen Moment aus diesem ersten Block greift die folgende Dating-App-Reprise von Steve und Jones Caveagna auf. Gleiches tut der Auftakt von Ovidiu Tells Nummer, die er von Guy Tell übernommen hat: Hinter einem überdimensionalen Apfel mit papierbespanntem Fenster sieht man die Silhouette seiner Partnerin verführerisch tanzen. Der erste Schuss trifft ein von ihr gehaltenes Brettchen durch das Papier, gefolgt von drei schnellen Tricks mit Blume, Zeitungspapier und drei Luftballons. Danach nimmt der Aufbau des Mehrfachschusses, bei dem er sich selbst einen dann echten Apfel vom Kopf schießt, leider das bis dahin hohe Tempo ein wenig aus der Show. Doch gleich darauf bekommt das Programm mit der legendären Akrobatik auf Elefanten wieder richtig Fahrt Nun wurde Jozsef Richter jun. in die Nummer integriert. Vier berittene Elefanten geben ein manegenfüllendes Bild ab. Auf ihnen gezeigt werden viele Tricks, die man nicht oft genug sehen kann, beispielsweise Rene jrs Spagat zwischen zwei Elefanten, Merrylus Brücke von Elefantenkopf zu Elefantenkopf, während ihr Bruder einen Handstand auf ihren Knien macht. Immer wieder großartig ist der Quickchange von Reiterin und Tier. Von zwei nebeneinander laufenden Elefanten aus gibt es Salto und Pirouette per Handvoltigen auf zwei dahinter laufende Tiere. Merrylu zeigt den Salto vom Schleuderbrett, das von einem Elefanten bedient wird, auf die Schultern von Jozsef, der auf einem weiteren der Tiere steht. Rene wagt den Dreifachen auf den Rücken eines Elefanten. Wie schön, diese Darbietung wieder einmal auf Saison zu sehen.


Merrylu und Jozsef Richter jun.

Doch das war es noch lange nicht an tierischen Höhepunkten in der ersten Hälfte: Nach der Motorrad-Reprise von Steve beweist Merrylu, dass man auch auf einem Kamel Reitkunststücke vollführen kann. In der Folge zeigen vier Kamele eine Freiheit. Sie legen sich ab, fast schon klassisch gefolgt von Lamas, die nun über die Kamele springen. Nach einer Tanzeinlage vier orientalisch gekleideter Damen folgen die zwei Giraffen, von Merrylu und Jozsef vorgeführt. Das Publikum in der Loge darf die erstaunlich ruhigen und zutraulichen Tiere füttern. Eines betritt und verlässt die Manege ganz ohne Führung. Eine Giraffe legt ein Bein über die Schulter von Jozsef. Das schöne Bild wird von Lamas und Eseln, die sich frei in der Manege bewegen, abgerundet.


Steve Caveagna, Flying Weiss, Trio Simet

Den Aufbau des Sicherheitsnetzes für das Flugtrapez überbrückt eine Gesangseinlage. Die Flying Weiss zeigen dann lediglich fünf Tricks, darunter den Dreifachen, die Passage und den Sturz mit dem Kopf voraus aus der Kuppel ins Netz. Steve und Jones leiten im Anschluss zur Pause über. In die Luft geht es gleich nach der Pause wieder: die Balancekunst des Trio Simet auf dem Semaphore ist immer wieder beeindruckend. Ein wenig an eine Variation eines Todesrads erinnernd, aber mit einem ganz schmalen Laufsteg, so dass auch gleichzeitig Assoziationen an Hochseilartistik aufkommt, zeigen zwei Damen und ein Herr gewagte Tricks. Die sphärische Musik kommt vom Tonband – die einzige Darbietung, bei der das Orchester pausiert. In Deutschland sah man das Trio Simet zuletzt in einem Krone-Januar-Programm und bei Roncallli im Tempodrom. Danach sorgen die Clowns wieder für Stimmung bei einem Musikentree mit Tanz und Beatboxen mit Publikumsbeteiligung.


Gypsy Fantasy, Extrém Motorshow, Simets

Und schon folgt der nächste große Showblock, die „Gypsy Fantasy“. Hohe Schule, Tänzerinnen, Ponys und tollkühne Reiterei, dazu feurige Musik: auch dieser Block ist ein Fest für Augen und Ohren, bei dem die Funken sprühen. Nach einer an die Stuttgart/Monte Carlo/Nikulin-Inszenierung von Yuri Volodchenkov erinnernden Hohe Schule folgt Artistik auf einem Podest auf Rädern, das von einem Pferd um die Manege gezogen wird. Wir sehen Jonglage mit Fackeln, Handvoltigen, Elemente, die an ein Pas de deux erinnern. Wie immer ein absoluter Höhepunkt ist die in diesen Block eingebettete Jockey-Reiterei, nun wieder ohne die Elemente der Kosakenreiterei, die man im Vorjahr integriert hatte. Die Gypsy Fantasy wird abgeschlossen von Rene Casselly jr mit sechs Ponys: Aufsteiger, hochsitzendes Pony, seilspringendes Pony, wohl selten sah man eine so trickreiche Ponydressur. Steve ist nicht nur Clown, sondern auch einer der besten Diabolo-Artisten der Gegenwart, er hält scheinbar mühelos bis zu vier Diabolos in der Luft und wird dabei von Jones auf dem Saxophon begleitet. Und schon wieder folgen Pferdestärken, nun aber motorisierte: zu „Eye of the Tiger“ und „I need a hero“ sind nach einem Jahr Pause abermals Motorradspringer im Programm. Dieses Jahr hat man dazu eine Rampe mit dem Aufdruck Magyar Nemzeti Cirkusz geschaffen und das Ganze zu einer großen Shownummer ausgebaut: in den Pausen zwischen den Sprüngen zeigen die Simets auf der rechten Seite des Chapiteaus Artistik auf und unter dem Motorrad auf dem Schrägseil. Sie fahren die erste Strecke wirklich knapp über den Köpfen des Publikums, und natürlich sind auch in diesem Block Tänzerinnen vertreten.

Was für ein Programm, was für eine Stimmung im Publikum! Was der Ungarische Nationalcircus in diesem Jahr präsentiert, ist wahrlich ein Jubiläumsprogramm – und dennoch kann man sich sicher sein, dass auch im nächsten Jahr, ohne Jubiläum, wieder eine genauso mitreißende Show geboten werden wird. An Weihnachten sehen wir Richters und Cassellys wieder in Deutschland, aufgeteilt auf die Weihnachtscircusse in Heilbronn und Offenburg. Dennoch: die Reise nach Ungarn, um dieses mitreißende Programm zu erleben, hat sich auf jeden Fall gelohnt!

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Text: Andreas Heidenreich, Fotos: Tobias Moll