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Circus Musical von Rolf Knie - Tour 2019
www.kniemusical.com ; 105 Showfotos

Dübendorf, 23. März 2019: Ich mache mir nicht allzu viel aus Musicals. Das Circus Musical lag einfach auf dem Weg und passte ganz gut in unseren Reiseplan. Also schauen wir uns das mal an. Doch als der letzte Vorhang fällt, bin ich einer der ersten, um Standing Ovations zu spenden. Am Tag darauf lade ich mir die Songs runter. Die Produktion von Rolf Knie hat mich rundherum überzeugt, ja begeistert. Die Erwartungen wurden weit übertroffen. Es stimmt einfach alles. Das geht los beim hochwertigen Interieur der Zeltanlagen, die wir vom Grundaufbau her von Salto Natale kennen.

Vor allen Dingen ist es aber das Musical selbst, das fasziniert. Alle Komponenten sind für sich genommen hervorragend gelungen. Zudem bilden sie eine fantastische Einheit. Die Musik ist wunderbar und abwechslungsreich, geht gut ins Ohr. Die Dramaturgie sorgt dafür, dass der Spannungsbogen nie abreißt. Die Kostüme sind aufwendig und sehr geschmackvoll. Die gesamte Ausstattung ist beeindruckend. Wir erleben kleine, intime Szenen und große Bilder. Insbesondere die ausschweifenden Darstellungen von Circusvorstellungen begeistern. Natürlich gibt es Artistik zu sehen. Zaubertricks bereichern die Handlung, sorgen für Staunen. Die Besetzung aller Genres – Sänger, Artisten, Schauspieler, Tänzer – ist vortrefflich. Zu alledem bekommen wir noch Geschichte vermittelt. Die des Circus Knie.


Szene aus dem 1. Teil mit Friedrich Knie und Ensemble

Dabei beschränken sich die Macher nicht auf die 100 Jahre, die der Circus 2019 besteht. Die Erzählung beginnt bei dem 1784 geborenen Friedrich Knie, dem Gründer der Dynastie. In der ersten Szene eröffnet er 1803 seinem wenig erfreuten Vater, dem Leibarzt von Maria Theresa, dass er sich dem fahrenden Volk anschließen will. Natürlich ist der Herr Papa wenig erfreut. Es kommt zum Zerwürfnis. Friedrich aber geht seinen Weg, gründet eine Artistentruppe und zieht über die Marktplätze. Bei einem dieser Gastspiele lernt er Antonia Staufer kennen und lieben. Sie wird schließlich seine Frau. Anlässlich eines umjubelten Auftritts der Compagnie vor dem Kaiser kommt es zum Wiedersehen von Vater und Sohn sowie zu ihrer Versöhnung. Die Freude währt aber nur kurz, denn Friedrich Knie stirbt. Sein Vater kann ihm nicht mehr helfen. Antonia Knie führt die Geschäfte fort, das Ensemble ist in Trauer. Als Soldaten Napoleons eine Extravorstellung am Feld verlangen, tritt die neue Direktorin resolut auf. Einen Auftritt gibt es nur in der Stadt. Und nur dann, wenn sie ihre konfiszierten Pferde wiederbekommt - „geputzt und gestriegelt“, so ihre letztendlich erfolgreiche Forderung. Dann macht die Geschichte einen Sprung zur 3. Generation. Maria Heim-Knie spricht bei den Oberen der Stadt Rapperswil vor, um mit ihrem Unternehmen dort ansässig zu werden. Als sie scheitert, nehmen ihre vier Söhne die Angelegenheit in die Hand. Sie haben Fortune, und so siedelt die Arena Knie von Österreich in die Schweiz über. Dort gründen die Brüder Friedrich, Karl, Eugen und Rudolf 1919 den Schweizer National-Circus Gebrüder Knie. Offenbar erfolgreich, denn das auf Pump gekaufte Chapiteau kann schneller abbezahlt werden als gedacht. Ein größeres wird sogleich bestellt. Mit einer prächtigen Circusvorstellung endet der erste Teil.


Szene aus dem 2. Teil mit der 5. und 6. Generation

Nach der Pause erleben wir das Bruder-Quartett im Streit. Eugen darf nicht mehr auf dem Hochseil auftreten und spricht deswegen dem Alkohol zu. Dann geht es um die große India-Show. Sie ist zwar wahrhaft prächtig, bringt aber nicht den gewünschten Erfolg. Zur Ankurbelung des Geschäfts schlägt ein Vertreter der nächsten Generation vor, glatzköpfige Männer mit dem Knie-Logo auf dem Kopf durch die Stadt zu schicken und zwei Löwen freizulassen. Zudem gibt es jetzt Paraden in den Gastspielorten. Thematisiert wird auch die Zeit des Nationalsozialismus. Als die Nazis feststellen, dass vor dem Chapiteau nicht die Hakenkreuz-Fahne hängt, drohen sie damit, die Artisten aus Deutschland und den von Deutschland besetzten Ländern abzuziehen. Auch diese Situation wird gelöst. Quasi als Gegenleistung gehen Rolf und Fredy Knie im Winter 1942/43 mit Pferden und Elefanten ins Engagement nach Berlin. Bei der letzten Vorstellung im Wintergarten ist auch Adolf Hitler zugegen. Um eine Begegnung mit ihm zu vermeiden, verladen sie ihre Tiere unmittelbar nach der Show in die Eisenbahnwaggons und reisen zurück in die Schweiz. Gerade noch rechtzeitig entgehen sie einem Bombenangriff auf die Stadt, der im Theater eindrucksvoll dargestellt wird. Filmsequenzen aus der Wochenschau ergänzen diesen Teil der Geschichte. Anhand von Plakaten und wunderbaren Spielszenen wird an die Programme der folgenden Jahre erinnert. Rolf und Fredy Knie thematisieren die Bedrohung durch das Fernsehen. Als Gegenmaßnahme sehen sie unter anderen die Öffnung des Chapiteaus für die Morgenarbeit, um so das Training mit den Tieren transparent zu machen. Dann gehört die Bühne der 6. Generation. Fredy, Franco, Rolf und Louis Knie präsentieren sich in einer großen, lebendigen Schlussszene. Zum Epilog erleben wir noch einmal Friedrich Knie.


Jozsef Pakucza, Sabina Muradova, Victor Rossi

Die Handlung wird äußerst gelungen umgesetzt. So unterhaltsam, anschaulich sollte Geschichtsvermittlung immer sein. Besonders packend sind die verschiedenen Gaukler- und Circusvorstellungen. Zunächst sind es die Gastspiele unter freiem Himmel auf den Marktplätzen, später dann die großen Shows unter dem Chapiteau. Immer individuell, immer aufwendig gestaltet. Sehr originell etwa sind die Tierdarstellungen. Die Figuren wurden eigens für das Musical erdacht und gebaut. Natürlich sind auch Profiartisten dabei, die allerdings nicht en bloc ihre Nummern spielen, sondern immer nur Sequenzen zeigen. So läuft Nicol Nicols in zwei Szenen über das Drahtseil, demonstriert Jozsef Pakucza seine Kraft, jonglieren Elena Drogaleva und ihre Gentlemen in mehrere Auftritten und zeigt Sabina Muradova Luftakrobatik. Zudem müssen sich die Artisten als Schauspieler beweisen. Herzig etwa ist es, wenn Nicol Nicols als Sohn von Friedrich Knie unter Tränen Abschied vom Vater nimmt. Bestens in der Circuswelt bekannt sind auch Victor Rossi und Antoninio de Jesus Ferreira (Manducas), die zusammen mit dem kleinwüchsigen Schauspieler Peter Brownbill unsere Begleiter durch den Nachmittag sind. Immer wieder tauchen sie auf und sorgen für Heiterkeit.


Szene aus dem Jahr 1919

Stark besetzt ist auch die Riege der Sängerinnen und Sänger. Am bekanntesten dabei ist Alexander Klaws, Gewinner der ersten Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“. Er ist in den Rollen von Friedrich Knie und Fredy Knie sen. zu erleben. In der von uns besuchten Vorstellung agiert stattdessen Friedrich Rau. Er macht seine Sache, wie auch alle anderen Vokalisten, ganz hervorragend. Musik und Liedtexte stammen von Martin de Vries sowie Patric Scott. Letzteren kennen wir als Sänger mehrerer Ausgaben von Salto Natale. Die Komponisten verstehen es, eingängige Melodien zu schreiben, für musikalische Abwechslung zu sorgen und alles zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Ebenfalls von Salto Natale bekannt ist Peter Pfändler. Dort ist er als Comedian aufgetreten. Für das Musical hat er die Texte erdacht. Für die herrlichen Bühnenbilder zeichnet Peter Rothe verantwortlich, für das wunderschöne Lichtdesign Jacques Rouveyrollis. Die prächtigen Kostüme haben Stela Verebceanu und Sonia Salado kreiert. Der Magier Dany Lary hat die Spezialeffekte beigesteuert. Produzent, Regisseur und Autor schlussendlich ist Rolf Knie. Er hat hier ein wahres Meisterwerk erschaffen, hat einen enormen Aufwand auf sich genommen. Künstlerisch hat sich dieser ohne jeden Zweifel gelohnt. Wie es wirtschaftlich aussieht, muss sich noch zeigen. Nach Dübendorf wird die kostspielige Produktion im Sommer für einen Monat in Bern und von Anfang November bis in die zweite Dezemberhälfte in Basel gezeigt. In Bern wird wiederum im Chapiteau gespielt, in Basel im Musical Theater.

Mit seinem Circusmusical schenken uns Rolf Knie und sein Team ein einzigartiges Erlebnis. Es ist faszinierend zu erleben, wie hier ein Stück Circusgeschichte in Form von hochwertiger Unterhaltung auf die Bühne gebracht wird. Es stimmt einfach alles. Und auch eingefleischte Circusfans kommen auf ihre Kosten. Fans des Musicals ohnehin. Es verwundert also nicht, dass die Standing Ovations an diesem Nachmittag nicht nur von uns kommen. Der Rest des Publikums schließt sich frenetisch applaudierend an.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch