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Circusbau Budapest - Flying Circus 2019
www.fnc.hu

Budapest, 17. August 2019: Kristian Kristof ist ein viel beschäftigter Mann. In Deutschland produzierte er mit das neue Krone-Tourneeprogramm, managt die ungarische Nouveau-Cirque-Compagnie „Recirquel“ und choreographierte die circensischen Blöcke im Hollywood-Remake „Dumbo“. Szenen ebenjenes Blockbusters hat er mit in den Budapester Circusbau gebracht, den er über Jahre gemeinsam mit seinem Vater prägte. „Repülöcirkusz“ („Flying Circus“, „fliegender Circus“) heißt die Sommershow, die vom 20. April bis zum 9. September gezeigt wurde.

Dabei sehen wir mitreißenden Circus ganz klassischer Machart, nicht altbacken, aber auch nicht futuristisch. Dazu passt auch die warme Atmosphäre im Spielsaal des Gebäudes, das in den nächsten Jahren durch einen Neubau ersetzt werden soll. Das achtköpfige Orchester wurde auf der Tribüne seitlich des Artisteneingangs platziert, sodass auch das Ambiente an „Dumbo“ erinnert. Nur der Schlagzeuger sitzt noch auf dem ursprünglichen Podium. Es wurde mit einer LED-Wand ergänzt wird, die während der Show passende Motive zeigt.


Trio Sárközi

Neben Orchester und Ambiente ist mit Moderator Gyula Maka eine weitere Konstante in Budapest vertreten. Ab- oder Ansagen gibt es jedoch nicht, stattdessen zeigt sich Maka für Begrüßung und Verabschiedung sowie die seriöse Rolle im „Bienchen“-Entrée verantwortlich. Und wer könnten diesen Lachschlager besser präsentieren als Fumagalli und Daris. Ergänzt wird das bekannte Duo von Fumagallis Sohn Niko. Noch vor dem Opening heizt der Starclown die Stimmung als Dirigent an, ehe Ballett und Artisten die Show eröffnen. Das Motto „Flying Circus“ wird dabei erstmals von einem Modellflieger aufgegriffen, der einige Runden über das Gradin dreht. Für die eigentliche, temporeiche Eröffnung sind dann die Jungs des Jonglage-Trios Sárközi zuständig. Parallel, aber vor allem gemeinsam jonglieren sie mit Keulen, wobei verschiedenste Passings gezeigt werden. Zum Schluss fängt ein Partner unzählige Ringe, die die beiden anderem ihm in immer kürzeren Intervall zuwerfen.


Marionette’s Dream, Daniel Golla, Jana Posna

Nach diesem sehr klassischen Einstieg taucht wieder ein Modellflieger auf – und steht diesmal ganz im Mittelpunkt. Modellflieger Daniel Golla passt natürlich hervorragend in ein Programm unter diesem Motto. Hier tritt er im historischen Pilotenkostüm auf, die Technik und Präsentation der Darbietung ist jedoch unverändert flott und modern. Es ist immer beeindruckend, was man alles mit einem Modellflugzeug machen kann. Die einzige Tierdarbietung in diesem Programm wird von Jana Posna präsentiert, die ihre großgewachsenen Pudel mit nach Budapest gebracht hat. Auch sie war bei der „Dumbo“-Neuverfilmung mit dabei. Trotz gepflegter Kostüme, Tiere und Requisiten kann die Darbietung nicht mit dem Niveau des restlichen Programms mithalten. Insofern hätte man bei einer Beschränkung auf eine Tiernummer dann auch einen richtigen „Knaller“ erwarten können. Eingeleitet von einer Tanzszene des Balletts, hat eine mongolische Truppe aus dem Pool von Erdene Nergui ihren ersten Auftritt. Die Inszenierung zu „Marionette’s Dream“ stammt von Dmitry Chernov und ist zwar wirklich schräg, aber mitreißend umgesetzt. Das weibliche Truppenmitglied bewegt sich zu Beginn wie eine Marionette an zwei Seilen, die von einem übergroßen Kobold gehalten werden. Hinter dieser Figur mit venezianischer Maske verbergen sich zwei der sieben Herren, die ebenfalls als Fabelwesen verkleidet sind. Die Darbietung ist perfekt durchchoreographiert. Gezeigt werden die bekannten Varianten des Genres. Schlusstrick ist das Seilspringen im Drei-Mann-Hoch. Insgesamt also ein gelungenes Beispiel, wie man auch eine Zweitnummer hochwertig aufmachen kann.


Lena Dolinskaya, Trio Arabey

Von Fumagalli angehimmelt, entschwebt Lena Dolinskaya an einem überdimensionalen Kronleuchter in die Luft. Zu klassischer Musik zeigt sie ungesichert Fersenhang und einen lang gehaltenen Nackenwirbel. Im Anschluss sorgen Niko und Daris Huesca für die erste komische Szene im Programm. In Zeitlupe fechten sie ein Duell aus, wobei natürlich auch die Kugeln in verringerter Geschwindigkeit aus der Pistole schießen. Ebenfalls aus "Dumbo" entnommen ist die Inszenierung vor der Pause. Das Trio Arabey zeigt elegante Partner-Equilibristik. Manche Figuren sind durchaus neuartig. Im zweiten Teil der Darbietung kommt das Ballett hinzu, das Trio verlagert seine Aktionen auf ein Podest und die Tänzerinnen rundherum sorgen für ein wunderbares Bild in der Manege.


Anastasia Trushina, Dandies

Während der erste Teil also rein weiblich beschlossen wird, eröffnen drei Männer die zweite Hälfte. Johnny Gasser und Yury Kreer waren jahrelang mit Carole Demers als „White Crow“ auf dem russischen Barren zu erleben. Inzwischen hat Kirill Ivanov Demers Platz eingenommen, und die drei Männer treten in neuer, humorvoller Inszenierung von Alexandre Grimailo als „Dandies“ auf. Die starken Tricks werden sicher gelandet, Höhepunkt ist der Dreifache. Nach Fumagallis bekannter Tuchzauberei folgt eines der Highlights des Programms. Begleitet von wunderschönem Gesang von Anita Gábor zelebriert Anastasia Trushina ihre Handstand-Equilibristik auf einer Parkbank. Dabei bezieht sie die verschiedenen Ebenen des Requisits sowie einen Schirm variantenreich ein und schließt mit einem Mundstand.


Mystery of Gentlemen, Oleg Spigin, Fumagalli mit Daris und Gyula Maka

Ein poetisches Bild, das im Kontrast zur spektakulär verkauften Luftartistik von Oleg Spigin steht. Auch diese Darbietung wurde von Dmitry Chernov in Szene gesetzt. Der Russe kann auf dem Washington-Trapez vollauf überzeugen, balanciert beispielsweise im Mundstand oder rotiert im Kopfstand ungesichert durch den Luftraum. Fumagalli ohne Bienchen – das geht natürlich nicht. Und so erleben wir den Klassiker hier auf Ungarisch, wie gesagt mit Gyula Maka als seriösem Part. Danach haben die Mongolen ihren zweiten Auftritt, diesmal unter dem Motto „Mystery of Gentlemen“, auch eine Schöpfung von Dmitry Chernov. In großartiger 20er-Jahre-Optik und zu spannungsgeladener Musik balancieren die Akrobaten auf großen Bällen, um auf dieser wackligen Grundlage Handvoltigen zu zeigen. Im Gegensatz zu manch anderen fernöstlichen Truppen kommt hier auch die Ausstrahlung der Akteure nicht zu kurz. An diesem Tag werden die Tricks sicher gestanden, gegen Ende der Spielzeit in Budapest wurde ein Vier-Mann-Hoch auf der Kugel neu ins Repertoire aufgenommen. Eine tolle Darbietung, von der man sicherlich noch viel hören wird.

Schön gestaltet ist das Finale, eingeleitet von einem Tanz des Balletts. Einzelne Zugaben der Artisten heizen die Stimmung an. Zum Epilog kreist ein Modellflieger von Daniel Golla über dem Publikum, und Fumagalli darf mit Kronleuchter-Artistin Lena Dolinskaya nach Hause gehen. So erhält diese runde, klassische, aber keineswegs angestaubte Sommershow in Budapest einen poetischen Schluss.

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Text: Jonas Haaß; Fotos: Circusbau Budapest