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Ungarischer Nationalcircus - Tour 2018
www.magyarnemzeticirkusz.hu ; 157 Showfotos

Balatonlelle, 3. Juli 2018: Das ist kein Programm für die erste Reihe Loge. Dort, wo man kleine, charmante Darbietungen idealerweise aus nächster Nähe bewundert. Nein, für die aktuelle Show des Ungarischen Nationalcircus Richter wählt man am besten einen Platz weit oben auf dem Gradin. Gerne in der letzten Reihe, so wie wir es getan haben. Dort bietet sich ein Panoramablick auf ausschließlich „große“ Darbietungen. Auf spektakuläre Tiernummern mit Raubtieren, Elefanten, Exoten und Pferden. Und auf Luft-Sensationen auf Hochseil, doppeltem Todesrad und am Trapez.

Artistik am Boden gibt es in dieser außergewöhnlich zusammengestellten Show nicht mehr, nachdem Jongleur Ty Tojo ausgeschieden ist. Zu den Tier- und Luftnummern kommen die Auftritte von Don Christian. Ein fabelhafter Clown, dessen Ausstrahlung und dessen engagiertes Spiel das gesamte Zelt ausfüllen und bis in die hinterste Tribünenreihe reichen. Wie alljährlich im Sommer spielt der Ungarische Nationalcircus fast zwei Monate lang in Balatonlelle, einem lang gezogenen Familien-Badeort am Ufer des Plattensees. Dort besitzt die Familie Richter ein großes Wiesengrundstück direkt an der Hauptverkehrsstraße 7, zwischen den stark frequentierten Discountern Lidl und Aldi sowie einem Kirmes-Vergnügungspark gelegen. Besser sichtbar könnte das Unternehmen hier kaum aufgebaut sein. Zeltanlagen und Fuhrpark sind in den Landesfarben grün, weiß und rot gehalten. Gespielt wird täglich um 20 Uhr, wenn ungarischen und internationalen Touristen nach Strand und Abendessen der Sinn nach Unterhaltung steht. Nur sonntags ist spielfrei.


Bruno Raffo, Rene Casselly junior 

Die Vorstellung beginnt mit der Ouvertüre des siebenköpfigen Orchesters. Zu den funkigen Klängen singt die afrikanische Sängerin Lady Masallah „Play that Sax!“. Sie umrundet dabei den Gang zwischen Loge und Tribüne, denn in der Manege ist der Raubtierkäfig schon aufgebaut. Während die acht Löwen ihre Plätze auf der Pyramide einnehmen, überquert ein Hochseilläufer das Geschehen. Bruno Raffo leitet die Tiere in souveräner Weise zu weiteren Tricks an. Hochsitzer, Sprünge am Zentralkäfig entlang zur Löwenbar oder ein Fächerlauf gehören dazu. Die Raubkatzen kommen aus dem Bestand von Martin Lacey jun. Trompetenspiel von Don Christian und Gesang von Lady Masallah leiten über zur nächsten großen Dressurnummer. Rene Casselly junior stellt die einzigartige Kombination mit jeweils vier Pferden und Elefanten vor. Alle Tiere tragen Bereiterinnen in herrlichen, rot-schwarzen Kostümen. Die Elefanten drehen sich auf Podesten und werden dabei jeweils von einem Schimmel umrundet. Der große Fächer oder das Abliegen und Aufsitzen werden ebenso mit allen Tieren gezeigt. Für Heiterkeit ist gesorgt, wenn ein kleines Pony unterm Dickhäuter hindurchläuft.


Don Christian, The Gerlings 

Don Christian hat in dieser Show eine besondere Herausforderung zu meistern. Und damit ist nicht das Glockenspiel gemeint, mit dem der Österreicher uns in Lederhosen bestens unterhält. Ein Junge aus dem Publikum sorgt dabei für besondere Akzente. Mit einer großen Kelle bedient er den Gong an Christians Gesäß. Nein, neu ist für Don Christian sein Einsatz als Vorführer einer Tiernummer. Jozsef Richter jun. bringt vier gescheckte Esel in die Manege. Mit einem Augenzwinkern übergibt er diese an Christian. Und dieser soll nun beweisen, dass auch er das tierische Metier beherrscht. Er schlägt sich wacker, selbst als sich Schwein und Ziege dazu gesellen. Schlussendlich springt erst ein Guanako über die Esel und dann Don Christian beherzt auf deren Rücken. Experiment geglückt! Mitten in Programmteil eins ist die erste große artistische Sensation platziert. Eine Formation der Truppe Gerlings zeigt ihr facettenreiches Können auf dem Hochseil. Aufgang übers Schrägseil, fünffaches Liegen auf dem Seil, Seilspringen zu dritt oder Bocksprünge gehören dazu. Gleichzeitig mit der Dreierpyramide einschließlich freiem Stand auf dem Stuhl gibt es noch zwei parallel ausgeführte Kopfstände. Die Dame im Ensemble wagt einen Spagat auf dem Seil, und die Herren die legendäre Siebener-Pyramide. Ungesichert.


Jozsef und Merrylu Richter

Voller Stolz feiert man im Ungarischen Nationalcircus den aktuellen Gewinn eines Goldenen Clowns beim Internationalen Circusfestival von Monte Carlo. Und so wird die große Exotennummer mit den Titeln „We are the Champions“, „Simply the Best“ und „The Winner takes it all“ musikalisch begleitet. Dazu tragen die Musiker ebenso wie Moderator Réz Tamás goldfarbene Sakkos. Dies alles nicht zu Unrecht, denn dieses Schauspiel ist wirklich unvergleichlich. Es beginnt mit dem Auftritt der beiden Giraffen, von denen eine sich im Leuchtgeschirr auf dem Spiegelpodest dreht. Einige Logenbesucher dürfen beide Tiere aus der Hand füttern. Vier Kamele und sechs Zebras werden von Jozsef Richter jun. in Freiheitsdressur präsentiert. Beim Par Deux reitet seine Ehefrau Merrylu auf einem Pferd feurig zwischen den anderen Tieren hindurch. Es folgt das große Karussell auf drei Bahnen. Vier Elefanten, jeweils sechs Zebras und Kamele, neun Pferde und vier Lamas ziehen ihre Kreise. Und mittendrin, auf dem fünften Elefant inmitten der 30 Vierbeiner, präsentiert Jozsef Richter jun. selbstbewusst seine Trophäe aus Monaco.


Don Christian, Super Silva junior

Die Familie Casselly hat mit ihren Tieren viele außergewöhnliche Dressurkreationen geschaffen. Da ist es fast schon überraschend, wenn Rene Casselly senior nun wieder einmal eine reine Pferdefreiheit mit sechs Schecken in die Manege bringt. Auch diese zeigt seine Meisterschaft und Klasse; alle Figuren werden mit höchster Präzision gelaufen. So beim Doppel-Changer, wenn also beim Gegenlauf beide Gruppen gleichzeitig die Richtung wechseln. Mit sechs Ponys wird die Nummer zum Zwölferzug erweitert, mit Pferde- und Ponysteiger findet sie ihren Abschluss. In seiner zweiten längeren Szene formiert Don Christian große und kleine Zuschauer zum Orchester. Nach dieser heiteren, viel belachten Entspannung ist wieder Nervenkitzel angesagt. Super Silva junior, ein Sohn von Super Silva, zeigt seine Kombination aus Deckenlauf und ungesicherten Sprüngen zum Trapez. Selten wurde dieses risikoreiche Genre derart wagemutig dargeboten. Ein wahrer Hasardeur.


Rene Casselly jun., Truppe Gerlings, Truppe Richter 

Die hauseigenen Darbietungen werden von Saison zu Saison ausgewechselt oder zumindest variiert und weiterentwickelt. Und so wurde die hervorragende Jockey-Nummer der Truppe Richter um Elemente der Dshigitenreiterei ergänzt. Auf gesattelten Arabern werden die Dshigiten-Tricks gearbeitet. Unter anderem klettert Rene Casselly jun. im vollen Galopp eines Pferdes um dessen Rumpf. Fürs Jockeyreiten stehen schwerere Pferde mit Decken auf den Rücken zur Verfügung. Waghalsige Sprünge und Salti von Pferd zu Pferd, Zwei-Mann-Hoch oder die Stehendreiterei zu fünft auf einem Ross sind typische Bestandteile des Genres. Nicht fehlen darf, dass Jozsef Richter jun. beim Stehendreiten die grün-weiß-rote Fahne über den Köpfen der Logengäste schwenkt. Auch wenn der ungarisch-folkloristische Verkauf heuer zugunsten des Dshigiten-Stils aufgegeben wurde. Nochmal heizen Don Christian und Lady Masallah die Stimmung kräftig an, singen mit den Zuschauern „I feel good“. Dann kann das abschließende Highlight folgen, nämlich die Waghalsigkeiten der Truppe Gerlings auf dem doppelten Todesrad. Ob Blindlauf, Seilspringen oder hohe Sprünge – alle Tricks werden jeweils simultan auf den Außenseiten der beiden Räder dargeboten. Tosender Applaus.

Selbstredend wird die Show im Finale mit Standing Ovations gefeiert. Die Abschiedsworte teilen sich Jozsef Richter jun. und sein Vater Jozsef sen. Es ist ein extrem starkes Programm, das die Familie Richter 2018 in ihrem Ungarischen Nationalcircus präsentiert, eine Abfolge von Höhepunkten. Einfach ganz großer internationaler, vor allem auch traditioneller Circus mit vielen Tieren. So wie er den Ungarn und auch uns gefällt.

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Text: Markus Moll, Fotos: Tobias Moll