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Circus Knie - Tour 2018
www.knie.ch ; 200 Showfotos

Rapperswil, 15. März 2018: Der Circus Knie bietet vielen seiner Zuschauer seit dieser Saison einen deutlich verbesserten Blick auf die Show. Die beiden vorderen Masten wurden durch einen außen liegenden Rundbogen ersetzt. Somit können nun nahezu alle Zuschauer das Programm ohne Sichtbehinderungen genießen. Die Künstler von „Formidable“, so der Titel der Produktion 2018, greifen diese Optimierung in großer Zahl auf. Der „Luftraum“ wird stark genutzt. Die blonde Laura Miller fliegt am Luftring über der Manege, das Duo 2-zen-O tut dies an zwei gekreuzten Reifen.

Die Artistinnen der Truppe Skokov lassen sich von zwei Russischen Schaukeln „über die Wolken“ katapultieren. Komikerin Helga Schneider hängt nach einem gewagten Kamelritt an der Longe im „Flugmodus“ über dem „größten Katzenklo der Schweiz“. Und natürlich spielt sich auch die im Vorfeld des Tourstarts in der Öffentlichkeit am stärksten diskutierte Darbietung in der Luft ab.


Familie Franco Knie junior

Die Familie von Franco Knie junior präsentiert eine Show mit 32 autonom fliegenden Mikrodrohnen. Die kleinen Flugobjekte sind mit LEDs ausgestattet, die die Farbe wechseln. Die Entwickler der Technik stammen ursprünglich von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich. Was sie gemeinsam mit den Knies ausgetüftelt und im Chapiteau umgesetzt haben, ist wirklich faszinierend. Es ist quasi eine High-Tech-Freiheitsdressur. Für einen traditionellen Circus wie Knie sicherlich sehr untypisch, aber nicht unpassend. Der visuelle Genuss ist in jedem Fall gegeben. Eine ungewöhnliche Leistung steckt auch dahinter. Allerdings erfolgt diese zum größten Teil vor der Vorführung in und über der Manege. Denn das Spektakel läuft komplett autonom ab. Während der Nummer zeigen Franco Knie junior und seine Gattin Linna Knie-Sun artistische Posen in der Mitte. Sie an Bändern, er auf dem Boden. Die beiden wirken etwas verloren. Ihr Auftritt mag sich nicht so recht in den Gesamtrahmen fügen. Beider Sohn Chris Rui spielt dazu auf dem E-Piano. Zu Beginn erinnert er verbal an die Elefanten. Auf der Verkleidung seines Instruments sind drei gezeichnete Dickhäuter abgebildet. Auf derartige Anspielungen an die von vielen Zuschauern vermisste Elefantendressur sollte verzichtet werden. Seit Saisonbeginn 2016 gibt es diese Nummer im Schweizer National-Circus nicht mehr. Das Kapitel ist beendet.


Spicy Circus und Fratelli Errani

In diesem Jahr sind wieder acht Mitglieder des Circustheaters Bingo aus Kiew bei Knie zu erleben. Sie zeigen sich akrobatischer als im vergangenen Jahr. Ihre größten Auftritte haben sie zu Beginn der beiden Programmteile. Als Opening gibt es eine energiegeladene Melange aus Equilibristik und Akrobatik an sich drehenden Metallreifen. Kostüme, Musik, Licht und die große Präsenz der Mitwirkenden reißen das Publikum von Beginn an mit. Nach der Pause steht eine blonde Bingo-Artistin mit Akrobatik an Tüchern im Mittelpunkt der Performance. Ihre Mitstreiter in der Manege unterstützen vor allen Dingen tänzerisch. Ebenfalls wieder dabei ist eine Formation von Spicy Circus. Drei neue Artisten und eine Artistin aus der kanadischen Kompagnie treten erneut gemeinsam mit den Fratelli Errani auf. Diesmal sind nicht zwei große Trampoline mit einem Haus aus Plexiglas dazwischen ihre Requisiten. Nun begeistern sie mit Akrobatik auf einer langen Trampolin-Bahn. In weiß-goldenen Kostümen entfachen sie einen wahren Wirbel. Die Körper springen fast schneller über den federnden Untergrund als das menschliche Auge folgen kann. Sprünge im Solo und zu mehreren sorgen für mitreißende Bilder. Dazu erklingt eine Variante der Musik, die wir schon seit vielen Jahren auch vom Finale kennen.


Maycol Errani, Chanel Marie Knie, Ivan Frédéric Knie

Maycol Errani erleben wir natürlich auch wieder mit einer Tierdarbietung. Jeweils sechs Andalusier und Friesen leitet er zu schwierigsten Figuren der Freiheitsdressur an. Wir erleben anspruchsvolle Abläufe, wie sie derzeit äußerst selten gezeigt werden. In den beiden ersten Vorstellungen der neuen Saison läuft nicht alles perfekt. Dadurch entfaltet diese Nummer noch nicht ihre komplette Wirkung. Bevor die Manege ihrem Schwiegersohn gehört, führt Mary-José Knie drei Pferde in unterschiedlichen Größen zu einem französischen Chanson vor. Den Tierblock im ersten Programmteil bestreiten ihre Enkelkinder Chanel Marie und Ivan Frédéric. Die siebenjährige Chanel Marie präsentiert sich sehr selbstbewusst mit zwei Lamas. Das Kostüm entspricht dem, mit dem ihre Mutter Géraldine in ihrer Kindheit mit einer ähnlichen Darbietung das Publikum erfreut hat. Man merkt dem jungen Mädchen schon jetzt an, dass es den Circus und die Tiere liebt. Die Chancen stehen also gut, dass Chanel Marie die Familientradition fortführen wird. Nicht anders ist dies bei Ivan Frédéric. Nachdem er die Schule beendet hat, ist er nun „hauptberuflich“ im Circus tätig. Seine Freiheit mit acht wunderschönen Arabern ist für mich der Höhepunkt im Dressurbereich des diesjährigen Programms. Es beginnt mit den Pferden, die sich im Morgennebel frei in der Manege bewegen. Dann kommt der hochgewachsene, blendend aussehende Ivan Frédéric auf einem Friesen hereingeritten. Vom Pferderücken aus dirigiert er die einwandfrei laufende Freiheit. Die großartigen Bilder, die im vertrauten Zusammenspiel von Mensch und Tier entstehen, sind ungeheuer mitreißend. Einen sich in der Manegenmitte um die eigene Achse drehenden Steiger leitet er vom Pferd aus an, den vierfachen Vorwärtssteiger vom Boden. Hinzu kommen Sprünge mit dem Friesen über weiße Hindernisse. Ebenso die Arbeit von vier Arabern mit dem plötzlichen Stopp vor niedrigen Barrieren auf Kommando. Diese traumhafte Vorführung macht dem Namen Knie alle Ehre. An dieser Stelle sei das fantastische Lichtdesign ebenso gewürdigt wie das wunderbar musizierende Orchester unter der Leitung von Ruslan Fil. Sie unterstützen diese, aber auch alle anderen Darbietungen, enorm.


Aleksandr Batuev, Laura Miller, 2-zen-O

Im artistischen Bereich verlässt sich Knie einmal mehr auf in Monte Carlo ausgezeichnete Nummern. Wir konnten sie in Deutschland bereits alle erleben. Etwa beim Weltweihnachtscircus, bei Flic Flac oder Krone. Für die Schweiz aber sind sie neu. Aleksandr Batuev ist ohne Zweifel ein Extremtalent im Genre des Klischnigg. Er hebt sich mit seiner eigenständigen Darbietung deutlich von seinen Kollegen ab. Das macht sich auch bei seinem Outfit bemerkbar. Schwarzer Anzug, weißes Hemd und Sonnenbrille sind für einen Schlangenmenschen nicht alltäglich. Die faszinierende Trickfolge endet damit, dass Batuev seinen Körper in eine eigentlich viel zu kleine Metallkiste zwängt. Ein ausgelassenes Spiel mit den Elementen Luft, Wasser und Feuer bringt Laura Miller mit in die Schweiz. Im Mittelpunkt steht Akrobatik am Luftring. Zwischen ihren traumhaften Flügen unter der Kuppel taucht sie immer wieder in ein großes Wasserbassin. So entstehen einzigartige Effekte. Dies, wenn sie im Wasser schwimmt, aber auch, wenn sie sich nass aus dem Becken ziehen lässt. Beim letztmaligen Sprung in das Becken lodern an der Oberfläche Flammen. Gleich zwei ineinander gelegte Ringe bilden das Requisit des Duo 2-zen-O. Marie-Eve Bisson und Jonathan Morin zelebrieren daran eine durchaus heiße Liebesgeschichte. Die Begleitmusik „I don't wanna miss a thing“ von Aerosmith lässt schon erahnen, dass es hier beherzt zur Sache geht. Ihr intensives Spiel täuscht aber nicht über die Stärke der artistischen Leistung hinweg. Denn diese ist ebenso phänomenal wie innovativ. Den Kanadiern gehört die Schlussnummer des Programms. Traumhafte Flugsequenzen schenken uns die acht Damen der Truppe Skokov. Sie springen von zwei Russischen Schaukeln auf eine Matte oder aber von Schaukel zu Schaukel. Da sie dabei lange blaue Kleider tragen, malen sie fast schon poetische lebende Bilder. Alles sieht so leicht, so schwerelos aus. Doch es ist letztendlich harte körperliche Arbeit. Das aber lassen sich die Russinnen nicht anmerken. Der Sprung von zwei Artistinnen über Kreuz bildet hier den Höhepunkt.


Helga Schneider und Bingo, "Coperlin" Dustin Nicolodi

Das Engagement eines Schweizer Comedians ist nicht immer risikolos. Nach der zumindest zu Beginn nicht so erfolgreichen Zusammenarbeit mit Claudio Zuccolini 2013 setzte die Familie Knie in den Folgejahren auf gestandene Manegenkomiker. In diesem Jahr nun wird mit Helga Schneider wieder eine Komikerin ohne Circuserfahrung wirksam in den Mittelpunkt der Werbung gestellt. Und das Konzept geht voll und ganz auf. Regula Esposito, so heißt die Schauspielerin hinter der Kunstfigur, macht ihre Sache hinreißend. Als VIP-Gast betritt sie verspätet das Chapiteau und platzt mitten in die Begrüßung durch Franco Knie junior. Aus dem Circusbesuch in der Ehrenloge wird aber nichts. Frau Schneider wird von Herrn Direktor und Enrico Caroli zum Arbeiten verdonnert. Ihren ersten Auftritt hat sie mit Bingo. Sie muss aber schnell einsehen, dass der Körper nicht mehr ganz so will. Anschließend erleben wir sie beim Ausführen des Hunds der Familie Knie. Als sie nach längerer Zeit endlich an das andere Ende der Leine schaut, muss sie feststellen, dass dort ein Kamel festgemacht ist. Es trägt sogar eine ähnliche Frisur wie Helga Schneider. Der Dialog zwischen den beiden dreht sich unter anderem um die stattlichen Höcker des Tiers. Schneider ist überzeugt, dass diese „gemacht“ sind und bitte um die Adresse des Schönheitschirurgen. Der Ritt auf dem Kamel endet dann eben an der Longe schwebend über der Manege. Als sie im zweiten Teil putzen muss, reicht es ihr. Sie zeigt, was wirklich in ihr steckt. Auf einem Podest stehend und von den Bingo-Akteuren umrahmt, zelebriert sie eine grandiose Tanz- und Gesangseinlage. Diese Frau hat echtes Showtalent. Höchst originell ist ein Zaubertrick, bei dem sich Helga Schneider zurück in ein junges Mädchen verwandelt – dargestellt von Chanel Marie Knie. Dieser größte ihrer Auftritte endet mit einer schneidigen Reiterei, bei der sie von Wioris Errani und Ivan Frédéric Knie unterstützt wird. Somit ist für königliches Amüsement gesorgt. Dank Coperlin bekommen wir noch mehr zu Lachen. Dustin Nicolodi war 2007 schon einmal bei Knie engagiert. Damals mit Handstandakrobatik. Sein Wechsel ins komische Fach fand bereits vor vielen Jahren statt. So konnten wir ihn als Coperlin etwa schon bei Benneweis, Salto Natale und im Kronebau erleben. Er jongliert mit japanischen Schwertern und Äpfeln, lässt eine Kerzenorgel erklingen und erweckt ein Plüschtier zum Leben. Immer mit einer urkomischen Mimik und wirklich witzigen Kommentaren. Sich selbst nimmt er dabei nie sonderlich ernst. In einem weiteren Auftritt verwirrt er einen Herrn aus dem Publikum beim Spiel mit Papierkugeln. Auf dem Gradin zaubert er schließlich immer mehr Aquarien aus einer Papiertüte. Dank der noch nicht allzu gründlich eingearbeiteten Assistentin wird des Rätsels Lösung schnell klar.

Mit „Formidable“ ist dem Circus Knie ein rundes Programm auf dem bekannt hohen Niveau gelungen. Wenngleich es im letzten Jahr zwei artistische Nummern mehr und eine größere Vielfalt hinsichtlich der gezeigten Tierarten gab, ist die neue Show wunderbar zusammengestellt. Starke Artistik, herrliche Tierdressuren und eine perfekte Besetzung der Sparte Komik sorgen für ein harmonisches Gesamterlebnis. Beste Unterhaltung ist also garantiert. Dazu kann man der artistischen Direktorin Géraldine Knie und dem gesamten Team nur gratulieren.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch