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Zirkus des Horrors - Tour 2018
www.zirkusdeshorrors.de ; 65 Showfotos

Essen, 22. April 2018: Seit dem Start vor fünf Jahren hat die Familie von Joachim und Rosemarie Sperlich ihr Konzept eines „Zirkus des Horrors“ fest etabliert und ihr ganz eigenes Publikum gewonnen. Zum kleinen Jubiläum hat man dem Unternehmen ein aufgefrischtes Erscheinungsbild gegönnt. Dies gilt für das Äußere in Form neuer Zeltanlagen in nun schwarz-roter Optik, vielmehr aber noch für das Innere, denn auch das Kernprodukt – die Show – wurde rundum neu gestaltet. Statt zu einem Besuch in Nosferatus Unterwelt lädt man jetzt ins Irrenhaus „Asylum“.

Das neue Chapiteau und das passende Vorzelt sind zwar etwas kleiner als das bisher verwendete Modell, ermöglichen aber insbesondere durch ein integriertes Seillast-System ein schnelleres Reisen. Die Banner in der Front sind dem geänderten Programmmotiv angepasst. Ebenfalls neu ist der Schwerlastboden für den Gastronomie-Bereich. Wenngleich es das Grusel-Labyrinth, durch das die Zuschauer bislang ins Innere gelangten, nicht mehr gibt, ist der Einlass natürlich nach wie vor thematisch gestaltet. Mitarbeiter des „Irrenhauses“ nehmen die Gäste in Empfang, ehe Getränke und Snacks warten. So ist bereits vor Vorstellungsbeginn die richtige Atmosphäre bereitet.


Professore Salvatore dei Morti (Giovanni Biasini) mit Ensemble 

Das Publikum wohnt dann einer Präsentation des von Giovanni Biasini dargestellten Anstaltsleiters Professore Salvatore dei Morti bei, der nur allzu gerne den Erfolg seiner „Experimente“ demonstrieren möchte. Diese grundlegende Story wird anfänglich mittels eines Einspielers auf der im Bühnenbild integrierten Leinwand etabliert und anschließend absolut schlüssig bis zum Ende erzählt. Immer wieder erscheint dei Morti auf der Bühne und erklärt seine dann folgenden Versuche, als die viele der akrobatischen Darbietungen inszeniert sind. Dabei kommen meist auch krude Apparaturen als Requisiten zum Einsatz, die die unglaubliche Detailverliebtheit und intensive Vorbereitung dieser Show erkennen lassen. So ist beispielsweise auch wieder ein eigens komponierter Titelsong zu hören. Rund zwei Jahre Planung haben die Kreativköpfe um Monika Sperlich, Giovanni Biasini und Lichttechniker Jacob Lämmle investiert; dabei sind viele Ideen des gesamten Teams mit eingeflossen und ausgearbeitet worden, so dass die Show letztendlich als rundum überzeugendes Gemeinschaftsergebnis angesehen werden kann.


Puje-Truppe, Puje-Girls 

Gleich die erste Versuchsdemonstration des Professore geht jedoch schief; stattdessen können die Anstaltsinsassen ihren Käfigen entkommen, in denen sie auf die Bühne gerollt wurden. Daraus entspinnen sich die kraftvollen Handvoltigen der mongolischen Puje-Truppe, die hier zu siebt arbeitet. Der Flieger im Superman-Pyjama wird bis zum Drei-Mann-Hoch katapultiert. Gleich darauf ist der Anstaltsleiter erneut einem unliebsamen Patienten ausgesetzt, betritt doch Milano Kaiser in seiner Rolle als Brian Ernest die Bühne. Wieder übernimmt er die Aufgabe des etwas anderen Spaßmachers, diesmal als flegelhafter Chaot in Zwangsjacke. Die derben Sprüche sind geblieben, kommen nach wie vor an beim Publikum. Dennoch ist die Grenze des guten Geschmacks meist überschritten, etwa wenn er einen Gast als Hund vorführt und anschließend ans Messerbrett stellt. Mittels Stromimpulsen des Professore zu unglaublicher Gelenkigkeit kommen die drei Puje-Girls, deren Versuchsdemonstration im Mundstand endet.


Rene Sperlich, Trio Puje 

Nach einer Tanz-Choreografie im Rollstuhl wird der nächste Patient in einem ebensolchen auf die Bühne gerollt. Scheinbar gelähmt, kann er sich nur auf den Händen bewegen. Gemeint ist Rene Sperlich, der seiner leistungsstarken Equilibristik somit eine neue Inszenierung gegeben hat. Und dazu ein neues Requisit verwendet, bei dem die Stützen im Halbkreis und in aufsteigender Höhe montiert sind. Am Ende baut er sechs dieser Stützen übereinander und drückt einen Spagat zwischen ihnen. Die beiden genre-ähnlichen Disziplinen Kontorsion und Equilibristik hintereinander zu setzen, ist im Übrigen der einzige kleine, leicht verzeihliche Wermutstropfen dieser Produktion. Während die Puje-Truppe andernorts meist nur ihre personenstarken Hauptnummern präsentieren, sind die Akteure hier auch mit ihren weiteren Darbietungen zu sehen. Dazu gehören beispielsweise schwungvolle ikarische Spiele im Trio. Wieder agiert der Pyjama-Superman als Flieger, der unter anderem mehrere Salti schlägt.


Maik & Siegfried Sperlich 

Als wenn Brian Ernest allein nicht genug wäre, trifft dieser noch auf Johnny Cognetti. Der steht bald im Baströckchen da und lädt zum Limbo. Natürlich darf oder muss der Gast aus dem Publikum auch mitmachen, ehe sie vom aufpassenden Personal in die Pause vertrieben werden. Diese haben gleich danach ihren nächsten Einsatz, schließlich ist erneut ein Patient ausgebrochen. Die Jagd durchs Zelt landet schließlich auf dem Todesrad, auf dem sich Maik und Siegfried Sperlich sicher bewegen. Hand- und Blindlauf sowie Seilspringen auf dem Außenrad gehören zum Repertoire. Beim Besuch ist dies die einzige Darbietung unter der Kuppel: Virgilia Riedesel fehlte nach ihrem Unfall am Luftnetz noch, Alexia Casselly ist mit ihrer Nummer am Luftring im Verlauf der Saison ausgeschieden.


Puje-Truppe, Brian Ernest (Milano Kaiser), Johnny Cognetti 

Über Kopfhörer ferngesteuerte Wesen des Professore sind vier Mitglieder der Puje-Truppe. Ihrem Zwang entledigt, bringen sie eine variantenreiche Passing-Jonglage mit Keulen auf die Bühne. Tanzende Schwestern geleiten Milano Kaiser als Brian Ernest zu seinem zweiten großen Auftritt. Mit Zuschauern und durchaus eigenen Ideen lässt er diesmal einen Film drehen. Johnny Cognettis Kampf mit der Zwangsjacke gipfelt im starken und einnehmenden Spiel mit dem Cyr. Doch auch er wird schlussendlich vom Professore zur abendlichen Fernsehstunde eingefangen – diesmal: Bonanza. Der Soundtrack gibt den Rhythmus für das Seilspringen der Truppe Puje vor. Gesprungen wird in allen denkbaren Varianten, im Handstand und Drei-Mann-Hoch, übereinanderstapelt, mit vielen kleinen und manchen großen Seilen. Diesmal ist die zehnköpfige Formation komplett. Mit dem Filmabend endet auch die Versuchsdemonstration des Professore Salvatore dei Morti, der die Gäste mit dem Verweis auf ausliegende Anmeldeformulare aus seinem Irrenhaus entlässt.

Mit „Asylum“ setzt die Familie Sperlich weniger auf offensichtlichen Horror und damit verbundene Provokation als in den Vorgänger-Produktion. Stattdessen ist ihnen ein mit Stringenz und Details stimmig inszeniertes, mit leistungsstarker Truppenakrobatik angereichertes Programm gelungen, das hierzulande in der Branche heraussticht.

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Text und Fotos: Benedikt Ricken