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Zirkus Charles Knie - Tour 2018
www.zirkus-charles-knie.de ; 142 Fotos Lohr ; 94 Fotos Nördlingen

Heidelberg, 19. September 2018: Von 2007 bis 2011 war Alexander Lacey der Star im Zirkus Charles Knie – und 2018 ist er es wieder. Nach dem Ende von Ringling Bros. and Barnum & Bailey ist der Brite zurück und feiert sein Tournee-Comeback unter dem Chapiteau, in dem er jahrelang die Deutschen begeisterte. Damit sind nach einer Pause von zwei Jahren wieder Raubtiere in „Europas Top-Zirkus“ zu sehen. Und um es vorneweg zu nehmen: 2018 zeigt Charles Knie das wohl beste Programm, seit Sascha Melnjak den Zirkus übernommen hat. Alle Sparten sind leistungsstark und temporeich besetzt.

Im zweiten Jahr mit dabei sind Henry „the Prince of Clowns“ Ayala und Sprechstallmeister Gino Huppertz, die im Anschluss an die Ouvertüre gemeinsam die Besucher begrüßen. Die vier, über den weiteren Verlauf der Show verteilten Auftritte Henrys sind gut dosiert. Gemeinsam mit einem Kind aus dem Publikum zeigt er eine lustige Hutjonglage. Gleich mehrere der Zuschauer und Zuschauerinnen „musizieren“ in seiner Version des „Orchesters“ mit Glocken, wobei hier natürlich eine attraktive Dame eine gewisse Bevorzugung durch den „Dirigenten“ Henry erfährt. Und auch beim dritten Auftritt muss ein Zuschauer Ayala zur Hilfe eilen und als strippender Bauarbeiter für Lacher sorgen.


Tatiana Kundyk und Henry Ayala 

Zumindest mir macht aber sein letzter Auftritt am meisten Spaß, wenn er gemeinsam mit seiner Freundin Tatiana Kundyk das große Restaurant-Entree zeigt. Letztere ist im Gegensatz zu letztem Jahr nun auch mit ihrer Solodarbietung im Programm zu sehen. Auf dem Schlappseil brilliert sie zum live gespielten „Havana“ von Camila Cabello mit Ausschwüngen, einem Spagat, im Handstand und im freien Sitz auf einem Stuhl. Für die eigentliche Eröffnung der Show ist fast schon traditionell das Exotentableau mit Marek Jama und den vier Ballettdamen zuständig. Auf die gesangliche Begleitung des ganzen Afrika-Schaubilds (und auch anderer Szenen) durch Katie Azzario-Lacey müssen wir bei unserem Besuch schwangerschaftsbedingt leider verzichten.


Ballett, Marek Jama 

Nichtsdestotrotz ist die ausgefeilte Inszenierung mit prächtigen Kostümen, Kopfschmucken und mitreißender Musik des hervorragend spielenden Orchesters immer wieder ein Erlebnis. Auf der tierischen Seite hat hier in den letzten Jahren ein Umbruch stattgefunden. Ältere Tiere wurden durch jüngere ersetzt, zusätzliche Rinder wurden eindressiert. Zu Beginn stehen nun drei Trampeltiere und drei Dromedare im Rampenlicht. Rasch werden diese durch vier Zebras ergänzt. Nachdem diese nach einigen Lauffiguren die Manege verlassen haben, kommen zahlreiche Rinder unterschiedlichster Größen hinzu und umkreisen die auf Podesten stehenden Kamele. Sechs springende Lamas und ein Guanako runden das Tableau ab. Zwar hat der Trickreichtum etwas gelitten, es ist aber immer wieder ein Erlebnis, derart viele exotische Tiere in dieser tollen Inszenierung zu sehen. Neu verpackt wurden Marek Jamas Auftritte mit Pferden. Einerseits die Freiheitsdressur, die nun sehr flott mit sechs vom Cirkus Maximum erworbenen Arabern gearbeitet wird. Die edlen, weißen Tiere überzeugen mit verschiedensten Lauffiguren, einem Gruppensteiger und dem Zusammenlaufen zu einem „Stern“ in der Mitte der Manege. Mehrere Steiger, auch mit einem Pony, runden die Darbietung ab. Die Hohe Schule, die Marek Jama im zweiten Programmteil reitet, ist nun im spanischen Stil gehalten. Auf einem wunderschönen Palomino zeigt der Chefdresseur des Unternehmens den spanischen Schritt, Levaden und Pirouetten. Beide Darbietungen werden vom Ballett in neuen Kostümen und Choreographien eingeleitet bzw. begleitet.


Alexander Lacey 

Komplettiert wird der Reigen der Tierdarbietungen vom oben erwähnten Alexander Lacey. Sieben Tiger, drei Löwinnen und zwei Löwen vereint er im Zentralkäfig. Neu hinzugekommen im Vergleich zum Weihnachtsgastspiel in Heilbronn sind die „Rollover“ von vier Tigern. Wunderschön ist der Moment, wenn sich alle Tiere gleichzeitig auf die Seite legen. Einen großen Teil zur enormen Publikumsresonanz trägt die Interaktion von Alex Lacey mit dem Publikum bei. Beispielsweise erklärt er während der Nummer, dass jede Raubkatze ihr eigenes Talent habe und sie dieses in der Manege zeige. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir mit Alex Lacey, seinem Bruder Martin und Tom Dieck jun. aktuell drei der besten Raubtierdarbietungen in Deutschland erleben können.


Carlos Droguet, Duo Medini, Dinko Petrov 

Aber auch im artistischen Bereich lässt sich Charles Knie nicht lumpen. Hier greift man auf die bewährten Kräfte der beiden Vorsaisons zurück. Noch länger sind Emanuel und Vanessa Medini mit dabei. Letztere ist nach einer Schwangerschaftspause in die Manege zurückgekehrt. Beider Darbietung wurde neu inszeniert und wird nun von deutlich dramatischerer, mitreißenderer Musik begleitet. Die „Mitfahrt“ eines Zuschauers wird nicht mehr eingebaut. Fast schon eine feste Größe bei Charles Knie ist der Auftritt „fliegender Menschen“. In der nunmehr dritten Saison haben die Flying Wulber diesen Part inne. Neu dabei ist Fänger Carlos Droguet. Auch in dieser leicht veränderten Besetzung wird das volle Repertoire geboten. Droguet wird beim zweiten Auftritt der Wulbers durch Dinko Petrov ersetzt. In der lustigen und temporeichen „Blues Brothers“-Darbietung übernimmt er die meisten Tricks, darunter einen dreifachen Salto.


Messoudis 

Für die Schlussnummer sorgen die Messoudis. Eingeleitet von der wie eine Modenschau aufgezogenen Szene des Balletts, begeistern die drei Brüder Yassin, Soffien, Karim und Vater Said mit den schwierigsten Tricks der Hand-auf-Hand-Akrobatik. Die Schlusspyramide, bei der Said Messoudi alle seine Söhne trägt, reißt einige Zuschauer gar zu Standing Ovations hin. Im ersten Programmteil sorgen Karim, Soffien und Said Messoudi mit ihrer Jonglage für ordentliches Tempo. Passend zum diesjährigen 250-jährigen Jubiläum des Circus wurde das Finale neu inszeniert. „This is me“ aus dem Film „The Greatest Showman“ liefert den passenden Soundtrack. Die vier Tänzerinnen tragen klassische Paradekostüme, die trotzdem nicht aussehen, als wären sie völlig aus der Zeit gefallen.

Und genau das ist die große Stärke des Zirkus Charles Knie: Was scheinbar unvereinbar ist, fügt sich hier zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Wer Erinnerungen an den Circus seiner Kindheit sucht, wird sie finden. Wer erwartet, dass eine flotte, moderne Show auch mal von klassischen Circus-Melodien abweicht und aktuelle Hits hören möchte, wird genau so wenig enttäuscht. Hinzu kommen das äußerst gepflegte Material und das durch und durch professionelle Außenbild des Unternehmens. Eben ein echter „Super Circus“.

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Text: Jonas Haaß; Fotos: Tobias Moll