Und doch beeindruckte die
Weihnachtsvorstellung mit großen Tierdressuren: mit sieben
Elefanten, Nashorn und Tigerritt zu Elefant, mit einem 16er-Zug
Friesen und Araber, mit zehn Kamelen und einem Dutzend Lamas.
Seitdem hat sich vieles verändert.
  
Besuch im Tier-Erlebnispark
Waltersdorf
Sämtliche Wildtiere hat der
Circus Berolina jedenfalls in dieser Saison in seinem
Winterquartier vor den Toren Berlins untergebracht. Dieses ist
als „Tier-Erlebnispark Waltersdorf“ für das Publikum geöffnet.
Giraffe und Zebra, Elefanten und Nashorn, Tiger und Bären sowie
zahlreiche andere Tiere lassen sich aus nächster Nähe bewundern.
Hüpfburgen für die Jüngeren, eine circustypische Restauration
und ein 45-minütiges Circusprogramm mit Pferde- und
Ponydressuren, Akrobatik am Luftring und Balancen auf der Leiter
sowie Clownerie der jüngsten Spindler-Sprösslinge sind weitere
Bestandteile des Angebots. Quasi als „Vorprogramm“ zum Besuch
des Tourneegeschäftes verbringen wir einige interessante Stunden
auf dem Gelände.

Besucherschlangen an Kasse und
Einlass
Tags darauf geht es dann zum
Reisecircus nach Dresden. Gespielt wird nicht im bekannten roten
Riesenzelt, sondern in einem älteren Viermaster von 36 Metern
Durchmesser. Aufgrund der intimeren Atmosphäre sicher eine gute
Entscheidung. Einen imposanten Anblick bieten die langen
Schlangen vor Kasse und Einlass, die letztlich für eine
hervorragend besuchte Vorstellung sorgen. Keine Wildtiere, ein
kleineres Chapiteau und seit kurzer Zeit auch kein Orchester
mehr, da die bisherigen Musiker sich zur Ruhe gesetzt hätten – die
Umbrüche seit dem „M-T-S“-Besuch sind
beachtlich. Auch wenn laut der Familie Spindler gerade ein neues
Orchester gesucht wird. Nun stehen vermehrt Pferdedressuren in allen
Varianten im Mittelpunkt. „Equestrian Art – die Kunst
des Reitens“ ist der treffende Titel des Programms. In dessen
Verlauf zeigt sich, dass bei Berolina ein wahrer
Generationswechsel stattgefunden hat. Die Spindler-Juniorinnen
und -Junioren, letztere mit ihren Partnerinnen aus verschiedenen
Circusfamilien, prägen das Geschehen. Alle sind sie junge
Erwachsene um die 20, gut aussehend, talentiert. Die Idee
fürs Opening haben sie vom Krefelder Weihnachtscircus
mitgebracht, wo die Berlina-Jugend im vergangenen Winter
engagiert war. Es dreht sich darum, seine Träume und Fantasien
zu leben – und beinhaltet kleine Kostproben des artistischen
Könnens, die rund um die Manege im Zuschauerraum dargeboten
werden. Die Begrüßung und Moderation übernimmt in charmanter
Weise Melanie Spindler.
 
Ken-Haki-Truppe, Mario
Spindler
Dann geht es richtig los, die
junge Generation Spindler begeistert auf dem
Fast-Track-Trampolin als „Ken Haki-Truppe“ mit vielfältigen
Sprüngen, Flic Flac und Salti. Diese werden in schönen Kostümen
und zu wechselnder, aber immer flotter, mitreißender Musik
dargeboten. Mario Spindler – Vertreter der Eltern-Generation –
präsentiert eine herrliche Freiheitsdressur mit sieben
Araberhengsten. Elegant im schwarzen Anzug und mit leichter Hand
lässt er die Tiere ihre vielfältigen Lauffiguren absolvieren.
Wahre Raritäten sind einige seiner Da Capi. Zwei Rundsteiger
gleichzeitig und ein Vorwärts- und ein Rückwärtssteiger zur
gleichen Zeit gehören dazu. Talent beweist direkt im Anschluss
James Spindler mit einem Sechserzug Ponys, den er ruhig und
sicher vorführt.
  
Jastin Renz, James Spindler,
Mario Spindler jun. und Marlen Weisheit
Jastin Renz, die Lebensgefährtin
von Marcello Spindler, zeigt eine klassische Vertikalseilnummer
zur bestechend schönen Musik „Je suis malade“. Mit zwei
Klassikern der Reitkunst geht es in Richtung Pause. Mario
Spindler jun. und seine Freundin Marlen Weisheit zelebrieren ein
Pas de Deux zu Pferd. Es beginnt mit Marlens Auftritt in einem
wunderschönen Federboa-Kostüm und gipfelt in ihrem freien Stand
auf dem Kopf des Partners. Für Tempo sorgt die ungarische Post
mit sechs Vorauspferden. Souverän geritten wird sie von James
Spindler.
  
Marlen Weisheit, Marlon Spindler
alias Jiacomo, Chiara Spindler
Hälfte zwei eröffnet Marlen
Weisheit in eleganter Weise auf dem Drahtseil. Sie läuft auf
Spitzen darüber, jongliert mit drei Keulen und lässt drei
Hula-Hoop-Reifen um ein Bein und die Arme kreisen. Den Part des
Clowns übernimmt Marlon Spindler alias Jiacomo. Im ersten
Programmteil spielt er mit einer Dame aus dem Publikum ein
Pfeil- und Bogen-Entree à la Bello Nock, im zweiten vereint er
einige Zuschauer zur Rockband. Das kommt gut an, zumal die
„Freiwilligen“ gut mitmachen. Das Kostüm des Clowns ist
ansprechend, sein Lächeln freundlich, doch die Mimik ließe sich
noch verfeinern. Nochmal hoch hinaus geht es mit Chiara
Spindlers charmantem Auftritt am Luftring.
  
Sarah Sperlich, Marlon Spindler,
Berliner Jockeyreiter
Eine wirklich exquisite
Dressurkombination mit jeweils drei Friesenhengsten und Kamelen
wird von Marlon Spindler vorgestellt. Das Trickrepertoire ist
äußerst anspruchsvoll, ob beim Gegenlauf der beiden Tiergruppen
mitten durch die Manege oder wenn Kamele und Friesen
gleichzeitig in zwei Dreiergruppen Volten zeigen. Bei einigen
Passagen wird noch mit Longen geführt, doch dies wird sich
sicher geben. Die Qualität der Nummer ist klar erkennbar.
Eingeleitet wird sie von vier Tänzerinnen – alle aus dem
Familienverbund – in orientalischen Kostümen. Eine von ihnen ist
Marlon Spindlers Lebensgefährtin Sarah Sperlich. Sie nimmt das
Orient-Thema gleich im Anschluss in Kostüm, Musik und Gestaltung
ihrer schwierigen Kautschukakrobatik auf. Zu den verblüffendsten
Beobachtungen dieses Circusbesuchs gehört der Gegensatz zwischen
zumeist jungen, attraktiven Akteuren mit enormem Können und dem
doch angejährten Ambiente. Dass das Material durchweg älteren
Datums ist, mag noch gar nicht stören. Aber gepflegter, sauberer
könnte es sein, wenigstens Licht und Ton sollten sich auf der
Höhe der Zeit befinden. Sei’s drum. Spindlers überzeugen mit
Können. Und so ist alleine schon die Schlussnummer den Besuch
wert. Mit ihrer hochklassigen Jockey-Reiterei reißen Chiara,
Marcello, Mario jun., Marlon, James und Alessandro Spindler
sowie Jastin Renz und Marlen Weisheit fast von den Sitzen. Flic
Flac und Salti auf dem Pferderücken sowie von Pferd zu Pferd
werden in verschiedenen Varianten präsentiert. Vier Mann auf
einem Ross und ein Zwei-Mann-Hoch dürfen nicht fehlen,
zwischendrin wird temperamentvoll im ungarischen Stil getanzt.
Geradezu sensationell der Schlusstrick, bei dem Alessandro
Spindler nach einem Flic Flac zu Pferd den Rückwärtssalto zum
nächsten Ross direkt anschließt. 2014 wurden die „Berliner
Jockeyreiter“ mit Silber beim Festival Young Generation in Monte
Carlo ausgezeichnet, im vergangenen Winter waren sie die
Schlussnummer im Krefelder Weihnachtscircus. Man kann ihnen nur
weitere hochwertige Winter-Engagements und
Festival-Auszeichnungen wünschen. |