Sicher,
ein Teil des Publikums kommt vor allen Dingen wegen der Höhner. Ein
anderer wegen Circus Roncalli. Die wahren Genießer aber haben erkannt,
dass hier ein Gesamtkunstwerk geboten wird. Eines, bei dem Musik und
Circuskunst zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen. Sowohl die Musik
als auch der Circus erzeugen Emotionen. Bei der Höhner Rockin' Roncalli
Show potenzieren sich die von beiden Kunstformen kreierten Gefühle.
Wenn die Höhner zum Finale „Viva Colonia“ intonieren und die Artisten
in der Manege dazu ausgelassen tanzen, dann ist das auf dem Gradin
stehende Publikum einfach nur selig. Und das liegt dann eben nicht nur
an dem mitreißenden Song alleine.
Opening
Die
aktuelle Produktion „Funambola“ hatte vergangenes Jahr Premiere. Es
geht darin um die Capriolen oder aber den Seiltanz des Lebens. Im
Vergleich zu den Ausgaben davor, wird das übergeordnete Thema eher
zurückhaltend aufgegriffen. Zum Opening tanzt das Ensemble ausgelassen
zum Titelsong „Funambola“. Beide Programmteile beginnen mit Artistik
auf dem Seil. Höhner-Frontmann Henning Krautmacher greift das Motiv immer mal wieder in
seinen Moderationen auf. Bei „Sternzeiten“ oder „Salto Globale“ war das
Motto präsenter. Denken wir etwa an das aufwendige Opening mit den
Sternzeichen („Sternzeiten“) oder die immer wieder auftauchenden
Fabelwesen („Salto Globale“).
Jose Henry Caidedo, Duo Novruzov, Bert & Fred
Aus
dem Vorjahr übernommen wurden Jose Henry Caidedo, die Novruzov Brothers
sowie Bert & Fred. Caidedos Disziplin ist das Sprungseil. Es sieht
so locker und leicht aus, wie der Absolvent der Academie Fratellini
darauf seine Kunststücke vollführt. Immer wieder federt er in die Luft,
um dort verschiedene Sprünge wie den Rückwärtssalto zu zeigen. Der
kauzig kostümierte Kolumbianer ist zudem so etwas wie die Leitfigur.
Seine Nummer ist die erste der Show. Auch zu Beginn des zweiten Teils
ist er präsent. Dann gehört das Seil aber Oktay Novruzov. Er produziert
sich als komischer Maestro auf dem Schlappseil. Nachdem er Notenblätter
an die Höhner ausgegeben hat, übernimmt er die musikalische Leitung.
Dabei bleibt Zeit für Tricks wie den Spagat auf dem Seil. Nicht ohne
Augenzwinkern verläuft auch die Partnerakrobatik gemeinsam mit seinem
Bruder Telman. Adrett gekleidet in Schwarz und Weiß streuen sie immer
wieder kleine Gags in ihre abwechslungsreiche Kür ein. Ein purer Spaß,
zumindest für die Zuschauer, sind die Auftritte von Bert & Fred.
Wenig zu lachen hat hingegen Bert. Wann immer die resolute
Gegenspielerin Fred seinen Namen ruft, ahnt das Publikum nichts Gutes.
Dann muss Bert für allerlei gefährliche Experimente seinen Kopf
hinhalten. Einzig bei der gemeinsam gezeigten Akrobatik an zwei
Washington-Trapezen harmonieren die beiden Belgier. Meinen Humor trifft
das Duo in jedem Fall. Den anderen Zuschauern scheint es genauso zu
gehen.
Sol de Cuba, Pile ou Face, Crazy Flight
Alle
anderen Artisten sind neu dabei. Allerdings wurden die Genres – bis auf
zwei Ausnahmen – beibehalten. Es gibt wieder eine kubanische Truppe
namens Sol de Cuba. Jedoch in neuer Besetzung. Wie die Vorgänger im
letzten Jahr zeigen sie Artistik an der Russischen Schaukel. Dieses
Requisit nutzen die neun Absolventen der Artistenschule von Havanna, um
spektakuläre Sprünge auszuführen. Etwa durch einen Reifen oder auf
einen Sessel. Statt Seilspringen gibt es jetzt aber Akrobatik an Bungeeseilen. Das ist schade, lässt doch diese Disziplin allgemein eher
weniger Tricks zu. Zudem sind nur vier Artisten in der Luft zu erleben.
Als Schlussnummer vor dem Finale ist diese Darbietung zudem unglücklich
platziert. So nutzen dann die Kubaner vor allen Dingen den Auftritt an
der Russischen Schaukel, um temperamentvoll die Sonne ihrer Heimat nach
Deutschland zu bringen. Wie im Vorjahr, gibt es 2017 ein Duo am Roue
Cyr. „Pile ou Face“ nennen sich Philippe Renaud und Shannon Maguire,
welche dieses Genre nun vertreten. Sie agieren nicht ganz so
leistungsstark wie ihre Vorgänger, dafür aber mit sehr viel Ausdruck.
Auch bei ihnen ist das Zuschauen ein großer Genuss. Zudem erleben wir
„Pile ou Face“ in einer Hand-auf-Hand-Akrobatik. Diese präsentieren sie
ebenfalls in einer sehr ansprechenden Choreographie. Vergangenes
Jahr gab es stattdessen eine Kür an Tüchern. Eine Formation namens
„Crazy Flight“ ist geblieben, die Akteure haben gewechselt. Wiederum
gibt es Menschenpyramiden und Handvoltigen in bekannter Aufmachung. Die
Höhner singen dazu ein Lied über Zivilcourage.
Alena Ershova, Anna de Carvalho, Duo Minasov
Auf
das quirlige US-amerikanische Girlie Jordan McKnight folgt Alena
Ershova aus Russland. Die Bronze-Gewinnerin beim letzten European Youth
Circus agiert deutlich zurückhaltender, aber ebenfalls mit einer guten
Ausstrahlung. Ihre Kontorsion und Handstandakrobatik beginnt sie als
Seestern. Nachdem sie dieses Kostüm ausgezogen hat, integriert sie erst
einen, dann drei Reifen in ihre Arbeit. Vier Mitglieder der Höhner
begleiten sie gesanglich direkt an der Manege. Ausgleichende
Gerechtigkeit am Flying Pole. Gab es dort 2017 mit Davide Zongoli einen
Hingucker für die Damen, erfreut jetzt Anna de Carvalho ganz besonders
die Augen der Herren. Im kurzen roten Kleid erleben wir die blonde
Finnin an diesem noch recht jungen Requisit sowohl am Boden als auch in
der Luft. Wunderbar harmoniert ihre Choreographie mit der Begleitmusik
der Höhner. Vollgas darf die Band beim Duo Minasov geben. Wenn Victor
und Elena in Windeseile ihre Kostüme wechseln und dazwischen flotte
Tanzschritte auf die Bühne legen, dann geht das Publikum wie
elektrisiert mit. Ihre Präsenz ist enorm, ihre Quick Change-Illusionen
lassen staunen. Victor Minasov hat zudem noch seinen riesigen
Luftballon mit nach Köln gebracht. In ihm hüpft er ausgelassen über die
runde Bühne.
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