Zwischen Saisonpremiere und
-schluss, die jeweils in Thun stattfinden, bringt der
Circus Harlekin „Ambiance und Qualität“ auch in kleine und kleinste
Dörfer. Mit seinen liebevoll restaurierten, schmucken
Baustellenwagen versprüht er einen besonderen Zauber. Seit
dieser Saison gruppieren sie sich um ein fabrikneues,
weiß-blaues Chapiteau, das vierte in der Harlekin-Geschichte.
Wie bisher hat es einen Durchmesser von 24 Meter. Dafür ist die
Kuppel mit neun Metern höher bzw. sind die Masten mit elf Metern
länger als zuvor.
Abendstimmung ums neue
Chapiteau
Dieses Jubiläumsjahr ist auch für
uns ein besonderes, denn in der 10. Saison in Folge haben wir
den Harlekin gesehen. Unvergesslich sind die Besuche in Spiez.
Dort steht das Unternehmen stets zu Ostern an einem der
schönsten Orte der Schweiz, an der Bucht zwischen dem Thunersee
und steil aufragenden Bergen. Unvergesslich auch der Besuch im
winzigen Örtchen Bätterich, wo gefühlt die Bevölkerung der
ganzen Umgebung aus allen Himmelsrichtungen zu ihrem Harlekin
eilte. Und unvergesslich natürlich die wunderbaren Programme,
die wir hier erleben durften. Wir denken an die großen Truppen
beispielsweise aus China 2009, 2010 und 2012, an die
Motorradkugel 2013 und an Namen wie das Duo Viro (später bei
Roncalli), Suellen Sforzi oder das von Bouglione bekannte Trio
Aphelion. Das Verhältnis von kleinem Circuszelt und hoher
Qualität macht dieses Unternehmen so besonders. Gleiches gilt
für die im besten Sinne volkstümliche Präsentation und die
besondere Herzlichkeit und Nähe zum Publikum. Hier werden die
Gäste gerne mit Handschlag verabschiedet. Man kennt sich eben.
Duo Lameth, Nicole
Pichler, Paola Medina
Das Programm 2017 beginnt mit
einem Lied, gesungen von Direktorin Monika Aegerter. Sie
erinnert an den großen Bubentraum ihres Geschäfts- und
Manegenpartners Pedro Pichler. Den Traum vom eigenen Circus, der
für beide wahr geworden ist. Dazu zeigen die Kinder der
engagierten Artisten, was sie bereits gelernt haben – Angelina
Lagroni mit Hula Hoops, Paola Medina an den Tüchern und ihr
Bruder Marlon an den Strapaten. Live begleitet wird dieses
Opening vom sechsköpfigen Harlekin-Orchester. Es pausiert
während der Vorstellung nur wenige Male zugunsten von Bandmusik. Heiter geht es
weiter mit der Truppe Alexander und ihrer Version der „Alten
Kameraden“. Ein Zuschauer darf sich hier am Schleuderbrett
versuchen und „zerbricht“ es natürlich. Das Duo Lameth besteht
eigentlich aus dem brasilianischen Artisten Eduardo Lamberti,
der aus einer Circusfamilie stammt, und seiner ungarischen
Ehefrau Nemeth Boglarka. Sie wurde an der Circusschule Budapest
ausgebildet und hat vor wenigen Wochen ein Kind bekommen. Daher
wird sie aktuell von Tito Medinas Ehefrau Nanou vertreten.
Gemeinsam zeigen Eduardo und Nanou anspruchsvolle Haltefiguren.
Tito Medina selbst ist natürlich auch im Programm. Er wurde mit
seiner Frau aus der Vorsaison prolongiert. Der Komiker bringt in
seiner ersten Reprise als „Dompteur“ einen wilden
Spielzeug-Löwen zum Salto schlagen. Pedro Pichlers Tochter
Nicole ist einer der Fixpunkte aller Harlekin-Shows. Nach
einem Sechserzug Friesen im Vorjahr zeigt sie heuer vier
prächtige Kamele. Sie kommen wieder vom schwedischen Cirkus
Olympia und beherrschen ein umfangreiches Repertoire. Nicole
Pichler ruft es mit ihrem eleganten und charmanten Vorführstil
ab. Zwei springende Lamas beschließen die Darbietung.
Claudie Bremlov, Lügg,
Tito Medina und Eduardo Lamberti
Von Beginn an bildeten Monika
Aegerter und Pedro Pichler in ihrem Circus nicht nur die
Direktion. Nein, sie stehen alljährlich auch als Hausclowns „Les
Nicas“ in der Manege. Seit einigen Jahren werden sie von Lukas
Böss alias „Lügg“ unterstützt. Dieser ist auch als Platzmeister
unentbehrlich im Circus Harlekin. Zum Jubiläum hat Monika
Aegerter wieder einmal das Kostüm des klassischen Weißclowns
gewählt, wie zuletzt beim Jubiläumsprogramm 2012. Und so wird
ein traditionelles Musikal-Entree gespielt. Schnell ist ein
Zuschauer in eine „Kuh“ verwandelt, die gemolken wird und - als
musikalischen Beitrag - ihre
umgehängte Glocke klingen lässt. Und Lügg wird flugs „kürzer
gemacht“, damit er hinter die niedrige Trommel passt. Das ganze
Spektakel ist ein bodenständiger, aber nicht zu derber Spaß.
Herzlich gelacht haben wir auch über das Entree „Leitung
erstellen“ wenig später, bei dem ein Feuerwehrschlauch mitten
durchs Gradin ausgerollt wird. Natürlich müssen die
Tribünengäste fleißig mithelfen, diese „Löschkette“ aufzubauen.
Claudie Bremlovs Antipodenspiele sind bestens bekannt, u.a. von
Universal Renz und Flic Flac. Der Spezialtrick der attraktiven
Lady ist weiterhin, wie sie auf ihren Füßen einen Stapel aus
vielen Koffern errichtet und wieder abbaut. Als Pausennummer
wurde eine schöne Mischung aus Artistik und Humor platziert.
Eduardo Lamberti und Tito Medina produzieren sich am Fangstuhl
mit Genickhangwirbel und Blindsprung sowie haarsträubenden Gags
wie einem Scheinsturz am Gummiband. Ihr Luftapparat wirkt unter
dem kompakten Chapiteau geradezu gewaltig.
Duo Lagroni, Eusebiu Alexander
junior, Susanne Mani
An Tito Medina ist es auch, den
zweiten Programmteil zu eröffnen. Nunmehr will er auf seiner
Posaune „Romantica“ zaubern. Selbstverständlich möchte die
strenge Weißclownin Madame Nica alias Monika Aegerter dies
unterbinden. Für eine große Überraschung sorgt der 16-jährige Eusebiu Alexander junior. Sein Vater ist Chef der Truppe
Alexander. In seiner sehr starken Handstandarbeit baut Eusebiu nicht
nur zwei Türme aus Klötzchen auf und wieder ab, während er
darauf Handstände drückt. Nein, zum Abschluss gibt es auch noch
einen Klötzchen-Abfaller mit einer großen Zahl dieser
"Bausteine". Seit
2008 besuchen wir regelmäßig den Harlekin, und ebenso lange ist
Susanne Mani bei diesem Circus eine wichtige Stütze. In der
Administration, im Barwagen und in der Manege mit ihren jährlich
wechselnden und selbst erarbeiteten Haustierdressuren. Für diese
Saison hat sie eine gemischte Freiheit mit Pferd, Ponys und
Zwergmulis zusammengestellt. Dank Kostüm und passender
Musikbegleitung verwandelt sie sich bei ihrem Auftritt in das
berühmteste Kindermädchen der Welt, Mary Poppins. Elegante
Kleiderwechsel im Sekundentakt zeigen wenig später Claudie
Bremlov und ihr Mann Dominik Lagroni in ihrer schönen
Quickchange-Darbietung.
Truppe Alexander, Pedro
Pichler und Monika Aegerter, Nanou und Tito Medina
Eine zweite Handstanddarbietung,
ebenfalls im zweiten Programmteil platziert, zeigt Nanou. Sie
stellt Eleganz und Charme in den Vordergrund. Auch diese Nummer
erhält eine humorvolle Note, wenn Einblick ins Innenleben des
Requisits gewährt wird: Ehemann Tito Medina bewegt die auf- und
abfahrenden Handstäbe scheinbar mit Muskelkraft auf und ab. Noch etwas ist
in diesem Harlekin-Programm wie bei unserem Erstbesuch 2008: Für
die Schlussnummer sorgt die siebenköpfige Truppe Alexander,
inzwischen bestens bekannt aus großen Manegen wie dem
Heilbronner und Offenburger Weihnachtscircus, dem Cirque d’Hiver
Bouglione on Tour oder dem Circus Nock. Auch hier begeistern die
mannigfaltigen Sprünge und Salti vom Schleuderbrett bis zum
Fünf-Mann-Hoch. Amüsantes Detail am Rande: Nachdem sich ein
Artist verletzt hat, springt vorübergehend ein marokkanischer
Zeltarbeiter für ihn ein. Im Circus muss man eben alles können.
|