Es trifft auch auch den Nachwuchs zu,
Kevin (16) und Angelina (11). Es ist faszinierend zu beobachten,
wie die Kinder von Florian und Edith Richter jedes Jahr neue Begabungen offenbaren und exponiertere Stellen im Programm einnehmen.
Florian
und Kevin Richter
Kevin Richter etwa ist mit der ungarischen
Post in diesem Jahr Pausennummer. Wenn man bei ihm von einer
unglaublichen Manegenpräsenz spricht, dann braucht es den Zusatz
„für sein Alter“ nicht mehr. Zu Beginn der Saison findet die Post noch
ohne das Aufheben der Zügel statt. Der Reiter beugt sich dabei
stets zu den unter ihm hindurchlaufenden Pferden hinunter und
berührt sie am Rücken, um sie an das spätere Aufnehmen der
Zügel zu gewöhnen. Wenn das Ganze noch etwas länger dauert, so
ist die Leistung und Ausdauer umso mehr zu bewundern. Schon
jetzt ein beeindruckendes Bild, zumal die 20 (!) Pferde in
diesem Jahr neu dabei sind. So spricht Florian Richter bei
seinen beiden Freiheitsdressuren, dem Markenzeichen des
Direktors, auch noch von Dressurschulen. Doch schon zu Beginn
der Saison sieht man eine wunderschöne Freiheitsdressur mit
sechs jungen Arabern, eingeleitet von drei „Korbpferden“. Ein
weiterer Sechserzug im zweiten Programmteil, nunmehr mit
Friesen, wird von einer
doppelten Hohen Schule eingeleitet. Diese beiden Tiere sind
schon länger bei Florian Richter.
Haustruppe
Die vierte Darbietung mit Pferden
schließlich fällt in die Kategorie „immer wieder Neues“. Eine
verblüffende Kombination von Artistik und Pferdedressur, bei der
man sich irgendwann fragt, was eigentlich noch alles kommt.
Erklären kann man die Nummer eigentlich nur durch Beschreiben
der einzelnen Tricks der Truppe. Neben den beiden
Richter-Junioren sind hier drei Hausartisten dabei. Kevin
Richter schlägt einen Salto auf die Schultern eines Untermannes,
per Handvoltige und über ein unter dem Springer
hindurchlaufendes Pferd. Als nächstes werden zwei
Schleuderbretter schräg an den Manegenrand gestellt. Jeweils
zwei Artisten zeigen hier Kunststücke an der koreanischen Wippe
bis hin zum Salto, während Pferde in vollem Tempo um die Manege
preschen und über die Mitte der in Betrieb befindlichen
Schleuderbretter hinwegfegen. Es folgt ein erneuter Salto von
Kevin Richter auf die Schultern eines Partners – dieses Mal von
einem Russischen Barren aus gesprungen und über ein Pferd
hinweg, das als Steiger unter dem Springenden hindurchläuft. Ein
sich in der Mitte der Manege drehendes Pferd beschleunigt damit
einen Artisten, der auf Skiern um die Manege kreist. Dann wird
ein Pferd wie ein Seitpferd beim Turnen verwendet. Abgeschlossen
wird die Nummer durch einen vergleichsweise klassischen,
hochkarätigen Kunstreitertrick: zwei mal zwei Pferde laufen
neben- und hintereinander, per Handvoltige befördern zwei der
Hausartisten Kevin Richter im Salto von den vorderen beiden
Pferden auf die hinteren beiden. Eine absolut großartige
Darbietung, die man gerne öfter sehen möchte und der man den
abschließenden Platz im Programm gönnen würde.
Flying
Sergio, Truppe Diorio, Stella
Der Schluss gehört direkt danach aber
einmal mehr nicht den Pferden, sondern den moderneren
Fortbewegungsmitteln. Die fünf Diorios auf ihren Motorrädern in
einem recht kleinen Splitting Globe präsentieren eine der stärkeren
Darbietungen dieser Art und werden vom Publikum entsprechend
gefeiert. Gab es letztes Jahr mit dem Transformer und der
menschlichen Kanonenkugel noch zwei weitere Sensationsnummern,
so findet sich in diesem Programm an „Zeitgeist“-Darbietungen
nur noch Lasermann Jury Gottani. Auch er kann dem inflationären
Genre keine neuen Seiten abgewinnen. Wie schön hingegen, dass
auch die echten Klassiker wie das Flugtrapez das Publikum immer
noch und immer wieder begeistern können. Gleich nach der Pause
platziert zeigen die Flying Sergio – wie die Diorios zu fünft –
alle gängigen Tricks des Genres. Noch zweimal geht es in die
Luft, beides mal mit Solo-Artistinnen. Aurelia im Luftring
kreiert mit fluoreszierendem Kostüm und Schminke sowie
leuchtendem Requisit im UV-Licht schöne Bilder. Stella hingegen
kann in der besuchten Vorstellung mit ihrer Tuchnummer nicht
überzeugen. Es zeigte sich allerdings auch spätestens bei ihrem
abgebrochenen Schlusstrick, dass es wohl an diesem Tag ein
technisches Problem gab.
Glenn Folco, Joy
Costa, Angelina Richter
Sie leitet auch die Nummer ihres Partners
Glenn Folco am chinesischen Mast ein. Der Pole ist hier als
Laterne gestaltet. Diese wird von Stella eingeschaltet – das
könnte der Auftakt einer schönen Inszenierung sein, doch nach
dieser Einleitung verschwindet sie einfach. Auch Glenn Folco ist
ein weiteres Mal zu sehen: Sein Auftritt als Tennisjongleur mit bis
zu fünf Rackets ist schwungvoll und trickreich. So balanciert er
unter anderem einen Schläger auf dem Kopf, lässt ihn nach hinten
fallen und kickt ihn wieder in die Jonglage zu den anderen
Requisiten. Mit diesem Auftritt sorgt er für Stimmung auf den
Rängen. Das gelingt Clown Joy Costa mal mehr, mal weniger. Er
zeigt eine Variante des Boxkampfs mit Publikumsbeteiligung, eine
Reprise mit Foto und Luftballon und wie zuletzt bei der
Deutschland-Tournee des Circo Aquatico eine Reprise als
Wasserspucker. Wie im Vorjahr sorgt das Orchester unter der
Leitung von Attila Maka für eine erstklassige musikalische
Begleitung des Programms, das in diesem Jahr unter dem Titel
„Tierisch Extrem“ steht. Ein Motto, das neben den zahlreichen
erstklassigen Pferdedarbietungen schon zu Beginn der Vorstellung
seine Berechtigung findet, wenn Kevin Richter die ebenfalls neu
erworbenen Exoten präsentiert: vier Kamele und vier Zebras
zeigen eine schöne Arbeit, die unter anderem den Gegenlauf der
Zebras zwischen den Kamelen beinhaltet. In die Nummer
eingebettet ist der Auftritt von Angelina Richter und
Elefantendame Sandra. Auch hier hat man sich etwas Neues
einfallen lassen: auf dem Dickhäuter liegend, zeigt Angelina
zunächst mit einer Rolle, dann mit zwei Teppichen Antipodistik.
Kein ungefährliches Unterfangen, denn der Elefant darf sich
dabei nicht bewegen. |