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Circus Florian Richter - Tour 2017
www.richterfloriancirkusz.hu  ; 72 Showfotos

Veresegyház, 17. März 2017: In seinem vierten Jahr setzt der Circus Florian Richter die eingeschlagene Richtung fort und baut seine Stärken weiter aus. Geradezu exemplarisch kann man hier verfolgen, wie man das Publikum an einen Circus bindet. Mit der Etablierung von Identifikationsfiguren und der Einbindung aktueller Trends gelingt der Spagat, Neues zu präsentieren und dies mit einem Wiedererkennungseffekt zu verknüpfen. Identifikationsfiguren im Programm sind natürlich die Mitglieder der Direktionsfamilie selbst. Charismatisch, charmant und unglaublich talentiert – dies gilt nicht nur für den Namensgeber des jungen Unternehmens.

Es trifft auch auch den Nachwuchs zu, Kevin (16) und Angelina (11). Es ist faszinierend zu beobachten, wie die Kinder von Florian und Edith Richter jedes Jahr neue Begabungen offenbaren und exponiertere Stellen im Programm einnehmen.


Florian und Kevin Richter

Kevin Richter etwa ist mit der ungarischen Post in diesem Jahr Pausennummer. Wenn man bei ihm von einer unglaublichen Manegenpräsenz spricht, dann braucht es den Zusatz „für sein Alter“ nicht mehr. Zu Beginn der Saison findet die Post noch ohne das Aufheben der Zügel statt. Der Reiter beugt sich dabei stets zu den unter ihm hindurchlaufenden Pferden hinunter und berührt sie am Rücken, um sie an das spätere Aufnehmen der Zügel zu gewöhnen. Wenn das Ganze noch etwas länger dauert, so ist die Leistung und Ausdauer umso mehr zu bewundern. Schon jetzt ein beeindruckendes Bild, zumal die 20 (!) Pferde in diesem Jahr neu dabei sind. So spricht Florian Richter bei seinen beiden Freiheitsdressuren, dem Markenzeichen des Direktors, auch noch von Dressurschulen. Doch schon zu Beginn der Saison sieht man eine wunderschöne Freiheitsdressur mit sechs jungen Arabern, eingeleitet von drei „Korbpferden“. Ein weiterer Sechserzug im zweiten Programmteil, nunmehr mit Friesen, wird von einer doppelten Hohen Schule eingeleitet. Diese beiden Tiere sind schon länger bei Florian Richter.


Haustruppe

Die vierte Darbietung mit Pferden schließlich fällt in die Kategorie „immer wieder Neues“. Eine verblüffende Kombination von Artistik und Pferdedressur, bei der man sich irgendwann fragt, was eigentlich noch alles kommt. Erklären kann man die Nummer eigentlich nur durch Beschreiben der einzelnen Tricks der Truppe. Neben den beiden Richter-Junioren sind hier drei Hausartisten dabei. Kevin Richter schlägt einen Salto auf die Schultern eines Untermannes, per Handvoltige und über ein unter dem Springer hindurchlaufendes Pferd. Als nächstes werden zwei Schleuderbretter schräg an den Manegenrand gestellt. Jeweils zwei Artisten zeigen hier Kunststücke an der koreanischen Wippe bis hin zum Salto, während Pferde in vollem Tempo um die Manege preschen und über die Mitte der in Betrieb befindlichen Schleuderbretter hinwegfegen. Es folgt ein erneuter Salto von Kevin Richter auf die Schultern eines Partners – dieses Mal von einem Russischen Barren aus gesprungen und über ein Pferd hinweg, das als Steiger unter dem Springenden hindurchläuft. Ein sich in der Mitte der Manege drehendes Pferd beschleunigt damit einen Artisten, der auf Skiern um die Manege kreist. Dann wird ein Pferd wie ein Seitpferd beim Turnen verwendet. Abgeschlossen wird die Nummer durch einen vergleichsweise klassischen, hochkarätigen Kunstreitertrick: zwei mal zwei Pferde laufen neben- und hintereinander, per Handvoltige befördern zwei der Hausartisten Kevin Richter im Salto von den vorderen beiden Pferden auf die hinteren beiden. Eine absolut großartige Darbietung, die man gerne öfter sehen möchte und der man den abschließenden Platz im Programm gönnen würde.


Flying Sergio, Truppe Diorio, Stella
 

Der Schluss gehört direkt danach aber einmal mehr nicht den Pferden, sondern den moderneren Fortbewegungsmitteln. Die fünf Diorios auf ihren Motorrädern in einem recht kleinen Splitting Globe präsentieren eine der stärkeren Darbietungen dieser Art und werden vom Publikum entsprechend gefeiert. Gab es letztes Jahr mit dem Transformer und der menschlichen Kanonenkugel noch zwei weitere Sensationsnummern, so findet sich in diesem Programm an „Zeitgeist“-Darbietungen nur noch Lasermann Jury Gottani. Auch er kann dem inflationären Genre keine neuen Seiten abgewinnen. Wie schön hingegen, dass auch die echten Klassiker wie das Flugtrapez das Publikum immer noch und immer wieder begeistern können. Gleich nach der Pause platziert zeigen die Flying Sergio – wie die Diorios zu fünft – alle gängigen Tricks des Genres. Noch zweimal geht es in die Luft, beides mal mit Solo-Artistinnen. Aurelia im Luftring kreiert mit fluoreszierendem Kostüm und Schminke sowie leuchtendem Requisit im UV-Licht schöne Bilder. Stella hingegen kann in der besuchten Vorstellung mit ihrer Tuchnummer nicht überzeugen. Es zeigte sich allerdings auch spätestens bei ihrem abgebrochenen Schlusstrick, dass es wohl an diesem Tag ein technisches Problem gab.


Glenn Folco, Joy Costa, Angelina Richter 

Sie leitet auch die Nummer ihres Partners Glenn Folco am chinesischen Mast ein. Der Pole ist hier als Laterne gestaltet. Diese wird von Stella eingeschaltet – das könnte der Auftakt einer schönen Inszenierung sein, doch nach dieser Einleitung verschwindet sie einfach. Auch Glenn Folco ist ein weiteres Mal zu sehen: Sein Auftritt als Tennisjongleur mit bis zu fünf Rackets ist schwungvoll und trickreich. So balanciert er unter anderem einen Schläger auf dem Kopf, lässt ihn nach hinten fallen und kickt ihn wieder in die Jonglage zu den anderen Requisiten. Mit diesem Auftritt sorgt er für Stimmung auf den Rängen. Das gelingt Clown Joy Costa mal mehr, mal weniger. Er zeigt eine Variante des Boxkampfs mit Publikumsbeteiligung, eine Reprise mit Foto und Luftballon und wie zuletzt bei der Deutschland-Tournee des Circo Aquatico eine Reprise als Wasserspucker. Wie im Vorjahr sorgt das Orchester unter der Leitung von Attila Maka für eine erstklassige musikalische Begleitung des Programms, das in diesem Jahr unter dem Titel „Tierisch Extrem“ steht. Ein Motto, das neben den zahlreichen erstklassigen Pferdedarbietungen schon zu Beginn der Vorstellung seine Berechtigung findet, wenn Kevin Richter die ebenfalls neu erworbenen Exoten präsentiert: vier Kamele und vier Zebras zeigen eine schöne Arbeit, die unter anderem den Gegenlauf der Zebras zwischen den Kamelen beinhaltet. In die Nummer eingebettet ist der Auftritt von Angelina Richter und Elefantendame Sandra. Auch hier hat man sich etwas Neues einfallen lassen: auf dem Dickhäuter liegend, zeigt Angelina zunächst mit einer Rolle, dann mit zwei Teppichen Antipodistik. Kein ungefährliches Unterfangen, denn der Elefant darf sich dabei nicht bewegen.

Florian Richter zeigt mit diesem Programm, dass er seinen Stil gefunden hat – und damit auch ein Publikum, das in Scharen in den Circus strömt. Man freut sich jetzt schon darauf, wie das Programm wohl im nächsten Jahr aussehen mag – und fragt sich, welche Kombinationen von Pferden, Elefanten und Artistik wohl noch möglich sind. Und schon zählt man selbst zum immer zahlreicher werdenden Stammpublikum des Hauses.

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Text: Andreas Heidenreich; Fotos: Benedikt Ricken